Saint-Exupéry schreibt: "Il n`y apas de commune mesure entre la lutte libre et l`écrasement dans la nuit." - Die einen kämpfen in Freiheit, die anderen werden in der Nacht zerstört.
Wir sind heute hier versammelt in Freiheit, in der Hauptstadt der größten Demokratie des europäischen Kontinents. Wir können in Freiheit reden, denken, unsere Feinde benennen und die Welt bezeichnen so wie sie ist. Unsere Aufgabe ist es die Stimme der Menschen ohne Stimme zu sein. Unsere Aufgabe ist es für jene vielen Hunderte Millionen von Menschen zu reden, die in der Nacht zerstört, ausgehungert, unterdrückt und ermordet werden, weil sie wehrlos sind.
Globalisierung ist täglicher Terror. Alle sieben Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren. Alle vier Minuten verliert ein Mensch das Augenlicht wegen Mangel an Vitamin A. Über 100.000 Menschen sterben am Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen jeden Tag. 828 Millionen Kinder, Männer und Frauen waren letztes Jahr permanent schwerstens unterernährt. Die FAO errechnet: Die Weltlandwirtschaft könnte heute ohne Probleme 12 Milliarden Menschen ernähren. Ohne Probleme heißt, jedem Menschen jeden Tag 2.700 Kalorien Nahrung zu geben. Die gegenwärtige Erdbevölkerung beträgt 6,2 Milliarden.
Es gibt keine Fatalität, nur imperiale Vernichtung und Arroganz. Wer heute am Hunger stirbt, wird ermordet. Wer Geld hat, isst und lebt; wer keines hat, wird invalid und/oder stirbt.
Für diese mörderische, absurde Weltordnung, deren einziger Motor die grenzenlose Profitgier einiger Weniger ist, trägt das US-amerikanische Imperium die Hauptverantwortung. Das amerikanische Imperium - nicht das amerikanische Volk! Die amerikanische Finanzoligarchie beherrscht 24 Prozent des Welt-Bruttosozialprodukts, 41 Prozent des Welthandelsvolumens und 53 Prozent des Weltenergiemarktes. Die amerikanische Kapitaloligarchie, welche die Regierung Bush weitgehendst leitet, funktioniert gemäß einem Kodex, den man den "Consensus of Washington" nennt. Seine vier heiligen Regeln sind:
Total-Liberalisierung der Kapital-, Waren-, Dienstleistungs- und Patentströme, Privatisierung des öffentlichen Sektors, Deregulierung und Flexibilisierung aller Sozial-, insbesondere der Arbeitsbeziehungen.
Dieser "Consensus" wird weltweit durchgesetzt von den Söldnerorganisationen des internationalen, meist amerikanischen Finanzkapitals: der Welthandelsorganisation (WTO), des Weltwährungsfonds (IWF) und der Weltbank. Die amerikanische Finanzoligarchie ist zudem die weltdominierende Militärmacht.
Vor über 2.000 Jahren schon schrieb Marc Aurel: Imperium superat regnum. Das Imperium unterwirft sich alle anderen Mächte. Die Oligarchie des amerikanischen Finanzkapitals beherzigt diese Lektion aufs Trefflichste. Die amerikanische Präsidentschaft hat den Vertrag über das Verbot der Herstellung und des Verkaufs von Anti-Personen-Minen abgelehnt. Sie hat das Kyoto-Protokoll zur Kontrolle der Vergiftung der Luft mittels CO2-Ausstoßes sowie den Kontrollvertrag über die interkontinentalen, ballistischen, mit Atomsprengkörpern bestückten Flugkörper widerrufen. Sie weigert sich, das Protokoll zur Kontrolle der biologischen Waffen zu unterzeichnen. Sie bekämpft die OECD-Konvention zur Kontrolle der weitgehend kriminellen Off-Shore-Märkte. Den internationalen Strafgerichtshof (Römer-Konvention von 1998) verwirft sie. Jede Art militärischer Abrüstung ist ihr ein Gräuel. Das Imperium tätigt im Jahr 2002 42 Prozent aller Militärausgaben der Welt.
