US-Notenbankpräsident Alan Greenspan hat durch unkluge Äußerungen nach der Aktien- auch noch eine Anleiheblase verursacht. Die Folgen könnten die Wirtschaft erheblich belasten.
Der Chef der amerikanischen Notenbank Federal Reserve, Alan Greenspan, hat seinem Amtskollegen bei der Europäischen Zentralbank (EZB), Wim Duisenberg, einen großen Gefallen getan, als er dem globalen Anleihenmarkt den Boden unter den Füßen wegriss. Greenspan hat damit den Mythos untergraben, dass es Duisenberg und die EZB sind, die Kommunikationsschwierigkeiten haben - ganz anders als die Fed. Die gilt schließlich als Ausbund an Tugend und Effektivität, wenn es darum geht, die eigene Botschaft unters Volk zu bringen.
Aber wer wollte jetzt noch die EZB kritisieren, nachdem die Fed die Investoren so sehr in die Irre geführt und ein finanzielles Blutbad verursacht hat? Es spricht nicht für die Kommunikationsfähigkeit der Nationalbanker, zunächst dem Markt Signale zu senden, dass die Zinssätze um einen halben Prozentpunkt sinken werden, und sie dann im Juni-Treffen doch nur um einen Viertelprozentpunkt zurückzunehmen. Wer noch immer behauptet, dass die EZB das Monopol auf schlechte Kommunikation hält, betrachte die anschließende Pressemitteilung der Fed. Der Text war schlecht und verwirrend formuliert. Die Haltung der Fed zur Wirtschaft verdeutlichte er wahrlich nicht?
Nicht das erste Mal
Es ist nicht das erste Mal, dass Greenspans Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen wird. Für seine Kritiker ist er der "Double Bubble Man". Erst trieb der Notenbanker mit unaufhörlicher Schönrederei über die grenzenlosen Möglichkeiten der US-Produktivität den Aktienmarkt in eine Blase - eine Geschichte, die nicht gut ausging, wie wir uns alle erinnern. Dann sorgte Greenspan bei zahllosen Ansprachen vor der Juni-Sitzung des Offenmarktausschusses für eine Blase am Anleihenmarkt. Er redete von einem so genannten Deflationsproblem, auf das die Fed eventuell mit nicht-konventionellen Mitteln der Geldmarktstimulation reagieren würde. Insbesondere wurde der Kauf von langfristigen Anleihen genannt.
Die Renditen für Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit brachen daraufhin ungewöhnlich stark ein - innerhalb von nur sechs Wochen fielen sie von 3,9 auf etwa 3,1 Prozent. Die Auswirkungen von Greenspans anleihenfreundlichen Äußerungen spürte man bis nach Europa. Dort wurde in Finanzkreisen argumentiert, dass das öffentliche Anfachen der Angst vor einer Deflation in den Vereinigten Staaten das Deflationsproblem in Deutschland verschlimmere. Zudem sorgte die Blase am US-Anleihenmarkt für eine unerwünschte europäische Blase.
Beim Treffen des Offenmarktausschusses im Juni erlitt dann die Glaubwürdigkeit der Fed einen weiteren schweren Schlag, als der Ausschuss beschloss, mit seinem knappen Vorrat an herkömmlicher Munition sparsam umzugehen, anstatt die neuen Grenzen der Geldpolitik voranzutreiben. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden; vielleicht ist eine Senkung um 25 Basispunkte angesichts der Umstände die richtige Maßnahme. Aber warum brachte der Fed-Chef so viele Marktteilnehmer dazu, das Gegenteil zu glauben?
Unangenehme Wahrheit
Die unangenehme Wahrheit ist, dass Alan Greenspan und seine Kollegen erst mit ihrer radikalen Rhetorik die Blase am Anleihenmarkt verursachten und sie dann mit herkömmlichen Maßnahmen zum Platzen brachten.
