Das ist vielleicht ein Theater”, schimpft Thorsten Dreher. „Seit ich mein erstes Gehalt auf dem Konto habe, hört der Finanzstress nicht mehr auf.” Versicherungen, Vermögensbildung, Altersvorsorge: Dreher hat keinen Schimmer. Als Student war er mit diesen Themen schnell fertig, denn Geld für Versicherungen hatte er nicht, für einen Sparvertrag schon gar nicht.
Seit der Computerfachmann aber einen gut bezahlten Posten in einer Software-Firma angetreten hat, geben die Anlageberater keine Ruhe. Er sei jetzt nicht mehr bei seinen Eltern mitversichert, mahnen die eifrigen Vertriebsleute, und außerdem sollte er schon mal über die Versorgungslücke im Alter nachdenken.
Dass an diesen Argumenten was dran ist, weiß der 28-Jährige. Doch welchem Berater soll er sein Geld anvertrauen? Schließlich geht es um seine finanzielle Zukunft und um die Abdeckung großer Risiken wie Berufsunfähigkeit.
Murks trotz Ausbildung „Finanzdienstleistungen sind Vertrauenssache“, heißt es in Hochglanzbroschüren und Werbespots so schön. Doch was viele Kunden nicht wissen: Weil sich die Politiker bis heute nicht dazu entschließen konnten, Mindestanforderungen an die Verkäufer von Finanzprodukten zu stellen, kann praktisch jeder – auch ohne Vorbildung – auf den Kunden losgelassen werden.
Zum Glück sind angesichts der Vielfalt und der Komplexität der angebotenen Produkte inzwischen immer mehr Vermittler halbwegs angemessen ausgebildet. Die aus den unterschiedlichsten Berufen zusammengewürfelten Drückerkolonnen, die gerade mal das Nötigste über ihre Produkte wussten, gehören weitgehend der Vergangenheit an. Üblich sind heute die staatlich anerkannten Ausbildungsberufe Bank-, Versicherungs- oder Immobilienkaufmann. Darauf satteln viele Verkäufer den jeweiligen Fachwirt, der mit einer Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer nachgewiesen wird.
Die Großvertriebe schleusen ihre Mitarbeiter meist durch eine hausinterne Ausbildung, die mit eigenen Qualifikationsnachweisen abgeschlossen wird. Ein weiteres Beispiel ist der „grüne Ausweis“ des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft.
Damit hat der Kunde zumindest die Gewähr, dass sein Gegenüber ein Versicherungsfachmann ist. Eine Garantie für Fairplay ist dieses Kärtchen jedoch ebenso wenig wie alle anderen Nachweise für die berufliche Qualifikation von Finanzberatern.
„Hallo, Herr Kaiser!“
Um die Gunst des Kunden werben unterschiedliche Beratertypen. Meist klingelt „Herr Kaiser“, also die Sorte Versicherungsvertreter, die lediglich die Offerten einer einzigen Gesellschaft im Koffer hat. Rund 70 Prozent aller Versicherungsverträge werden auch heute noch auf diesem traditionellen Weg abgeschlossen.
Doch auch Herr Kaiser hat aufgerüstet: Er kann seinen Kunden neben Versicherungs- und Altersvorsorgeprodukten auch viele andere Finanzartikel anbieten, wie Sparverträge mit Investmentfonds oder Bausparverträge. Viele Versicherer decken so über Unternehmenstöchter oder Kooperationen die komplette Palette der Finanzprodukte ab.
Der Vorteil des so genannten Einfirmenvertreters: Er ist profunder Kenner seiner Ware und legt Wert auf persönliche Beratung. So holt er für seine Kunden bei der Regulierung eines Schadens gern mal eine Mark mehr heraus. Denn er weiß genau, dass oft zum Dank irgendwann ein weiterer Vertrag unterschrieben wird.
Für die Versicherten hat der Einfirmenvertreter aber auch Nachteile: Weil die Vergleichsangebote fehlen, kann es zu überteuerten Vertragsabschlüssen kommen.
Hausmannskost von der Hausbank
Ähnlich ergeht es allen, die auf den Besuch des Vertreters verzichten und stattdessen bei ihrer Hausbank vorstellig werden. Auch dort gibt es zwar die persönliche Beratung und die komplette Produktpalette, dafür aber meist nur hauseigene Angebote. Dass er anderswo billiger und womöglich besser bedient wird, erfährt der treue Bankkunde immer erst später.
Die Stiftung Warentest verteilte im vergangenen Jahr teilweise vernichtende Urteile zur Beraterqualität von Banken. Von den 25 Kreditinstituten, die die Tester mit der Bitte um eine Altersvorsorge- und Anlageberatung anonym konsultierten, erhielten nur zwei ein „Gut“, vier ein „Befriedigend“, der Rest ausreichende bis mangelhafte Noten. Die Berater fragten zum großen Teil nicht nach dem finanziellen Hintergrund und dem Risikoprofil der Probanden. Sie empfahlen meist narrensichere Produkte von der hauseigenen Stange. Über hausfremde Anlageformen informierten sie mehr als ungern. Außerdem scheuten viele Banken eine konkrete Empfehlung.
