Händlertricks bei der Euroumstellung

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vega2000:

Händlertricks bei der Euroumstellung

 
09.12.01 21:04

Euro-Einführung


Die Umrechnungstricks der Händler

Viele Verkäufer runden zu Lasten der Kunden auf. Verbände stellen Euro-Sünder im Internet an den Pranger.

Kunden müssen jetzt besonders wachsam sein, um nicht übervorteilt zu werden. Bei einigen Produkten wird der Euro-Preis, bei anderen wiederum der DM-Preis hervorgehoben. Das verwirrt.
Viele Verbraucher interpretieren den Euro-Preis noch immer als DM-Angabe und stellen meist erst an der Kasse durch Bezahlung des doppelten Preises fest, dass sie sich getäuscht haben. Andere sitzen versteckten Preiserhöhungen auf.
Wenige Wochen vor der Währungsumstellung verteuern viele Geschäfte heimlich ihre Waren, damit sie auch in Euro wieder mit einem so genannten Schwellenpreis werben können. Verbraucher bevorzugen nämlich Preise mit einer Neun am Ende.
Das suggeriert Kunden eine knallharte Kalkulation und reizt dadurch eher zum Kauf als ein Preis mit einer Null zum Schluss. Deswegen werden drei Viertel aller Lebensmittel zwischen 99 Pfennig und 5,99 DM angeboten.
Kunden erwarten nichts anderes
Artikel, die früher 1,99 DM kosteten, müssten jetzt bei korrekter Umrechnung zum amtlichen Kurs von einem Euro zu 1,95583 DM eigentlich mit 1,02 Euro ausgezeichnet werden. Doch ist mit solchen krummen Beträgen kein Geschäft zu machen.
Händler bedienen sich deshalb eines Tricks, um das alte Preisgefüge in die Euro-Ära hinüber zu retten. Sie suchen sich durch Aufrundungen einen werbewirksamen neuen Schwellenpreis in Euro und teilen den dann für die Restlaufzeit der DM durch den offiziellen Umrechnungskurs von 1,95583.

