Mails/Nachrichten vom 04.02.2002, Bernecker & Cie.
--------------------------------------------------
Guten Morgen, meine Damen und Herren,
wie der Freitag sich neigt, so der Montag sich zeigt. Das ist eine leicht abgewandelte Bauernregel. Aber beide fangen mit B an, Bauer wie Börse. Während die Konsolidierung im Gesamtumfeld noch läuft, hat sich die Markttechnik vieler Titel, wenn man sie einzeln betrachtet, deutlich verbessert. Sehr viele erreichten oder überschritten inzwischen die berühmt-berüchtigten 200-Tage-Linien, aber diese wiederum steigen noch nicht, sondern werden noch zwei bis drei Wochen benötigen. Sie wissen, was das heißt: Die 200-Tage-Linie ist kein charttechnischer Trick, sondern der 'innere Trend' entweder eines Marktes oder einer Aktie. Darauf ist demnächst noch stärker zu achten, und ich habe immer wieder in der AB darauf aufmerksam gemacht. Unterstrichen wird dies von den technischen Indikationen, die Sie kennen. Vor allem die Relation New/high zu New/low überzeugt. Seit nunmehr 2 ½ Wochen deutlich im positiven Bereich, obwohl sich dies in den zwei Indizes überhaupt nicht widerspiegelt. Häufig geäußerte Anfrage: Soll man bei den von mir gegebenen Limits bleiben. Ja! Wer aber noch gar nicht investiert ist, etabliert wenigstens eine Hausnummer. Das sollte sein. Zudem erscheint der kürzliche Absturz des Dow wie eine Art kurzfristige Bärenfalle. Stabilisierung oberhalb von 9.700 in den nächsten vier bis fünf Tagen wäre ein Indiz für einen Rally-Ansatz. Darüber morgen oder übermorgen. Das einzige Problem sind noch gelegentliche Abstürze, wenn enttäuschende Firmendaten erscheinen. Das ist der Grund für meine vorsichtige Zurückhaltung.
Die amerikanischen Konjunkturdaten zeigen Schritt für Schritt, wie eine neuer Konjunkturzyklus aufgebaut wird. Das ist fast so wie im Lehrbuch und reicht vom Arbeitsmarkt über das Konsumverhalten bis zum Index der Einkäufer und schließlich den sog. Investitionen. Was man dazu in der Presse liest, ist wahrlich erstaunlich.
Wall Street konkret: Die ganze Konsolidierung läuft bei mäßigem Umsatz. Besser geht's nicht, siehe die oben genannten markttechnischen Fakten. Zu bemerken ist allerdings: Die großen Pharmaunternehmen zeigen nach wie vor eine bedenkliche Markthaltung. Trotz guter bis sehr guter Zahlen (Pfizer) gibt es bis zur Stunde keinen Grund für Käufe. Dagegen sind die zwei Klassiker, Procter & Gamble und Philip Morris, am Freitag beinahe ausgebrochen, aber noch nicht ganz. Wer also ruhig schlafen will und im
Trend dennoch richtig liegen, investiert in diesen zwei Aktien. Zwei andere Konjunkturtitel zeigen dagegen eine totale Null-Reaktion: Coca-Cola und Walt Disney. Ich hatte auf diese Aktien im Herbst aufmerksam gemacht, jedoch nicht als Kauf, sondern als Konjunkturindikator. Beide geben bis zur Stunde noch kein Lebenszeichen von sich.
Setzen Sie die Ölaktien auf die Watchlist. Niemand denkt zur Zeit daran. Ich werde mich dazu in der nächsten AB äußern. Auf die Dreiteilung kommt es an: Service, Upstream-, Downstreamgeschäft. Hier zeichnet sich ein neuer Trend ab, der auch Stärke und Schwäche der künftigen Konjunktur vorgibt. Auffallend ist auch:
Die PC-Spekulation verbessert sich deutlich. Das Ganze hängt natürlich noch an der Fusion HP/Compaq, aber auch Apple zeigt, wohin es geht. Inzwischen knapp 25 $, nach dem glücklichen Kauf bei 15 $ Ende September letzten Jahres. Das macht Gateway wieder zu einer wenn auch etwas riskanteren Spekulation in der Nr. 4 des PC- Marktes. Diese Aktie ist eine Schieflage meinerseits, die ich neu ins Auge fasse. Mit den vorgelegten Zahlen ist dies zwar ein Turn-around, aber eine gute 60 %-Chance.
In der Technologie bleibt es bei meinen Abstauberlimits, die schon teilweise haarscharf gestreift worden sind, siehe oben.