Nichts und niemand kann den fürchterlichen Angriff auf die New Yorker Zivilbevölkerung vom 11. September 2002 erklären, geschweige denn rechtfertigen. Über 3.000 Menschen aus 62 Nationen sind innerhalb von drei Stunden ermordet worden. Aber auch das schlimmste Verbrechen darf die rechtstaatlichen Grundsätze einer zivilisierten Gemeinschaft, wie es die amerikanische ist, nicht außer Kraft setzen. Die Terrorbombardements der amerikanischen Luftwaffe auf die afghanischen Städte und Dörfer von Oktober bis Dezember 2001, die menschenunwürdige Behandlung der Kriegsgefangenen sowie die Weigerung, die Genfer Konvention in Afghanistan zu respektieren, sind die Markenzeichen imperialer, menschenverwüstender Arroganz.
Bush und seine Akkoliten aus Texas definieren autonom - jenseits aller Völkerrechtsgrundsätze -, wer ein Terrorist ist und wer nicht. Jedermann kennt den Direkteinfluss der texanischen Ölmilliardäre auf die Familie Bush. Der weltweite Krieg gegen den Terror hat einiges zu tun mit der Profitmaximierung der Investitionen im internationalen, insbesondere mittelöstlichen und zentralasiatischen Erdölgeschäft.
Unheimlich auch ist mir die Doppelzüngigkeit des Imperiums. Bush pachtet für sich die menschliche Zivilisation, ihre Moral und deren Verteidigung. Gleichzeitig unterstützt er Ariel Sharons Verbrechen in Palästina. Mit großzügigem Schuldenerlass beschenkt er Vladimir Putin, der in Tschetschenien die Zivilbevölkerung massakriert. Den türkischen Folterschergen lässt er Waffen und Kredite in Milliardenhöhe zukommen.
Traurig als Europäer und Sozialdemokrat stimmt mich die unterwürfige Lakaienmentalität, die so viele meiner Freunde und Freundinnen aus der Sozialistischen Internationale dem stumpfsinnigen Weltherrscher-Aspiranten in Washington gegenüber an den Tag legen. Gerhard Schröder und Anthony Blair sind nicht die einzigen. Die europäische Untertanenmentalität muss ein Ende haben. Wir dürfen uns nicht weiterhin wie blökende Schafe dem Diktat des Cowboy-Häuptlings im Weißen Haus unterwerfen.
Artikel 1 der UNO-Menschenrechts-Deklaration von 1948 lautet: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen." In Artikel 3 heißt es: "Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit seiner Person." - So eine Welt wollen wir.
Ich kenne kaum ein faszinierenderes, vielfältigeres und kreativeres Volk als die Amerikaner. In Greenwich-Village und and der Columbia-University habe ich während vier Jahren mehr über die Menschen und die Welt gelernt als während irgend einer anderen Zeit meines Lebens. Amerikanische Gastfreundschaft und Warmherzigkeit sind mir unvergesslich.
Das amerikanische Imperium ist eine tödliche Gefahr für die Zivilisation, es ist ein Feind der Freiheit und der Vernunft. Zusammen mit den Kräften des Widerstands in Amerika, mit den amerikanischen Studenten, Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern werden wir das Imperium besiegen und die Welt der Vernunft, der versuchten Gerechtigkeit, der größeren Freiheit für jeden erschaffen.
Es lebe die Freiheit, die Gerechtigkeit, die Brüderlichkeit unter den Menschen! Es lebe die Solidarität zwischen den Völkern!
Ich danke Ihnen.
Autor: © Jean Ziegler, 21.03.2002
Jean Ziegler ist UN-Sonderberichterstatter "Für das Recht auf Nahrung" und Professor der Universität Genf und der Pariser Sorbonne.
