GM will sich von Fiat trennen
Die Amerikaner wollen Italiens Autokonzern nicht übernehmen. Das könnte sie teuer zu stehen kommen
Wenn sich General-Motors-Chef Richard Wagner und Fiats erster Manager Sergio Marchionne wie geplant an den Tagen nach Weihnachten an einen Tisch setzen, dann geht es um die wohl größte Zockerpartie, die der Globus derzeit zu bieten hat. Auf dem Spiel stehen acht Milliarden Dollar und die Existenz von Fiat.
Schlicht überschätzt hat sich der amerikanische Autoriese und zu lange daran geglaubt, die Produktionskapazitäten der Fiat-Automobile AG brauchen zu können. Als GM und Fiat den Rahmenvertrag im März 2000 aushandelten, konnte sich beim größten Autounternehmen der Welt offenbar noch keiner vorstellen, daß der Konzern sehr bald darüber nachdenken würde, Werke zu schließen. GM erwarb damals für 2,4 Milliarden Dollar einen zehnprozentigen Anteil an der Fiat-Automobilproduktion. Geld floß keins, weil Fiat für den gleichen Betrag fünf Prozent des Aktienanteils des GM-Konzerns erhielt. Fiat wurde so einer der größten GM-Einzelaktionäre.
Die Italiener handelten im März des Jahres 2000 im schicken Mailänder "Hotel Four Seasons" den Amerikanern eine Put-Option ab. GM sicherte sich das Recht, zwischen dem 24. Januar 2005 und dem 24. Juli 2010 die komplette Autosparte von Fiat aufzukaufen. Die Möglichkeit, die Put-Option abzulehnen, wurde im Vertrag nicht vorgesehen. Doch angesichts des lahmenden Autogeschäftes, knapper Margen und den Problemen der GM-Töchter Opel und Saab könnten die Manager in Detroit auf Fiats Automobilproduktion jetzt dankend verzichten.
Während die Entscheidung von GM, bei Fiat einzusteigen, als ein gewagtes Unternehmen erschien, läßt sich der Plan, bei Fiat auszusteigen, nur allzuleicht verstehen. Fiats Automobilsparte leidet unter einer Verschuldung von etwa acht Milliarden Euro und fährt seit Jahren nur Verluste ein. In den ersten neun Monaten des Jahres 2004 erwirtschaftete die Fiat-Automobilproduktion etwa 700 Millionen Euro Verlust, und das in einem Jahr, in dem mit schwarzen Zahlen gerechnet wurde. Zu Fiats Automobilproduktion gehören die Firmen Fiat, Lancia und Alfa Romeo. Insgesamt macht die Sparte etwa 44 Prozent des Gesamtumsatzes der Fiat AG aus. Der Gesamtumsatz bei Fiat lag in den ersten neun Monaten des Jahres 2004 bei 34,2 Milliarden Euro. Gegenüber dem Vorjahr stieg der Umsatz dabei um 7,1 Prozent an.
Außer der Fiat-Automobilproduktion konnten alle wichtigen Unternehmensteile die Erträge steigern. Die Ferrari-Maserati-Gruppe, die direkt zur Fiat AG und nicht zu Fiat Auto gehört, steigerte die Erträge um 15 Prozent. Um elf Prozent legte der Lkw-Hersteller Iveco zu. Landmaschinenhersteller CNH und die Autoteile-Firma Magneti Marelli erwirtschafteten sieben Prozent Gewinnsteigerung. Aber die hohen Verluste bei Fiat Auto zehrten die Gewinne der anderen Unternehmensteile auf. 232 Millionen Euro Verlust machte der Konzern in den ersten neun Monaten. Ohne Fiats Automobilproduktion stünde die Fiat AG gar nicht so schlecht da.
Wenn GM für Fiat-Automobilproduktion auch nur einen Euro zahlen würde, müßten die Amerikaner dennoch erst einmal acht Milliarden an die Fiat AG überweisen. Richard Wagner drohte, alle Autofabriken in Italien stillzulegen, wenn GM gezwungen werden sollte, Fiat Automobilproduktion zu übernehmen. GM würde dann nur in den ertragreichen Fabriken in Brasilien, Polen und der Türkei weiterhin Fiat-Modelle vom Band laufen lassen.
Doch GM hofft, daß es soweit nicht kommen wird. Die Amerikaner werfen Fiat vor, die Rahmenbedingungen verletzt zu haben, die Put-Option sei deshalb ungültig. Sowohl der Verkauf der Bank von Fiat Automobilproduktion sowie die Kapitalerhöhung um drei Milliarden Dollar verstießen gegen die Rahmenbedingungen.
Um zu verhindern, daß der Streit am Gerichtsstand New York endet, wie im Vertrag vorgesehen, tüfteln beide Seiten an einem Kompromiß. GM bot 200 Millionen Dollar, sollte Fiat die Amerikaner aus dem Vertrag aussteigen lassen. Fiat möchte mindestens eine Milliarde Euro.
Wenn es zu einem heftigen Streit kommen sollte, verlieren beide. Denn GM und Fiat sind auf eine Partnerschaft angewiesen. Ihre Gemeinschaftsfirma Fiat-GM Powertrain baut Getriebe und Motoren für beide Autohersteller, und Fiat-GM Purchaising kauft zusammen für die beiden Konzerne ein.
Bei Opel kann man nur hoffen, daß es GM gelingt, bei Fiat auszusteigen. Denn die Standorte der Autoproduktion in Italien würden dann mit den Standorten in Deutschland konkurrieren. Die wichtigsten Modelle von Fiat verkauften sich besonders in den Segmenten gut, auf die auch Opel angewiesen ist. Fiat hofft, von GM eine hohe Summe einzustreichen, um anschließend aus eigener Kraft die Automobilproduktion neu aufzubauen, indem man sich auf alte Tradition besinnt. So wird der große alte Fiat Croma neu aufgelegt - als ein viel Platz bietender Van.
Rachenehmen, auch wenn es bei Fiat keiner zugeben mag, ist auch ein Grund, warum die Italiener nicht klein beigeben werden. Deren dramatischer Abstieg vom einst profitabelsten Autohersteller Europas begann im Jahr 1999. Damals kaufte Fiat den Landmaschinenhersteller Case für 4,3 Milliarden Euro. GM hatte zu dem Deal geraten, aber die Amerikaner hatten die Leute aus Turin damals gnadenlos über den Tisch gezogen. Case war nicht einmal die Hälfte des gezahlten Preises wert.
Artikel erschienen am 19. Dezember 2004
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