Stephen Michael Cohen hat ein Problem: Er hat keine 65 Millionen Dollar. Damit ist er nicht allein, aber Cohen wurde zur Zahlung dieser Summe verurteilt. Kann ich nicht, sagt er, das macht mich zum Sklaven. Und das, sagt er, ist verboten. Von Frank Patalong
Irgendwann einmal wird wohl jemand auf die Idee kommen, die Schmonzette rund um die enorm aussagekräftige Domain "Sex.com" zu einem mittelprächtigen Hollywood-Schinken zu verwursten. Die Geschichte hat alle Ingredienzien für einen erfolgreichen B- bis C-Film:
Da gibt es
...den armen, ehrlichen, pfiffigen und vergleichsweise anständigen Unternehmer, der 1994 ahnt, dass a) die Welt auf eine Web-Domain wie Sex.com nur wartet; und b) man sich damit den Hintern so richtig wund verdienen kann;
...den bösen Trickbetrüger, dem es gelingt, durch einen gefälschten Brief an die damalige Netzwerkverwaltung die Domain unter seine Kontrolle zu bringen - und der in den folgenden Jahren mit fiesester Pornografie seinen Reibach macht;
...die Geschichte der vielen erfolglosen Versuche unseres Helden, die missbrauchte Domain wieder in die Hände zu bekommen, um sie endlich zu einer Hochglanz-Fleischbeschau harmloserer Art machen zu können (hier bitte romantische Geigenmusik einsetzen);
...das Urteil gegen den fiesen Domaindieb, das erste kleine Happy-End für unseren Helden - und die Flucht des Bösewichts;
...den Showdown im Gerichtssaal, wo der Schurke um Gnade winselt: 65 Millionen Dollar habe er nicht. Und dann - ...ja, was dann?
Dann beginnt vielleicht der eigentlich interessante Teil des Melodrams, dass sich zunehmend zur Satire mausert. Denn Cohen argumentiert, das drakonische 65-Millionen-Dollar-Urteil stünde in offenem Gegensatz zu seinen verfassungsmäßig garantierten Rechten. Er könne sich, wenn er die Zahlung auch nur versuche, ja noch nicht einmal mehr Klopapier leisten.
Doch jeder hat das Recht auf Klopapier
Das sei ein Grundrecht, argumentiert Cohens Anwalt in dieser Woche im Rahmen einer von ihm beantragten Anhörung, die zur Aufhebung des Urteils führen soll. Denn wer sich kein Klopapier leisten könne, könne auch nichts anderes mehr kaufen: Somit komme das Urteil einem unrechtmäßigen Todesurteil gleich, da der Verurteilte bei Zahlung nicht mehr in der Lage sein würde, die für das Überleben notwendigsten Dinge zu kaufen. Wie zum Beispiel Klopapier.
Doch damit nicht genug: Sollte Stephen Michael Cohen die Zahlung überleben, so verurteile ihn der Richterspruch doch, alles, was er im weiteren Verlauf seines Lebens verdiene, an den Kläger, Gary Kremen, abzutreten, bis die Schuld getilgt sei. Das mache Mr. Cohen aber zum Sklaven von Mr. Kremen, und die Sklaverei sei ja erstens abgeschafft und zweitens per Verfassung verboten.
Kremen, der sehnsüchtig auf die Millionen wartet, die ihm rund fünf Jahre vor der Nase weggestohlen worden seien, hält die Argumentation für "wackelig", aber "unterhaltsam zu lesen".
Tatsächlich liegen Cohens Chancen, wenn er welche hat, ganz woanders: Sein Anwalt argumentiert auch, im letzten Verfahren habe es Fehler gegeben. So hätte der Richter erst prüfen müssen, ob er zur Zahlung einer solchen Summe überhaupt in der Lage gewesen sei (ein Argument, das in einem Land, in dem man zu 460 Jahren Gefängnis verurteilt werden kann, nicht unbedingt zieht).
Das Cohen allerdings in Abwesenheit verurteilt und folglich vorher auch nicht gehört worden sei, obwohl er doch so gern vor Gericht erschienen wäre, könnte das Urteil zum Wackeln bringen. Denn Cohen kann beweisen, das er nicht vor Gericht erscheinen konnte: Zum fraglichen Termin war er gerade in Mexiko inhaftiert, und die Mexikaner wollten ihn absolut nicht gehen lassen.
Was für ein Filmstoff: Da sage noch einmal jemand, die Geschichte von Dot.com-Boom und abrupten Niedergängen produziere nur Tragödien. Das Einzige, was dem Film nun noch fehlte, wäre eine Identifikationsfigur, die eine Freigabe für Zuschauer unter 18 Jahren realistisch machen würde. Und vielleicht - wie im Western - ein "Guter"?