Foto: AK Foto
Quelle: Philosophischer Salon e.V, Berlin
Wir sind heute hier versammelt in Freiheit, in der Hauptstadt der größten Demokratie des europäischen Kontinents. Wir können in Freiheit reden, denken, unsere Feinde benennen und die Welt bezeichnen so wie sie ist. Unsere Aufgabe ist es die Stimme der Menschen ohne Stimme zu sein. Unsere Aufgabe ist es für jene vielen Hunderte Millionen von Menschen zu reden, die in der Nacht zerstört, ausgehungert, unterdrückt und ermordet werden, weil sie wehrlos sind.
Globalisierung ist täglicher Terror. Alle sieben Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren. Alle vier Minuten verliert ein Mensch das Augenlicht wegen Mangel an Vitamin A. Über 100.000 Menschen sterben am Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen jeden Tag. 828 Millionen Kinder, Männer und Frauen waren letztes Jahr permanent schwerstens unterernährt. Die FAO errechnet: Die Weltlandwirtschaft könnte heute ohne Probleme 12 Milliarden Menschen ernähren. Ohne Probleme heißt, jedem Menschen jeden Tag 2.700 Kalorien Nahrung zu geben. Die gegenwärtige Erdbevölkerung beträgt 6,2 Milliarden.
Es gibt keine Fatalität, nur imperiale Vernichtung und Arroganz. Wer heute am Hunger stirbt, wird ermordet. Wer Geld hat, isst und lebt; wer keines hat, wird invalid und/oder stirbt.
Für diese mörderische, absurde Weltordnung, deren einziger Motor die grenzenlose Profitgier einiger Weniger ist, trägt das US-amerikanische Imperium die Hauptverantwortung. Das amerikanische Imperium - nicht das amerikanische Volk! Die amerikanische Finanzoligarchie beherrscht 24 Prozent des Welt-Bruttosozialprodukts, 41 Prozent des Welthandelsvolumens und 53 Prozent des Weltenergiemarktes. Die amerikanische Kapitaloligarchie, welche die Regierung Bush weitgehendst leitet, funktioniert gemäß einem Kodex, den man den "Consensus of Washington" nennt. Seine vier heiligen Regeln sind:
Total-Liberalisierung der Kapital-, Waren-, Dienstleistungs- und Patentströme, Privatisierung des öffentlichen Sektors, Deregulierung und Flexibilisierung aller Sozial-, insbesondere der Arbeitsbeziehungen.
Dieser "Consensus" wird weltweit durchgesetzt von den Söldnerorganisationen des internationalen, meist amerikanischen Finanzkapitals: der Welthandelsorganisation (WTO), des Weltwährungsfonds (IWF) und der Weltbank. Die amerikanische Finanzoligarchie ist zudem die weltdominierende Militärmacht.
Vor über 2.000 Jahren schon schrieb Marc Aurel: Imperium superat regnum. Das Imperium unterwirft sich alle anderen Mächte. Die Oligarchie des amerikanischen Finanzkapitals beherzigt diese Lektion aufs Trefflichste. Die amerikanische Präsidentschaft hat den Vertrag über das Verbot der Herstellung und des Verkaufs von Anti-Personen-Minen abgelehnt. Sie hat das Kyoto-Protokoll zur Kontrolle der Vergiftung der Luft mittels CO2-Ausstoßes sowie den Kontrollvertrag über die interkontinentalen, ballistischen, mit Atomsprengkörpern bestückten Flugkörper widerrufen. Sie weigert sich, das Protokoll zur Kontrolle der biologischen Waffen zu unterzeichnen. Sie bekämpft die OECD-Konvention zur Kontrolle der weitgehend kriminellen Off-Shore-Märkte. Den internationalen Strafgerichtshof (Römer-Konvention von 1998) verwirft sie. Jede Art militärischer Abrüstung ist ihr ein Gräuel. Das Imperium tätigt im Jahr 2002 42 Prozent aller Militärausgaben der Welt.