Beispiel: Ein Artikel, der 29,99 DM kostet, ist in Euro gerechnet 15,33 wert. Er wird aus optischen Gründen neuerdings mit 15,99 Euro ausgezeichnet. Das entspricht einem DM-Preis von 31,27. Gegenüber dem ursprünglichen Wert sind das 4,27 Prozent mehr.
Das ist ganz schön happig, entspricht aber wohl den Erwartungen. Nach Meinung der Verbraucherzentralen sind viele Kunden überzeugt, dass die doppelte Preisauszeichnung in DM und Euro von den Geschäften dazu benutzt wird, sie hinters Licht zu führen.
Überrumpelungsabsicht
Verteuerungen kommen aber auch unverhohlen daher. Nach den Erfahrungen der nordrhein-westfälischen Verbraucherzentrale stellt mancher Lieferant seine Preise eins zu eins um.
So verlangte ein Hersteller von Fusselrollen, mit denen kleine Schmutzpartikel von der Kleidung entfernt werden können, zuerst 3,99 DM, später dann denselben Betrag in Euro. Die Überrumpelungsabsicht ist offensichtlich.
Die meisten anderen Ladenbesitzer gehen allerdings subtiler vor. Sie versuchen schon seit Jahresbeginn höhere Preise durchzusetzen. Der harte Wettbewerb im Handel hat das nicht immer verhindern können.
Nachweis fällt schwer
Jedenfalls ist die Preisfront schon lange in Bewegung gekommen. Ende Juli hat die Verbraucherzentrale beim Vergleich mit Verhältnissen im April bei über elf Prozent der knapp 1000 untersuchten Produkte euro-induzierte Preiserhöhungen festgestellt. Die Korrekturen reichten von 4 bis 33 Prozent.
Ähnliche Erfahrungen machte das Statistische Bundesamt. Nach deren Schätzungen lässt sich etwa ein Zehntel der Preiserhöhungen bei Butter, Nudeln und Schokolade auf die Währungsumstellung zurückführen.
Das Institut für angewandte Verbraucherforschung hat ebenfalls Fehlverhalten festgestellt. Danach sind bereits seit dem Frühjahr Euro-Umstellungen in 86 Prozent der beobachteten Fälle für Preiskorrekturen missbraucht worden.
Doch ist der Beweis eines Zusammenhangs nur schwer und manchmal gar nicht zu erbringen. Die Verbraucherverbände können nur mutmaßen, dass die Preiswellen selbst bei renommierten Firmen wie Aldi oder Viag Interkom etwas mit dem Euro zu tun haben.
Die Bahn spendet
Ausnahme bildet die Deutsche Bahn. Sie hat aus ihren Motiven keinen Hehl gemacht, als sie aus Kostengründen ihre Preise nach oben rundete. Überschüssige Summen sollen einem guten Zweck gespendet werden.
Gerissen ging nach Recherchen der Hamburger Verbraucherverbände die Lebensmittelkette Intermarché vor. Sie verteuerte Milch in einem ersten Schritt von 0,95 DM (0,49 Euro) auf 1,19 DM (0,61 Euro), um dann, in einem zweiten Schritt, den Preis auf 0,59 Euro abzurunden.
Verbraucherschützer registrierten natürlich auch Verbilligungen. Überall da, wo der Preis, statt zum offiziellen Umrechnungskurs von 1,95583 DM, der Einfachheit halber zwei zu eins von DM auf Euro umgestellt wird, winkt Kunden ein Kostenvorteil von zwei Prozent.
Dieser Satz entspricht der Abrundungsdifferenz. Doch ist das nicht die Regel. Die Verbraucherverbände registrierten gerade mal bei 15 Prozent der beobachteten Waren Preissenkungen. Es überwiegen Veränderungen nach oben.
Selbstverpflichtung sorgt für Ärger
Kunden ärgert dabei zweierlei – einmal der Vorgang an sich und dann auch noch das damit verbundene Versteckspiel. Denn der Handel hat – entgegen seiner Versprechungen, die Währungsumstellung nicht für versteckte Teuerungen zu nutzen – genau dies zigtausend Mal praktiziert.
Die diffuse Selbstverpflichtung hat nach Meinung der Verbände deshalb zu Ärger und Misstrauen geführt. Die Österreicher zeigen, wie man es anders machen kann. Im Nachbarland überwacht der Staat die Umstellungsarbeiten. Preise müssen exakt umgerechnet werden.
Abrundungen sind erlaubt, Aufrundungen nicht. Im Streitfall hat der österreichische Wirtschaftsminister per Gesetz die Möglichkeit, Euro-Preise festzulegen. Deutsche Kunden sind schlechter gestellt. Sie können nur eine Ordnungswidrigkeit anzeigen und das auch nur dann, wenn Händler Waren mit falsch umgerechneten Euro-Beträgen auszeichnen. Gegen Erhöhungen an sich sind sie machtlos.
Zum Rückzug gezwungen
Oder doch nicht? Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat unter der Adresse www.vz-nrw.de/euroforum im Internet einen elektronischen Informations- und Beschwerdeservice für private Nutzer eingerichtet.
Er soll helfen, Auswüchse durch Anprangerung zu verhindern. Beschwerden und die entsprechenden Reaktionen der Firmen darauf werden nämlich öffentlich gemacht. Das heißt, sie stehen für alle lesbar im Web. Beim Hersteller der Fusselrolle hat das bereits Wirkung gezeigt. Er zog seine Preisverdoppelung zurück.
Die Verbraucher-Zentrale Hamburg hat ähnliche Preisbremsen im Internet installiert. Sie schuf eine öffentliche Euro-Sünder-Kartei für Firmen, die die Euro-Umstellung für heimliche Verteuerungen missbrauchen. Derzeit stehen 160 Firmen auf der Liste. Mehr als 4000 Kunden klicken täglich unter der Adresse www.vzhh.de diese Kartei an. Das zieht.
Ertappte Preissünder nehmen Unkorrektheiten zurück oder sie versuchen nachzuweisen, dass vorgenommene Teuerungen andere Gründe als den Euro zu Ursache haben. So bietet eine Drogeriekette ihre Wellnessprodukte jetzt wieder zum alten Preis an, nachdem sie zuvor versucht hatte, mit der Euro-Umstellung einen Reibach zu machen.

Quelle: Süddeutsche Zeitung
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