Wer lieber zwischen den Produkten mehrerer Versicherer, Banken und Investmentgesellschaften auswählen will, ist mit einem „unabhängigen“ Makler gut beraten. Der Vorteil: Für Beratungsfehler haften Makler ebenso wie Steuerberater oder Rechtsanwälte.
Einige Makler haben sich auf bestimmte Berufe, zum Beispiel Freiberufler, spezialisiert, andere, wie MLP, beraten vor allem Ärzte und anderer Akademiker, wieder andere betreuen Anhänger von Naturheilverfahren oder offerieren günstige Autoversicherungen. Ein Netzwerk von Maklerinnen betreut ausschließlich weibliche Versicherungskunden – ein Blick in die Gelben Seiten lohnt sich.
Strukis sind besser als ihr Ruf
Eine besondere Beraterzunft sind die Groß- oder Strukturvertriebe, früher auch abfällig Strukis genannt. AWD, OVB, Deutsche Vermögensberatung und Bonnfinanz sind Beispiele für Großvertriebe. Sie beraten ähnlich wie Makler, betreiben ihr Geschäft aber in größerem Stil, mit einem bundesweiten Netzwerk an Mitarbeitern. Anders als die meisten Makler gehen sie häufig von sich aus auf potenzielle Kunden zu. Ihre Verkäufer nennen sich Vermögensberater oder Finanzoptimierer und geloben gern die lebenslange Begleitung der Kunden.
Großvertriebe bieten eine umfangreiche Produktpalette und teilweise fundierte Analysen, die den Kunden helfen, ihren Finanz- und Versicherungsbedarf zu sichten und zu strukturieren. So unabhängig, wie sie sich immer geben, sind diese Unternehmen jedoch nicht. Die meisten von ihnen arbeiten auch nur mit ausgewählten Produktpartnern zusammen oder favorisieren hauseigene Produkte. „Anhauen, umhauen abhauen“ – so sprangen viele „Strukis“ früher mit ihren Kunden um. Doch seitdem die Großvertriebe honorige Banken als Partner gewonnen haben und ihre Mitarbeiter besser ausbilden, sind Beschwerden geprellter Verbraucher seltener geworden. Nach Beobachtungen der Verbraucherzentralen kommt Falschberatung inzwischen fast häufiger bei kleineren Vertrieben vor. Kein Wunder: Sobald ein Großvertrieb zur Aktiengesellschaft geworden ist, kann er sich ein mieses Image nicht mehr leisten und muss offensiv gegen schwarze Schafe in den eigenen Reihen vorgehen.
Vorsicht bei Kombiprodukten
Grundsätzlich gilt: Egal ob Makler, Einfirmenvertreter oder Großvertrieb, überall ist gesundes Misstrauen angebracht, weil diese Vermittler ausschließlich am Produktverkauf verdienen. Hellhörig sollte man vor allem bei so genannten Kombi-Produkten werden. Dabei handelt es sich um komplizierte, selbst für Fachleute kaum durchschaubare Pakete aus Finanzierungen, Bausparverträgen, Versicherungen und dem Kauf von Immobilien. Den Beispielrechnungen liegen allzu oft viel zu optimistische Wertentwicklungen zugrunde. Treffen diese Prognosen nicht ein, bricht das schöne Konzept wie ein Kartenhaus zusammen.
Vor Angeboten mit unrealistisch hohen Renditeaussichten kann gar nicht oft genug gewarnt werden. Zusätzliche Gefahr droht, wenn sich ein Finanzunternehmen mit Sitz in einem exotischen Land meldet. Carsten Lucht, Chef des Bundesverbands Finanzdienstleistungen, empfiehlt, generell darauf zu achten, dass der Vermittler der Geldanlage eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung vorweisen kann. „Kann er dies nicht, sollte man sich umgehend nach einem anderen Berater umsehen.“ Ein solider unabhängiger Finanzberater zeichne sich dadurch aus, dass er seinem Kunden in einem Vorgespräch zunächst alle Risiken erkläre, die mit den unterschiedlichen Anlagevarianten verbunden sind.
Unabhängig geht auch
Wer auf Nummer sicher gehen will, kann sich an so genannte Honorarberater wenden. Diese bieten neutrale Beratungen gegen Honorar – ab 300 Mark aufwärts –, verkaufen aber keine Produkte. Frei von jedem Provisionsinteresse arbeiten etwa die neun Mitglieder des Verbands AIFP (Analysten für Investments und Finanzplanung „nur gegen Honorar“, Tel.: 06172/920040, E-Mail: info@finanz-analysten.org). Soll es ausschließlich um eine gründliche Versicherungsberatung gehen, sind die gerichtlich bestellten Versicherungsberater genau richtig. Auch diese Dienstleister bieten eine produktunabhängige Beratung gegen Honorar. Adressen gibt es beim Bundesverband der Versicherungsberater unter Tel.: 0180/5257589 oder www. BVVB.de.
