GM sucht sich das nächste Opfer
von Holger Preiss
GM geht es gut, sehr gut. Der US-amerikanische Autobauer fährt Milliardengewinne ein. Bei Opel türmen sich die Verluste. Allein sind die Rüsselsheimer nicht in der Lage, in Europa zu bestehen. Jetzt wird überlegt, ob es nicht eine Rettung gebe. Die könnte in Frankreich liegen und hieße dann wohl "Peugeopel".
Es ist schon erstaunlich. Der weltgrößte Autobauer General Motors macht 2011 einen Gewinn von 7,6 Milliarden Dollar. Angesichts dieser Summe scheinen die von Opel und Vauxhall eingefahrenen Verluste von 440 Millionen Euro in den ersten drei Quartalen 2011 lächerlich. Dennoch werden wieder Stimmen in den USA laut, die fordern, Opel einzudampfen.
Logisch, denn seit seiner Gründung im Jahre 1908 basiert GM auf den ökonomischen Grundlagen des puren Kapitalismus: ausschließlich ausgerichtet auf kurzfristige Gewinne. Dafür sind Visionen und solide Partnerschaften eher hinderlich. Spätestens dann, wenn sie keinen Gewinn mehr abwerfen. Apropos Kapitalismus: Der zählt natürlich nur solange, bis man selber ins Schlingern gerät. Wir erinnern uns, dass sich GM in der Not nicht zu fein war, von der US-Regierung 50 Milliarden Dollar anzunehmen, um das eigene Aus abzuwenden. Seitdem ist der Staat der größte Anteilseigner, am nunmehr wieder größten Autobauer der Welt.
Ein Wohltäter war GM nie
Der Gründer von GM, William C "Carpo" Durant, hatte sich bereits vor 1908 als skrupelloser Spekulant hervorgetan. Mit rüden Methoden schmiedete er General Motors immer aus der Sicht eines Bankers, aber nie aus der eines Autobauers. Als GM 1929 Opel übernahmen, waren die US-Amerikaner die Retter. Durch die Wirtschaftskrise war der deutsche Autobauer angeschlagen und die Übernahme sicherte das Überleben.
Reine Wohltätigkeit war das aber nicht. Es ging GM um gutes Investment, Expansion und satte Gewinne. Schließlich wollten die Amerikaner neue Absatzmärkte für US-Autos erschließen. Ohne Opel wäre GM schon wegen Preis, Größe und Zoll an der Alten Welt gescheitert. An dem Profit, den Opel über Dekaden erwirtschaftete, gab es dann auch nichts auszusetzen.
Im Gegenteil, der Erfolg weckte immer neue Begehrlichkeiten. GM erlag der Verlockung, Opel nicht nur als tüchtige Tochter zu behandeln, sondern deren Reize und Fähigkeiten konzernweit zu prostituieren. Um die deutschen Gewinne nicht versteuern zu müssen, drückte General Motors den Rüsselsheimern immer mehr Entwicklungsarbeiten auf. Den entsprechenden Aufwand schrieben die US-Amerikaner als Verlust in Rüsselsheim ab, die Vorteile, die GM-Töchter in anderen Ländern daraus zogen, konnten dann in den USA als Gewinn verbucht werden.
PSA hat die gleichen Probleme wie Opel
Jetzt scheint GM ein neues Opfer gefunden zu haben. Der in Schwierigkeiten steckende Autobauer PSA Peugeot Citroen will eine "strategische" Partnerschaft mit dem Opel-Mutterkonzern eingehen, wird gemunkelt. Stellt sich die Frage: warum? Peugeot Citroen hat Probleme in seinem Kerngeschäft, dem Verkauf von Autos. In Europa, wo der Konzern 60 Prozent seiner Fahrzeuge absetzt, hat das Unternehmen unter der Wirtschaftsschwäche in den südlichen Ländern zu leiden und muss in einem harten Preiskrieg bei den Kleinfahrzeugen bestehen. Allein im vergangenen Jahr hat sich der Gewinn auf 588 Millionen Euro halbiert.
Damit hat PSA aber die gleichen Probleme wie Opel. Das Kerngeschäft liegt in Europa. Die Expansion auf boomende Automärkte wie China oder gar den USA wird Opel durch GM verwehrt. Ganze 5000 Fahrzeuge durften die Rüsselsheimer im vergangenen Jahr in China verkaufen. Dafür drängt GM mit seiner Hausmarke Chevrolet immer weiter auf den deutschen Markt. Dabei ist vieles, was unter den Blechkleidern der amerikanischen Fahrzeuge beheimatet ist, Opel-Technik.
Natürlich gibt es Möglichkeiten, Opel im Konzernverband zu retten. Die Verlagerung von Teilen der GM-Produktion nach Deutschland wäre nur eine. Zum Beispiel könnte der Chevrolet Aveo in Bochum gebaut werden. Doch stattdessen wird über die Schließung des Werks verhandelt, und selbst Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke kann dieses Horrorszenario nicht mehr ausschließen. Und auch nach einem Zusammengehen von GM und PSA würde sich daran nichts ändern.
Überleben kostet Geld
Selbstverständlich können PSA und Opel Schulter an Schulter Überkapazitäten abbauen und damit eine deutliche Kostensenkung herbeiführen. Hinzu kommt, dass bei einer langfristigen Kooperation auch die Entwicklung gemeinsamer Plattformen denkbar wäre, auf denen unterschiedliche Fahrzeuge aufgebaut sind. Doch das kostet Zeit und Geld. Geld, das GM nicht bereit sein wird auszugeben.
Insofern bremsen die Franzosen die Euphorie und bemerken, dass die Verhandlungen zwar im Gange sind, aber dass es keinerlei Sicherheiten gibt, dass die auch zu einem Ergebnis führen. Sollten sich PSA und General Motors dennoch einigen, könnte die Zusammenarbeit bereits in der ersten März-Woche auf dem Automobilsalon in Genf bekannt gegeben werden, orakelt die französische Presse.
Und dann? Wird GM erneut Know-how abschöpfen, Geld in das Mutterhaus transferieren, um dann gewinnstrebend den Markt für sich zu erobern? Die Geschichte lehrt, dass dies für die US-Amerikaner ein gangbarer Weg ist.