Nichts und niemand kann den fürchterlichen Angriff auf die New Yorker Zivilbevölkerung vom 11. September 2002 erklären, geschweige denn rechtfertigen. Über 3.000 Menschen aus 62 Nationen sind innerhalb von drei Stunden ermordet worden. Aber auch das schlimmste Verbrechen darf die rechtstaatlichen Grundsätze einer zivilisierten Gemeinschaft, wie es die amerikanische ist, nicht außer Kraft setzen. Die Terrorbombardements der amerikanischen Luftwaffe auf die afghanischen Städte und Dörfer von Oktober bis Dezember 2001, die menschenunwürdige Behandlung der Kriegsgefangenen sowie die Weigerung, die Genfer Konvention in Afghanistan zu respektieren, sind die Markenzeichen imperialer, menschenverwüstender Arroganz.
Bush und seine Akkoliten aus Texas definieren autonom - jenseits aller Völkerrechtsgrundsätze -, wer ein Terrorist ist und wer nicht. Jedermann kennt den Direkteinfluss der texanischen Ölmilliardäre auf die Familie Bush. Der weltweite Krieg gegen den Terror hat einiges zu tun mit der Profitmaximierung der Investitionen im internationalen, insbesondere mittelöstlichen und zentralasiatischen Erdölgeschäft.
Unheimlich auch ist mir die Doppelzüngigkeit des Imperiums. Bush pachtet für sich die menschliche Zivilisation, ihre Moral und deren Verteidigung. Gleichzeitig unterstützt er Ariel Sharons Verbrechen in Palästina. Mit großzügigem Schuldenerlass beschenkt er Vladimir Putin, der in Tschetschenien die Zivilbevölkerung massakriert. Den türkischen Folterschergen lässt er Waffen und Kredite in Milliardenhöhe zukommen.
Traurig als Europäer und Sozialdemokrat stimmt mich die unterwürfige Lakaienmentalität, die so viele meiner Freunde und Freundinnen aus der Sozialistischen Internationale dem stumpfsinnigen Weltherrscher-Aspiranten in Washington gegenüber an den Tag legen. Gerhard Schröder und Anthony Blair sind nicht die einzigen. Die europäische Untertanenmentalität muss ein Ende haben. Wir dürfen uns nicht weiterhin wie blökende Schafe dem Diktat des Cowboy-Häuptlings im Weißen Haus unterwerfen.
Artikel 1 der UNO-Menschenrechts-Deklaration von 1948 lautet: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen." In Artikel 3 heißt es: "Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit seiner Person." - So eine Welt wollen wir.
Ich kenne kaum ein faszinierenderes, vielfältigeres und kreativeres Volk als die Amerikaner. In Greenwich-Village und and der Columbia-University habe ich während vier Jahren mehr über die Menschen und die Welt gelernt als während irgend einer anderen Zeit meines Lebens. Amerikanische Gastfreundschaft und Warmherzigkeit sind mir unvergesslich.
Das amerikanische Imperium ist eine tödliche Gefahr für die Zivilisation, es ist ein Feind der Freiheit und der Vernunft. Zusammen mit den Kräften des Widerstands in Amerika, mit den amerikanischen Studenten, Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern werden wir das Imperium besiegen und die Welt der Vernunft, der versuchten Gerechtigkeit, der größeren Freiheit für jeden erschaffen.
Es lebe die Freiheit, die Gerechtigkeit, die Brüderlichkeit unter den Menschen! Es lebe die Solidarität zwischen den Völkern!
Ich danke Ihnen.
Autor: © Jean Ziegler, 21.03.2002
Jean Ziegler ist UN-Sonderberichterstatter "Für das Recht auf Nahrung" und Professor der Universität Genf und der Pariser Sorbonne.
Foto: AK Foto
Quelle: Philosophischer Salon e.V, Berlin