Ground Zero der Katastrophen

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Ground Zero der Katastrophen

 
13.11.01 20:14
Zum Absturz des Airbus A-300 in Queens/New York

Candide meinte: "Wenn dies die beste aller möglichen Welten ist, wie müssen dann erst die anderen sein?" Inzwischen scheint die Welt alles zu sein, was der Unfall ist. New York steht erneut im Fadenkreuz des Schicksals. Ein zweiter Flugzeugabsturz, fast genau zwei Monate nach dem Schrecken des 11. September, wiederholt das Inferno in ähnlichen Bildern. 260 Menschen starben an Bord des Unglücksflugs AA 587, zwei Minuten nach Verlassen des Kennedy Airports. Am Absturzort, dem dicht besiedelten Rockaway von Queens, nahe der 129. Straße werden Häuser beerdigt und gehen in Flammen auf. Wieder werden Tote gezählt, Vermisste vergeblich gesucht werden. Es wird gebetet und geflucht werden. Aber das Remake des Horrorstreifens ist nicht die von Usama bin Ladin angekündigte und von den amerikanischen Sicherheitskräften ständig befürchtete Fortsetzung des Terrors mit denselben Mitteln, sondern - allen Anzeichen nach - ein Unfall.

Das WTC-Massaker konnte Amerika den Glauben an Schicksalsbeherrschung, an die relative Machbarkeit der Welt nicht nehmen. Diesmal gibt es dagegen keine Optionen, das Böse an der Gurgel zu packen, Schicksal und Trauer in der Tat zu besiegen. Gegen die Katastrophe am Rockaway Beach Boulevard gibt es keine heilige Allianz, hier hilft nur Beten, wenn es denn je geholfen hat. Auch wieder ein Fall für Nostradamus, die US-Army ist diesmal als Angstentsorger nicht zuständig. Bürgermeister Giuliani spricht zwar davon, dass die Stadt jetzt noch wachsamer sein werde. Aber weder dieser Appell noch die Flugsicherung durch F 15-Kampfflieger können hier etwas ausrichten. Der gesichtslose Schrecken spottet über den menschlichen Glauben, die Dinge richten zu können, im Tun eine Lebensversicherung gegen die Untiefen der allfälligen Katastrophen abschließen zu können.

Am 1. November 1755 wurde das Erdbeben von Lissabon, das Gerechte und Ungerechte in den Tod riss, zum Problem der Theodizee: Wie kann Gott das zulassen? Das Erdbeben von Lissabon wurde in der europäischen Mentalitätsgeschichte zu einem einschneidenderen Ereignis als lediglich eine von unzähligen Naturkatastrophen. Das sinnlose Leiden provozierte den Sinn, den man Gottes gütigem Handeln bis dahin glaubte, unterstellen zu dürfen. Die metaphysische Hoffnung, der Optimismus, wenn nicht in der besten, so doch in einer menschlichen Welt zu leben, war erschüttert und wurde von Meisterdenkern wie Lessing, Kant, Goethe, Rousseau und Voltaire mit unterschiedlichen Ergebnissen zum Anlass genommen, die Schöpfung der Revision zu unterziehen.

Auch die Katastrophe von Queens könnte in panischen Zeiten wie den gegenwärtigen zum Anlass genommen werden, mehr darin als nur einen Unfall zu sehen. Bereits die kurze zeitliche Abfolge der Schreckensereignisse lässt das Geschehen wie einen zynischen Kommentar zur Katastrophe des WTC erscheinen. Denn vielleicht sind die Differenzen von Terror, Technikversagen und Naturkatastrophen nicht viel mehr als eine menschliche Konstruktion, besser mit fundamentalen Ängsten, vor allem der Todesangst, zu leben.

Der Krieg in Afghanistan ist ebenfalls ein Krieg gegen eine diffuse Angst, die zur Furcht vor etwas definiert werden muss. Hinter der Gefahrenprophylaxe wabern alte apokalyptische Ängste, dass die Zivilisation zusammenbrechen könnte, das Böse über das Gute triumphiert - schlecht kaschierte Weltuntergangsängste, die sich am inkarnierten Bösen fest halten. Das muss sich keiner eingestehen, solange die Terroristen das Weltübel so plausibel repräsentieren. Diese Widersacher des Guten können dem puren Glauben an die Schicksalsbeherrschung nach besiegt werden. Terroristen, selbst die gesichtslosen vom Hindukusch, sind potenziell greifbar. Alle Ängste, die sonst leidlich von den Annehmlichkeiten der Zivilisation wattiert werden, lassen sich darauf projizieren. Weiland gab es Hexen, die eben für jeden vergifteten Brunnen, Seuchen und alle anderen Menschheitsgeißeln verantwortlich waren - zudem in jenen dunklen Tagen, als die Aufklärung über Ursachen noch erheblich ärmer war als heute.

Die Katastrophe von Queens, die insbesondere in erregten Zeiten wie diesen wieder als Fingerzeig Gottes in diese oder jene Richtung herhalten mag, erscheint wie ein metaphysisches Spiel, den Menschen und seine Schicksalsbeherrschung zu verspotten. Die Nerven der Welt liegen blank, das Schicksal bohrt sich noch einmal tief in die noch offenen Wunden Amerikas. Vielleicht lehrt dieses Unglück aber die Krieg Führenden, dass der Optimismus, die Menschheitsängste ein für alle Mal zu vertreiben, eine trügerische Hoffnung ist. Es gibt in dieser Welt keine Lebensversicherung, ob das Böse nun Terror, Anthrax oder Technik heißt. Die Welt ist erfinderisch, wenn es um die Entfaltung ihres Höllenpotenzials geht. Daraus sollte man vielleicht zumindest den Schluss ziehen, Katastrophen nicht mit Katastrophen zu bekämpfen.

Ground Zero der Katastrophen 473128
Happy End:

Katastrofe wär ´ne Katastrophe! o.T.

 
13.11.01 20:49
Happy End:

Oder? o.T.

 
13.11.01 23:49
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