Hans Bernecker: Gruppenhaftung

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jack303:

Hans Bernecker: Gruppenhaftung

 
06.02.02 11:16
Mails/Nachrichten vom 06.02.2002, Bernecker & Cie.

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Guten Morgen, meine Damen und Herren,
'Gruppenhaftung' ist das Schlagwort des Tages. Enron und seine Folgen werden uns noch einige Zeit beschäftigen. Wie viele Leichen noch 'auftauchen', weiß in New York niemand. Das Ganze ist vielleicht nicht dramatisch, stört aber
das Gleichgewicht des Marktes empfindlich. Vereinfacht erklärt: Wer in den vergangenen fünf Jahren dadurch wuchs, daß er andere Unternehmen kaufte, bezahlte in der Regel einen zu hohen Preis. Die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem tatsächlichen Buchwert ist der sogenannte Goodwill, der abzuschreiben ist. Davon ist fast jede dritte Firmenbilanz geprägt. Das operative Ergebnis ist davon selten berührt, aber sehr wohl die Kreditfähigkeit eines Unternehmens, wenn mit Schulden teilweise finanziert wurde, die Bonität zurückgestuft wird und die Lücke mit Eigenkapital nicht zu füllen ist. Das gilt nicht nur für die Amerikaner, sondern für eine ganze Reihe europäischer Firmen. In Deutschland allerdings so gut wie gar nicht bis auf Dt. Telekom mit dem Erwerb von Voicestream. Ich gestehe, daß ich ein
unwohles Gefühl im Magen habe, wenn ich an die Bilanzkonsequenzen dieser Art denke.

Die Wall Street weiß damit auch kaum richtig umzugehen, weil die Irritation größer ist als die eigentliche Sachkenntnis. Es gibt nur wenige Analysten, die sich mit diesem Problem ernsthaft auseinandergesetzt haben, denn es ist eigentlich ein Thema der Old Economy und viele meinten, in der New Economy sei das alles überflüssig. Deshalb bleibe ich dabei: Solange nicht alle

diese Fakten, inklusive Quartalszahlen und Bilanzkonsequenz, auf dem Tisch liegen, ist das Ganze eine Achterbahnfahrt. Ernsthaft zu überlegen ist die Konsequenz bei den Telekom-Dienstleistungen. Das betrifft meinerseits nur drei Aktien: AT&T, Sprint und Worldcom. Dazu in der nächsten AB und für Sie vorab: Die zwei letzten nehme ich raus, trotz sattem Verlust. Bei AT&T bleibe ich dagegen dabei und bin der Meinung, daß ich die Verluste der zwei anderen dort wieder herausholen kann. Dafür bestehen gute Aussichten. Ich habe den ganzen Konzernzauber von Worldcom zwar nicht mitgemacht, aber nach Absturz des Kurses von über 60 $ auf 17 $ wäre das ganze Risiko ausreichend berücksichtigt. Darin war ich zu optimistisch. Seit September sah es so aus, daß die Basis 11 $ halten könnte. Kursverlust jetzt rund 90 % und ein Menetekel.

Bei meinen Techniklimits gingen die ersten drei auf, vergleiche AB Nr. 04/02. Und zwar bei AMD bei gestern 14,46 $, bei Motorola mit 11,89 $ im
Tagestief und ganz knapp auch Sun Microsystems mit 9,97 $. Alle weiteren Limits bleiben unverändert.

Nachrichtlich: General Electric konnte sich gestern bei 35 $ abfangen. Das ruhte auf einer beruhigenden Erklärung von GE zum Gewinntrend. Doch darum geht es nicht. 30 $ bleiben mein Ziel. Microsoft hielt sich nur knapp über 60 $. Es bleibt beim Risiko von 20 %. IBM muß ich leicht korrigieren: Kursrückgang von 126 auf 101 $ wurde mit einer Zwischenrally bis 109 $ relativiert. Aktuell 106 $, und ich erweitere das Risiko auf 90/94 $. Beachten Sie bitte: Diese drei Aktien sind ein wesentliches Gerippe für den gesamten Markt, deshalb in den nächsten Tagen sehr genau zu verfolgen.