Kaum jemand wird wegen der Spekulanten, die sich von der Fed in die Irre führen ließen, Tränen vergießen. Aber die außergewöhnliche und unnötige Volatilität, die die Fed den Finanzmärkten und dem US-Dollar aufgezwungen hat, könnte für die echte Wirtschaft negative Auswirkungen haben.
Die Hypothekenraten werden gewiss steigen und eine weitere von Greenspans Blasen gefährden - den Häusermarkt. Zudem wird der Glaubwürdigkeitsverlust der Fed ihre Fähigkeit schwächen, die Wirtschaft durch die aufziehenden Stürme zu lenken. Vor allem wenn die Deflation für die Vereinigten Staaten zu einem echten Problem wird, verliert die Fed neben Glaubwürdigkeit auch an Möglichkeiten, die Finanzbedingungen ohne Zinssenkungen zu lockern. In Zeiten, in denen die Munition knapp wird, ist das ein wichtiger Punkt.
Genesung verlangsamt
Einige Europäer werden durch die Schwierigkeiten der Fed vielleicht getröstet, aber in dieser Situation sind schlechte Nachrichten für die Vereinigten Staaten nicht automatisch gute Nachrichten für Europa. Damit sich der europäische Markt erholt, muss sich die amerikanische Wirtschaft erholen. Der Glaubwürdigkeitsverlust der amerikanischen Notenbank könnte die Genesung der USA durchaus verlangsamen.
Dennoch schwang bei den häufigen Angriffen auf EZB und Duisenberg in den Märkten und Medien oft unterschwellig die Meinung mit, dass es die Fed besser machen würde. Das war immer ungerecht und jetzt wissen wir, dass es auch unwahr ist.
Greenspan, nicht Duisenberg, ist der "Double Bubble Man". Dass die Fed in Ungnade fiel, ist allein schon deshalb wertvoll, weil dadurch die Leistungen - und Missstände - von EZB und Duisenberg ins rechte Licht gerückt werden.
Melvyn Krauss ist Senior Fellow am Hoover Institut der Universität Stanford.
ftd.de
Der Chef der amerikanischen Notenbank Federal Reserve, Alan Greenspan, hat seinem Amtskollegen bei der Europäischen Zentralbank (EZB), Wim Duisenberg, einen großen Gefallen getan, als er dem globalen Anleihenmarkt den Boden unter den Füßen wegriss. Greenspan hat damit den Mythos untergraben, dass es Duisenberg und die EZB sind, die Kommunikationsschwierigkeiten haben - ganz anders als die Fed. Die gilt schließlich als Ausbund an Tugend und Effektivität, wenn es darum geht, die eigene Botschaft unters Volk zu bringen.
Aber wer wollte jetzt noch die EZB kritisieren, nachdem die Fed die Investoren so sehr in die Irre geführt und ein finanzielles Blutbad verursacht hat? Es spricht nicht für die Kommunikationsfähigkeit der Nationalbanker, zunächst dem Markt Signale zu senden, dass die Zinssätze um einen halben Prozentpunkt sinken werden, und sie dann im Juni-Treffen doch nur um einen Viertelprozentpunkt zurückzunehmen. Wer noch immer behauptet, dass die EZB das Monopol auf schlechte Kommunikation hält, betrachte die anschließende Pressemitteilung der Fed. Der Text war schlecht und verwirrend formuliert. Die Haltung der Fed zur Wirtschaft verdeutlichte er wahrlich nicht?
Nicht das erste Mal
Es ist nicht das erste Mal, dass Greenspans Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen wird. Für seine Kritiker ist er der "Double Bubble Man". Erst trieb der Notenbanker mit unaufhörlicher Schönrederei über die grenzenlosen Möglichkeiten der US-Produktivität den Aktienmarkt in eine Blase - eine Geschichte, die nicht gut ausging, wie wir uns alle erinnern. Dann sorgte Greenspan bei zahllosen Ansprachen vor der Juni-Sitzung des Offenmarktausschusses für eine Blase am Anleihenmarkt. Er redete von einem so genannten Deflationsproblem, auf das die Fed eventuell mit nicht-konventionellen Mitteln der Geldmarktstimulation reagieren würde. Insbesondere wurde der Kauf von langfristigen Anleihen genannt.