Frankfurt hat eine interessante Woche vor sich. Die Gerüchteküchen brodeln, denn es sind gleich mehrere. Ich kann Ihnen nur nahelegen: Was sich hier in den nächsten Monaten tun wird, hat nichts mit High-tech oder New Economy zu tun und ebenso wenig mit Produktestories und Ähnlichem. Wie schwer sich damit die jüngeren Analysten tun, können Sie aus den Begründungen einiger Analysen gut entnehmen. Es geht um konzernstrategische Gesichtspunkte, die einer völlig anderen Beurteilung unterliegen. Die Abstufung von MLP erschreckt natürlich andere. Ist das ein Wunder? Wie oft habe ich vorgerechnet, daß ein KGV von 53 einfach nicht tragbar ist. Auch dann, wenn die Geschäfte wirklich gut laufen. Bei einem Kurs von 40/45 gegen aktuell 66 E. kann man über diese Aktie reden.
Der Hamburger 'Skandal' ist perfekt. Die Familie Herz löst ihre gemeinsamen Interessen auf. Das interessiert natürlich nur Beiersdorf. Mein Stand der Information: Günther Herz wird 30 % an Beiersdorf halten, aber hat damit keine Chance, eine Mehrheit zu erreichen oder aber sich gegen die Allianz zu stellen. Siehe dazu letzte AB, aber - neue Konstellation nächste AB. Damit ist die Spekulation im Dreieck zu Henkel und Wella ein Thema der nächsten Wochen.
Die Entscheidung der Deutschen Börse, Clearstream zu übernehmen, ist strategisch richtig. Das rechtfertigt eine erneut positive Einschätzung, die noch der Konkretisierung bedarf. Wer Mut hat, kauft weiter. Ebenso wie bei Depfa, die 77 E. erreichten und ich erinnere an meine vielfältigen Hinweise. Nächstes Kursziel sind 86 E. mit maximaler Möglichkeit von 89 E. Umgekehrt: Software wurde am Freitag infolge einer Abstufung durch eine Investmentadresse an die Wand gefahren. Merrill Lynch stufte von 'strong buy
' auf 'neutral' herunter, weil man ein schwieriges 1. Halbjahr erwartet und eine Erholung im 2. Halbjahr fragwürdig ist. Das steht im krassen Gegensatz zu dem, was Software selbst meint. Daher halte ich das M.L. entweder für leichtfertig oder nicht kompetent. Bei einem Umsatz von 388.000 Stück wurde offensichtlich Stimmung gemacht. Gehen Sie in die Gegenposition, Kaufbasis 31/34 E. bleibt gültig. Details reiche ich nach. Nebenbemerkung: Solche Dinge werden Sie noch ein paarmal erleben.
Degussa ist plötzlich 'im Gerede'. Chef Felcht macht sich stark für den Ausbau der Spezialchemie. Alle relevanten Namen sind sofort genannt: DSM, Rhodia und die Chemiesparte von Bayer sowie Clariant. Die ersten Zwei halte ich für Problemfälle. DSM ist erstklassig, aber die Holländer werden dem nicht zustimmen. Rhodia ist zweitklassig und deshalb nicht interessant. Clariant ist deshalb von besonderem Interesse, weil die Hälfte von Clariant die ehemalige Chemie von Hoechst repräsentiert. Damit rückt diese Aktie
unweigerlich in eine interessante Ausgangslage, die an jenes anknüpft, was ich Ihnen dazu am 29.9.2001 bei damals 20 Fr. schrieb. Bitte Brief Nr. 39/01 nachlesen. Inzwischen gut 60 % Gewinn, aber 28/30 Fr. sind eine neue 'Betrachtung' wert.
Der Terminkalender in dieser Woche: Heute kommt die Commerzbank mit den Zahlen für 2001. Pikanterweise Tesa (Tochter von Beiersdorf) mit der Einschätzung dieses schwierigen Kindes. Morgen ist Schering dran und in Paris übrigens Dassault Systèmes, auf die ich kürzlich hingewiesen hatte.
Schock in Zürich: CS Group meldet Verlust von annähernd 1 Mrd Fr. infolge 'Sonderbelastung' und Rentenanstalt/Swiss Life das Gleiche. Ich werde mich dazu eingehend in der AB äußern. Hier nur die kurze Bemerkung: Selbst die solidesten Schweizer schaffen es nicht, mit besten Fundamenten solide Ergebnisse zu produzieren. Das ist mehr als fatal.
Damit beginnen Sie die Woche bitte mit freundlichem Grundtun, aber kritischer Distanz zu manchem, was über die Medien flimmert.
Herzlichst Ihr
Hans A. Bernecker
--------------------------------------------------
Served by sonne02.bern-stein.de on 4.2.2002 11:14:14 for 80.129.68.106
WebText © 2000 by Bernecker & Cie + 1STEIN GmbH + + + eMail: info@bern-stein.de