Junge Leute kaufen Finanzprodukte gern im Internet ein, so eine Studie des Spiegel-Verlags. Denn neben dem praktischen Online-Banking wird dort auch in Sachen Geldanlage einiges geboten. Vorteil: Im Netz nervt kein „Herr Kaiser“. Die Unternehmen informieren unaufdringlich über Leistungen, vergleichen Preise und bieten vielerlei Service rund um Versicherungen und Investmentfonds. Eine Rundum-Beratung können die Kunden allerdings nicht erwarten. Diesen Vertriebsweg sollte also nur wählen, wer genau weiß, was er will.
Last und Lust beim Online-Kauf
Dafür lässt sich bei den virtuellen Töchtern von Versicherungsgesellschaften eine Menge Geld sparen. Etwa bei der HUK-Coburg, die vor wenigen Wochen den ersten reinen Internet-Sachversicherer ins Rennen geschickt hat: Die HUK24 ist nur über das Web erreichbar und bietet KFZ-, Haftpflicht-, Unfall-, Sach- und Rechtsschutzversicherungen, außerdem private Krankenversicherungen und Bausparprodukte. Im nächsten Jahr sollen Lebens- und private Rentenversicherungen hinzukommen. Der Online-Vertragsabschluss lohnt sich umso mehr, als die HUK-Versicherungen im Netz mit Rabatt verkauft werden.
Mit Sonderkonditionen lockt auch die mamax-Lebensversicherung, der erste virtuelle Lebensversicherer. Die Tochter der Mannheimer Versicherung verkauft Policen online ohne Vertreterprovision, was eine Ersparnis von oft mehreren tausend Mark pro Vertrag bedeutet.
Die Masse der Versicherer-Sites bietet allerdings noch keinen rechten Grund zur Freude: Zwar kann man sich meist am Bildschirm ein Angebot errechnen lassen, aber anschließend kommt der Vertreter doch noch ins Haus. Immerhin: Knapp die Hälfte der Unternehmen ermöglicht die elektronische Schadensmeldung.
Information satt
Hoch in der Gunst der Surfer-Gemeinde stehen dafür die Versicherungsmakler. Auf ihren Web-Sites haben sie, wie der herkömmliche Versicherungsmakler, Angebote mehrerer Gesellschaften im Programm. Sie liefern Preis- und Leistungsvergleiche, detaillierte Infos und hilfreichen Service.
Wer den günstigsten Versicherer über eine solche Plattform sucht, wird jedoch enttäuscht. Weil auch virtuelle Makler von den Verkaufsprovisionen leben, sind die oft billigeren Direktversicherer wie Cosmos, Europa oder Ontos in den Preisvergleichen nur spärlich vertreten. Lohnen kann sich der Besuch von Finanzportalen wie FinanzScout24. Geboten werden nicht nur Versicherungen, sondern auch Bausparverträge und andere Geldanlagen. Lobenswert ist auch die Kreativität einiger Anbieter: Aspect online zahlt jedem Surfer bei Vertragsabschluss eine Aufwandsentschädigung von 20 Mark.
Wie so oft steckt der Teufel auch beim Online-Versichern im Detail: Bislang ist die elektronische Signatur nicht rechtsgültig. Noch muss der Kunde den Versicherungsantrag ausdrucken, ausfüllen und unterschrieben per Post an den Internet-Makler schicken. Ab Juli wird sich das aber ändern, dann soll das Gesetz über elektronische Signaturen gelten. Für alle Geschäfte, für die bisher die Schriftform vorgeschrieben war, ist dann auch die elektronische Form rechtsgültig. Der Haken: Das Verfahren, um an eine elektronische Signatur zu kommen, ist zurzeit noch recht aufwändig und lohnt für einzelne Vertragsabschlüsse nicht. Es bleibt abzuwarten, wie die Versicherungen das neue Gesetz umsetzen.
Schöner Schein
Wer sich online versichern will, sollte sich im Klaren sein, dass er Ware von der Stange bekommt, die nicht unbedingt bedarfsgerecht ist. Die Anbieter erwecken mit ausgefeilten Checklisten zwar den Anschein, alle Eventualitäten zu berücksichtigen. In der Praxis sind diese Checks meist viel zu allgemein. Vor allem, wenn es um anspruchsvolle Versicherungslösungen, etwa private Krankenversicherung, Berufsunfähigkeitsschutz oder Altersvorsorge geht, kann der virtuelle Makler die persönliche Beratung eben doch nicht ersetzen. Sinnvoll ist der Blick ins Netz vor allem bei einfachen Produkten wie Auto-, Hausrat- und Privathaftpflichtversicherungen. Auch Fonds lassen sich mit ein bisschen Rechercheaufwand ganz gut kaufen. Ein besonders großes Manko teilt der virtuelle Vertreter schließlich mit dem echten „Herrn Kaiser“: Auch er sagt dem Kunden nicht, welche Versicherungen überflüssig sind.