Die Renditen für Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit brachen daraufhin ungewöhnlich stark ein - innerhalb von nur sechs Wochen fielen sie von 3,9 auf etwa 3,1 Prozent. Die Auswirkungen von Greenspans anleihenfreundlichen Äußerungen spürte man bis nach Europa. Dort wurde in Finanzkreisen argumentiert, dass das öffentliche Anfachen der Angst vor einer Deflation in den Vereinigten Staaten das Deflationsproblem in Deutschland verschlimmere. Zudem sorgte die Blase am US-Anleihenmarkt für eine unerwünschte europäische Blase.
Beim Treffen des Offenmarktausschusses im Juni erlitt dann die Glaubwürdigkeit der Fed einen weiteren schweren Schlag, als der Ausschuss beschloss, mit seinem knappen Vorrat an herkömmlicher Munition sparsam umzugehen, anstatt die neuen Grenzen der Geldpolitik voranzutreiben. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden; vielleicht ist eine Senkung um 25 Basispunkte angesichts der Umstände die richtige Maßnahme. Aber warum brachte der Fed-Chef so viele Marktteilnehmer dazu, das Gegenteil zu glauben?
Unangenehme Wahrheit
Die unangenehme Wahrheit ist, dass Alan Greenspan und seine Kollegen erst mit ihrer radikalen Rhetorik die Blase am Anleihenmarkt verursachten und sie dann mit herkömmlichen Maßnahmen zum Platzen brachten.
Kaum jemand wird wegen der Spekulanten, die sich von der Fed in die Irre führen ließen, Tränen vergießen. Aber die außergewöhnliche und unnötige Volatilität, die die Fed den Finanzmärkten und dem US-Dollar aufgezwungen hat, könnte für die echte Wirtschaft negative Auswirkungen haben.
Die Hypothekenraten werden gewiss steigen und eine weitere von Greenspans Blasen gefährden - den Häusermarkt. Zudem wird der Glaubwürdigkeitsverlust der Fed ihre Fähigkeit schwächen, die Wirtschaft durch die aufziehenden Stürme zu lenken. Vor allem wenn die Deflation für die Vereinigten Staaten zu einem echten Problem wird, verliert die Fed neben Glaubwürdigkeit auch an Möglichkeiten, die Finanzbedingungen ohne Zinssenkungen zu lockern. In Zeiten, in denen die Munition knapp wird, ist das ein wichtiger Punkt.
Genesung verlangsamt
Einige Europäer werden durch die Schwierigkeiten der Fed vielleicht getröstet, aber in dieser Situation sind schlechte Nachrichten für die Vereinigten Staaten nicht automatisch gute Nachrichten für Europa. Damit sich der europäische Markt erholt, muss sich die amerikanische Wirtschaft erholen. Der Glaubwürdigkeitsverlust der amerikanischen Notenbank könnte die Genesung der USA durchaus verlangsamen.
Dennoch schwang bei den häufigen Angriffen auf EZB und Duisenberg in den Märkten und Medien oft unterschwellig die Meinung mit, dass es die Fed besser machen würde. Das war immer ungerecht und jetzt wissen wir, dass es auch unwahr ist.
Greenspan, nicht Duisenberg, ist der "Double Bubble Man". Dass die Fed in Ungnade fiel, ist allein schon deshalb wertvoll, weil dadurch die Leistungen - und Missstände - von EZB und Duisenberg ins rechte Licht gerückt werden.
Melvyn Krauss ist Senior Fellow am Hoover Institut der Universität Stanford.
ftd.de