ONLINE-TEST aus GELDANLAGE + BANKEN 8/2003
Hebelzertifikate
An der Börse spielen
Hartgesottene Zocker wirds freuen: Mit so genannten Hebelzertifikaten haben sie die Möglichkeit, auf den Kurs von Aktien, Indizes und Währungen Wetten mit wählbarem Risiko abzuschließen. Innerhalb von Stunden lässt sich der Einsatz auf diese Weise vervielfachen. Genau so schnell kann das Geld allerdings auch verloren sein. Jenseits riskanter Spekulationen können Hebelzertifikate Sinn machen, um andere Geldanlagen oder Währungsrisiken abzusichern. FINANZtest erklärt, wie Hebelzertifikate funktionieren, wo sie zu haben sind und wie sie sinnvoll einzusetzen sind.
Turbo für Gewinne und Verluste
Zertifikate sind im Grund einfache Inhaberschuldverschreibungen. Der Anbieter verspricht dem Käufer eine von bestimmten Bedingungen abhängige Leistung. Beispiel für ein Hebelzertifikat auf den Dax: Wenn der Aktienindex um ein Prozent steigt, sind mit dem richtigen Zertifikat 30 Prozent Gewinn drin. Dafür gilt entsprechend: Bei einem Minus von 1 Prozent beim Dax verliert das Hebelzertifikat 30 Prozent seines Wertes. Schlimmer noch: Hebelzertifikate haben eine so genannte K.o.-Schwelle. Fällt der Kurs oder der Index, auf den sich das Zertifikat bezieht, unter diese Schwelle, ist der gesamte Einsatz verloren. Hinzu kommt wie bei allen Inhaberschuldverschreibungen das Insolvenzrisiko: Wenn der Aussteller des Papiers Pleite geht, schaut der Anleger in die Röhre. Beruhigend jedoch: Die Banken und Wertpapierhäuser, die solche Hebelzertifiakte ausstellen, sind kaum vom Konkurs bedroht.
Handel mit Rechten
Grundlage für Hebelzertifikate sind Optionen und Termingeschäfte. Wenn ein Anleger bei einer Bank ein Hebelzertifikat kauft, sichert sich diese den Einsatz ab, indem sie das Recht kauft, in den Kurs oder Index, auf den der Anleger setzen will, zum passenden Preis zu investieren. Beispiel: Ein Anleger setzt mit einem Hebelzertifikat auf Steigerungen beim Dax. Um den Anleger seine Gewinne später zahlen zu können, würde die Bank sich die Option sichern, Dax-Aktien irgendwann in der Zukunft zu dem Preis zu kaufen, zu dem sie jetzt gerade gehandelt werden. Wenn der Dax tatsächlich steigt, schießt der Wert des Rechts, den Index zum alten Preis zu kaufen, in die Höhe.
Absicherung gegen Risiken
Erfunden wurden solche Optionen und Termingeschäfte, um das Risiko von Preissteigerungen oder -senkungen abzufangen. So kaufte sich der Großbäcker bereits im Winter das Recht, im Sommer Getreide zu einem bestimmten Preis zu kaufen, damit er bei plötzlichen Preissteigerungen wegen einer schlechten Ernte sicher ist vor unkalkulierbaren Mehrausgaben. Große Landwirte mit Angst vor fallenden Preisen schlugen genau den umgekehrten Weg ein und sicherten sich rechtzeitig das Recht, ihr Getreide nach der Ernte zu einem bestimmten Preis zu verkaufen. Als Instrument zur Absicherung sind solche Geschäfte auch heute noch wichtig. Exportunternehmen etwa können über Devisentermingeschäfte sicherstellen, dass Änderungen der Wechselkurse ihnen nicht jede Kalkulation über den Haufen werfen.
Auch für Privatleute möglich
Für Privatanleger können Hebelzertifikate auf ähnliche Art und Weise für Sicherheit sorgen. Mit Einschränkungen allerdings: Wollen sie das Risiko einer Geldanlage vollständig absichern, müssen sie so viel Geld in Hebelzertifikate investieren, dass die Geldanlage insgesamt nicht mehr lohnt. Möglich ist allerdings, Teilrisiken auszuschalten. Beispiel: Investitionen in fremden Währungen lassen sich mit dem passenden Hebelzertifikat gegen das Wechselkursrisiko absichern. Wer also amerikanische Aktien für aussichtsreich hält, aber fallende Dollarkurse befürchtet, kauft zu den amerikanischen Aktien die passenden Hebelzertifikate auf einen fallenden Dollar. Wenn der Dollarkurs tatsächlich fällt, würden Wertsteigerungen des Hebelzertifikats den währungsbedingten Wertverlust der Aktien ausgleichen.
Besondere Belehrung nötig
Wegen des dramatischen Tempos, mit dem Hebelzertifikate an Wert verlieren können, müssen die Banken Anleger besonders sorgfältig über die Risiken informieren. Erst danach dürfen ihnen Hebelzertifikate verkauft werden. Wenn die Bank nicht nachweisen kann, dass sie einen Kunden gründlich informiert hat, drohen ihr bei Verlusten Schadenersatzforderungen.
Hebelzertifikate
Tipps
Eignung. Hebelzertifikate sind für Sie nur geeignet, wenn Sie genug Erfahrungen bei der Geldanlage gesammelt haben und über die nötige Risikobereitschaft verfügen. Ihr Geld kann innerhalb von kürzester Zeit verloren gehen.
Laufzeit. Hebelzertifikate eignen sich nur für kurze oder mittelfristige Anlagen. Wenn Sie Ihr Geld langfristig anlegen wollen, kommen Hebelzertifikate nur in Ausnahmefällen in Frage.
Zulassung. Nur "termingeschäftsfähige" Kunden dürfen Hebelzertifikate kaufen. Dazu brauchen Sie eine umfassende Risikoaufklärung. Fragen Sie Ihre Bank.
Informationen. Gute Übersichten über Hebelzertifikate finden Sie im Internet unter www.onvista.de, www.ariva.de oder www.comdirect.de sowie im Videotext des Fernsehsenders n-tv (ab Seite 600).
Wertentwicklung. Der Wert von Hebelzertifikaten hängt von der Stärke des Hebels ab und von der Entfernung der aktuellen Kurse zur K.o.-Schwelle. Anhand der Eckdaten können Profis genau errechnen, wie sich der Wert des Zertifikats im Verhältnis zum Kurs entwickelt, auf den es sich bezieht. Dadurch wird es möglich, Hebelzertifikate exakt zur Absicherung bestimmter Risiken einzusetzen. Aber Achtung: Hebelzertifikate haben zuweilen eine begrenzte Laufzeit. Achten Sie darauf, dass Ihr Hebelzertifikat lang genug läuft, um Ihnen die erforderliche Sicherheit zu bringen.
Tempo. Wenn Sie mit Hebelzertifikaten erfolgreich spekulieren wollen, müssen sie das Geschehen an den Börsen genau beobachten und die Möglichkeit haben, schnell zu reagieren. Sonst sind Hebelzertifikate eigentlich nur zur gezielten Absicherung von Kursrisiken geeignet.
Kauf. Am billigsten bekommen Sie Zertifikate über einen Discountbroker. Einige bieten auch den außerbörslichen Direkthandel mit den Emittenten an. Das ist transparent und spart Kosten.
Gruß Pichel