Quelle: manager-magazin.de / Frank Patalong
Irgendwann einmal wird wohl jemand auf die Idee kommen, die Schmonzette rund um die enorm aussagekräftige Domain "Sex.com" zu einem mittelprächtigen Hollywood-Schinken zu verwursten. Die Geschichte hat alle Ingredienzien für einen erfolgreichen B- bis C-Film:
Da gibt es
...den armen, ehrlichen, pfiffigen und vergleichsweise anständigen Unternehmer, der 1994 ahnt, dass a) die Welt auf eine Web-Domain wie Sex.com nur wartet; und b) man sich damit den Hintern so richtig wund verdienen kann;
...den bösen Trickbetrüger, dem es gelingt, durch einen gefälschten Brief an die damalige Netzwerkverwaltung die Domain unter seine Kontrolle zu bringen - und der in den folgenden Jahren mit fiesester Pornografie seinen Reibach macht;
...die Geschichte der vielen erfolglosen Versuche unseres Helden, die missbrauchte Domain wieder in die Hände zu bekommen, um sie endlich zu einer Hochglanz-Fleischbeschau harmloserer Art machen zu können (hier bitte romantische Geigenmusik einsetzen);
...das Urteil gegen den fiesen Domaindieb, das erste kleine Happy-End für unseren Helden - und die Flucht des Bösewichts;
...den Showdown im Gerichtssaal, wo der Schurke um Gnade winselt: 65 Millionen Dollar habe er nicht. Und dann - ...ja, was dann?
Dann beginnt vielleicht der eigentlich interessante Teil des Melodrams, dass sich zunehmend zur Satire mausert. Denn Cohen argumentiert, das drakonische 65-Millionen-Dollar-Urteil stünde in offenem Gegensatz zu seinen verfassungsmäßig garantierten Rechten. Er könne sich, wenn er die Zahlung auch nur versuche, ja noch nicht einmal mehr Klopapier leisten.
Doch jeder hat das Recht auf Klopapier
Das sei ein Grundrecht, argumentiert Cohens Anwalt in dieser Woche im Rahmen einer von ihm beantragten Anhörung, die zur Aufhebung des Urteils führen soll. Denn wer sich kein Klopapier leisten könne, könne auch nichts anderes mehr kaufen: Somit komme das Urteil einem unrechtmäßigen Todesurteil gleich, da der Verurteilte bei Zahlung nicht mehr in der Lage sein würde, die für das Überleben notwendigsten Dinge zu kaufen. Wie zum Beispiel Klopapier.
Doch damit nicht genug: Sollte Stephen Michael Cohen die Zahlung überleben, so verurteile ihn der Richterspruch doch, alles, was er im weiteren Verlauf seines Lebens verdiene, an den Kläger, Gary Kremen, abzutreten, bis die Schuld getilgt sei. Das mache Mr. Cohen aber zum Sklaven von Mr. Kremen, und die Sklaverei sei ja erstens abgeschafft und zweitens per Verfassung verboten.
Kremen, der sehnsüchtig auf die Millionen wartet, die ihm rund fünf Jahre vor der Nase weggestohlen worden seien, hält die Argumentation für "wackelig", aber "unterhaltsam zu lesen".
Tatsächlich liegen Cohens Chancen, wenn er welche hat, ganz woanders: Sein Anwalt argumentiert auch, im letzten Verfahren habe es Fehler gegeben. So hätte der Richter erst prüfen müssen, ob er zur Zahlung einer solchen Summe überhaupt in der Lage gewesen sei (ein Argument, das in einem Land, in dem man zu 460 Jahren Gefängnis verurteilt werden kann, nicht unbedingt zieht).
Das Cohen allerdings in Abwesenheit verurteilt und folglich vorher auch nicht gehört worden sei, obwohl er doch so gern vor Gericht erschienen wäre, könnte das Urteil zum Wackeln bringen. Denn Cohen kann beweisen, das er nicht vor Gericht erscheinen konnte: Zum fraglichen Termin war er gerade in Mexiko inhaftiert, und die Mexikaner wollten ihn absolut nicht gehen lassen.
Was für ein Filmstoff: Da sage noch einmal jemand, die Geschichte von Dot.com-Boom und abrupten Niedergängen produziere nur Tragödien. Das Einzige, was dem Film nun noch fehlte, wäre eine Identifikationsfigur, die eine Freigabe für Zuschauer unter 18 Jahren realistisch machen würde. Und vielleicht - wie im Western - ein "Guter"?
Quelle: manager-magazin.de / Frank Patalong