Zur Internetszene. Börsenliebling Broadvision hielt sich knapp über 2 $. Auch 1,90 $ sind noch machbar. Yahoo fiel in meine Limitspanne 14/16 $
hinein, gestern im Tief bei 15,23 $, an einem schlechten Tag sind auch 14,50 $ möglich. Hier legen Sie mich bitte nicht auf einen halben Dollar fest. Insgesamt besteht aber kein dringender Handlungsbedarf, siehe oben.

In Frankfurt regierte gestern blankes Entsetzen. Das gab's wohl noch nie, daß der Chef einer Großbank einen der größten Kreditnehmer des Landes an die Wand stellte. Meine Meinung zum Sachverhalt hatte ich gestern schon artikuliert. Diese Kreditblase muß platzen und die deutschen Bankenkurse stehen unter diesem Vorzeichen. Ich stelle mich auf jede Überraschung ein. Bankaktien sind vorerst kein Thema und wie das funktioniert, zeigt die Dt. Bank: Von knapp 80 auf inzwischen 66,50 E. innert fünf Börsentagen. Die Hypovereinsbank ist natürlich ebenfalls dabei und mithin sind dort Kurse um 30 E. jederzeit möglich. Schließlich:

Halten Sie sich aus allen Medienaktien fern, gleich welcher Art, bis auf die reinen Verlagstitel wie Springer, die nun zum Objekt im Kirch-Strudel werden. Alles, was mit TV-Medien zu tun hat, bleibt für mich kein Thema. Bei Pro7 ist der Besitzwechsel abzuwarten.

Ergänzend zu oben: Testet Dt. Telekom noch einmal das Tief knapp über 13 E.? ie Wette dafür steht 7:3. Ursache ist auch hier das erwähnte Bilanzproblem, und zwar aus der amerikanischen Sicht. Stellen Sie sich auf diesen Kurs ein. Heute findet ein internationales Pressekolloqium zum Thema UMTS in Deutschland statt. Die Hauptakteure sind Ron Sommer und Heinrich von Pierer. Vielleicht gibt's neue Ausblicke.

Zum heutigen Terminkalender: Bilanzpressekonferenz bei Aachen-Münchener Versicherung ist nur ein Indikator für AMB. In Basel gibt es Zahlen für Ciba Spezialitätenchemie und in Paris berichtet Bouygues.

In den USA kommen heute die Zahlen von Cisco, EDS und Pepsi Cola. Davon sieht der EDS-Chart nach einem sehr guten Verlauf nach einer Umkehrformation aus. Gewinne mitnehmen?

Wer empfiehlt was? Die Dt. Bank macht sich stark für Epcos, Morgan Stanley stuft KPN nach der Übernahme von E-Plus hoch. Merrill Lynch gibt eine neue Kaufempfehlung für Intel. Crédit Suisse empfiehlt Mobilcom und die WestLB wird bei Porsche vorsichtig. Dafür gibt es Entlastung für Sulzer Medica, die mit dem jüngsten Vergleich von der Konkursschippe gesprungen sein dürften.

Ryanair ist der Shootingstar unter den Fluglinien. Mit Superzahlen im Umsatz und Gewinn, aber auf den zweiten Blick bereits mit sinkender Marge. Für die Finanzierung der Investitionen wird eine Kapitalerhöhung durchgeführt. Mitmachen? Zum Spielen ja, als Investment nein. Das Konzept von Ryanair ist gut, beeindruckend, aber langfristig nicht durchzuhalten. Das ist ein
besonderes Thema und sprengt diesen Raum. Aber ich habe es einmal mit Mr. Laker eingehend diskutiert. Laker war der erste vor gut 20 Jahren, der das probiert hat.

Gold erreichte neuen Topkurs. Kein Chart sieht so gut aus wie der Goldchart. Wer wagt es, hier 'mitzuspielen'? Denken Sie mal darüber nach. Sprung über 290 $ weist auf nächstes Kursziel von 300/305 $ hin.

Das wär's für heute, bis morgen.

Herzlichst Ihr

Hans A. Bernecker
 




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