11. Februar 2003 Der Chairman der amerikanischen Notenbank (Fed), Alan Greenspan, hat Regierung und Kongreß in Washington eindringlich aufgefordert, zu einer soliden Finanz- und Haushaltspolitik zurückzukehren.
„Die jüngsten Budgetprognosen sind ernüchternd. Es kann kaum ein Zweifel bestehen, daß wieder Haushaltsdisziplin einkehren muß“, sagte Greenspan vor dem Bankenausschuß des Senats in Washington.
Das Weiße Haus hat jüngst ein Etatdefizit von etwas mehr als 300 Milliarden Dollar im laufenden Jahr vorhergesagt. Das entspricht rund 3 Prozent des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts. Im vergangenen Jahr hatte der Etat ein Defizit von knapp 160 Milliarden Dollar aufgewiesen.
Plädoyer für Ausgabenkontrollen
Greenspan forderte den Kongreß auf, die Ausgabenkontrollen dauerhaft wieder einzurichten, die in den neunziger Jahren dazu beigetragen hätten, die Haushaltslage entscheidend zu verbessern. „Wenn eindeutige Vorgaben und ein klarer Kurs fehlen, wird die Neigung zu stetig wachsenden Defiziten wieder zunehmen“, sagte Greenspan. Dies sei letztlich schädlich für das Wachstum. Bemühungen, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, erforderten sowohl bei den Ausgaben als auch bei den Einnahmen große Disziplin.
Der Notenbankchef äußerte sich gleichwohl nicht zu den Vorschlägen der Regierung für weitere Steuersenkungen, über die seit einigen Wochen im Kongreß lebhaft gestritten wird. Greenspan machte deutlich, daß höheres Wirtschaftswachstum allein nicht ausreichen werde, um die vorhergesagten Budgetdefizite der kommenden Jahre zu beseitigen. Es sei selbst für eine „so dynamische Wirtschaft wie unsere“ nicht realistisch, einen weiteren Anstieg des Produktivitätsfortschritts zu erwarten.
Die Fed hat zugleich am Dienstag ihre Wachstumsprognose für die amerikanische Wirtschaft in diesem Jahr von 3,5 bis 4 auf 3,25 bis 3,5 Prozent gesenkt. Die Notenbank sagt eine Inflationsrate von 1,25 bis 1,5 (bisher 1,5 bis 1,75) Prozent voraus. (ctg.)
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.02.2003, Nr. 36 / Seite 11
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