Hans Bernecker: Ohne Zahlen kein Investment

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jack303:

Hans Bernecker: Ohne Zahlen kein Investment

 
24.06.02 11:05
Ohne Zahlen kein Investment  


Mails/Nachrichten vom 24.06.2002, Bernecker & Cie.

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Guten Morgen, meine Damen und Herren,
Gibt es eine sechste Baissewoche? Das reinigende Gewitter des Verfalltermins am Freitag fand leider nicht statt. Die Hedge-Funds-Baisse geht deshalb vorerst weiter. Es wird von Interesse sein, was ich Ihnen dazu in der nächsten AB zum Hintergrund beisteuere. Nach den eingehenden Gesprächen in Zürich, was inzwischen 30 % des Hedge-Funds-Markt abdeckt, blieb mir fast der Mund offen. Es wird ein riesiges Rad gedreht.

Eine solche Abwärtsspirale ist schwer zu definieren. Natürlich ist sie nicht endlos. Mein Eindruck: Es wird massiv darauf spekuliert, daß die Halbjahreszahlen der großen Adressen einen erneuten Druck auf die Märkte bewirken, ähnlich dem 30.03. In der Tat ist richtig: Im Moment können Sie keinem einzigen Vorstand bezüglich seiner Zahlen trauen, wenn diese nicht einwandfrei zum Stichtag belegt sind.

Die Konsequenz heißt dann: Bevor die Halbjahreszahlen nicht vorliegen, ist eine Einschätzung einer Aktie fast unmöglich. Es genügt schon eine geringe Abweichung von der Erwartungsgröße, um eine entsprechende Verkaufsempfehlung zu begründen. Dabei sind die Analysten erneut hilfreich im Vorfeld des eingangs erwähnten Umfeldes. Davon bin ich tief betroffen. Dennoch:

Frankfurt startet heute mit leichtem Plus, was für eine bedingte Erholung vorerst ausreicht.

Die Wall Street auf einen Blick: Die Unterschreitung des Dow unter 9450 hätte nicht passieren dürfen. Damit hängt der Dow markttechnisch komplett in der Luft. Der Nasdaq hat sein Septembertief faktisch getestet, leicht unterschritten und sieht damit eher nach einer Stabilisierung aus, als dies für den Dow gilt. Der S + P 500 deckt im Wesentlichen den Mittelwert ab. Er hat noch Luft für etwa 40/45 Punkte. Insgesamt:

Die gesamte amerikanische Börse hängt jetzt am seidenen Faden. Gewinnt sie mit den Halbjahreszahlen keinen Boden, wird es sehr kritisch. Eine kurzfristige Unterschreitung alter Unterstützungen ist dabei akzeptabel. Deshalb gebe ich die Hoffnung einer Stabilisierung nicht auf. Indes: Was soll man dazu sagen, wenn selbst Weltfirmen wie MERCK unterstellt wird, sie hätten die Umsätze getürkt? Problematisch bleibt auch die Stellung von IBM, GE und INTEL sowie MICROSOFT. Sie wissen, daß ich diese vier Titel als wesentliche Korsettstangen des Marktes ansehe. IBM hängt mit 68,50 $ bereits in der Luft. GE kämpft noch bei 28,40 $ mit dem Septembertief und INTEL fällt um weitere 30 %, wenn 18,50 $ nicht halten. Lediglich MICROSOFT hat noch 10 % Polster, doch auch dieses halte ich für noch nicht ausgestanden.

Wo liegen die größten Shortpositionen? Unverändert in MERCK (+ 21,6 % gegenüber Vormonat), MC DONALDS, AT + T aber auch EASTMAN KODAK, ferner in GENERAL MOTORS, GP MORGAN und HPQ sowie MICROSOFT und DISNEY bzw. INTEL. Für die letzteren hatten sie sich allerdings in den letzten Wochen schon erkennbar reduziert. Bei den Hightechs liegen die größten Positionen dieser Art in INTEL, APP MATERIAL, MICRON TECH und MOTOROLA. Doch auch hier registriere ich einen ersten Rückgang, mithin eine Art Entspannung.

Für Sie gilt in dieser Woche: Ohne Zahlen kein Investment. Interessieren Sie sich aber auch nicht für Stimmungen und vielfältige Kommentare, die mehr aus dem Bauch heraus geschrieben werden als mit Fakten zu begründen sind. Denn es gilt unverändert:

Die Frühindikatoren legten um 0,4 % auf 112,2 zu, was im Rahmen meines Bildes richtig ist. Hier gilt: Wer Euphorie erwartet, liegt falsch, wer die realistischen Daten auswertet, erwartet einen mäßigen Konjunkturaufschwung, aber dafür gilt: Die ehemaligen Goldkinder der Hochtechnologie verdienen nicht nur keine Wachstumsprämie, sondern eine unverändert deutlich niedrigere Bewertung für diejenigen, die noch immer Stories verkaufen, aber sie nicht belegen können.

Zum Handelsbilanzdefizit, das um 3,5 Mrd $ höher ausfiel als „prognostiziert“: Es fiel zwar höher aus, aber dahinter steht ein zunehmender Export bei gleichfalls zunehmenden Importen. Das ist in der Regel für die USA stets der Begleiter einer anziehenden Konjunktur. Es geht also nicht nur um das Defizit, sondern um das absolute Niveau, auf dem sich der Außenhandel abspielt.

Frankfurt hat meine Freitag-Erwartungen leider nicht erfüllt. Damit geht die Wackelpartie weiter. Indikator dafür war für mich der V-DAX, der sein Top bei 34,34 erreicht hatte, was nicht für einen Shakeout genügt. Deshalb gilt das Gleiche wie für New York: Erst die Halbjahreszahlen, dann kann entschieden werden. Darin glaube ich keinem einzigen Vorstand. Vergleichen Sie bitte, was von dieser Seite in den letzten Wochen so alles dargestellt wurde und was sich als richtig erwiesen hat.

Ein Krimistück besonderer Art verfolgen Sie bei BABCOCK BORSIG. Daß so etwas bei einer Besetzung des Aufsichtsrates mit den Chefs von Großbanken überhaupt möglich ist, ist schon ein historisches Ereignis. Hier geht es wohl auch um kriminelle Energie und nicht nur um Fragen des Aktienrechtes oder um ein bedenkliches Unrechtsbewusstsein der handelnden Akteure. Ich gestehe: Ich bin platt.

Wie weit geht die Telekomstory als Meßlatte für den Markt? In der Spitze 55 Mio Stück Umsatz zeigen an, was gespielt ist. Eine ausländische Großbank ist auf besondere Art dabei, deren Namen ich ausdrücklich nicht nennen kann. Sie operiert als Stückeleiher zulasten Ihrer Privatkunden, deren Depots in diesen Positionen blockiert werden (ohne ausdrückliche Zustimmung der Kunden). Dieses Recht besorgte sie sich durch die Änderung der Geschäftsbedingungen schon zur Jahreswende. Ein tolles Stück, aber offenbar ebenfalls „rechtlich“ möglich. Ich bin deshalb gespannt, was die deutschen Aufsichtsbehörden in Sachen Leerverkauf nun unternehmen werden.

Fazit für Sie: Entweder ein Crash, dann kann man kaufen. Oder die beschriebene Markttechnik, dann bleiben Sie bitte noch fern. Einziger Lichtblick: SÜDZUCKER, auf die ich in der letzten AB aufmerksam machte und die sogar mit 17,95 E. einen neuen Jahreshöchstkurs erreichten.

Das wär’s für heute.

Herzlichst Ihr

Hans A. Bernecker
 




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