Für die meisten Strategen steht zwar außer Frage, dass Aktien 2002 wieder positive Renditen abwerfen, doch Traum-Zuwächse wie Ende der 90er seien in den kommenden zwölf Monaten nicht zu erwarten, so die Expertenschar. Haupthindernis für sehr starke Kurszuwächse sei, so Chris Johns von ABN Amro, dass die Märkte die erwartete Erholung bereits mit ihrer Rally der vergangenen Monate vorweggenommen haben. "Aktien haben in kurzer Zeit einen langen Weg zurückgelegt. Es droht ein Pause oder sogar eine Korrektur", sagt Johns. Er rechnet 2002 mit einstelligen Zuwachsraten an den globalen Aktienmärkten.
Ein ähnlich verhalten optimistisches Bild liefert der "Fund Manager Survey" von Merrill Lynch im Januar: Zwar erwarten nach 64 Prozent im Dezember nun 72 Prozent der befragten 273 Fondsmanager für 2002 steigende Kurse. Aber nur noch 23 Prozent rechnen nunmehr mit zweistelligen Gewinnen an den Aktienmärkten. Im November waren noch 36 Prozent davon überzeugt.
Auch in Bezug auf die Unternehmensgewinne und die damit verbundene Kursfantasie sind die Fondsmanager eher skeptisch. Nach sechs Prozent im Dezember erwarten die Umfrageteilnehmer im Januar für 2002 hierbei ein durchschnittliches Wachstum von sieben Prozent.
US-Unternehmer vom Aufschwung wenig überzeugt
Die globalen Strategen der Société Générale (SG) begründen ihren verhaltenen Optimismus mit einem weiteren Indikator: "Der Anteil der positiven Meldungen in den Wirschaftsteilen der Zeitungen ist seit dem Tiefpunkt im April vergangenen Jahres nur um sieben Prozent gestiegen und liegt mittlerweile wieder bei knapp 39 Prozent", sagt Dhaval Joshi, globaler Aktienstratege bei der Société Générale. Zuvor war der Wert seit Anfang 2000 um fast 60 Prozent gefallen.
Nicht gerade ermutigend sei allerdings, dass dreimal so viele Chefs von US-Unternehmen Aktien des eigenen Unternehmens kauften und wieder verkauften. "Die Firmenlenker sind anscheinend noch nicht so recht von einem Aufschwung bei den Auftragseingängen und Gewinnen überzeugt", sagt Joshi.
Aktien sind nach Meinung der Bank eher für Langfrist-Anleger interessant. Die Rallys der vergangenen Wochen waren laut SG überzogen. Erneut steigende Unternehmensgewinne werden nach Meinung der Analysten in der anstehenden Berichtsaison nicht die Schlagzeilen dominieren. "Wir sehen den MSCI-World-Index in den nächsten drei Monaten ohne nennenswerte Zuwächse", prognostiziert Joshi. Zum Jahresende werde der weltweite Aktienindex aber ein Plus von zehn bis 15 Prozent erzielen.
Bankentitel attraktiv
Somit bleibt die Bank, was Aktien angeht, noch vorsichtig. Der Anteil der Dividendentitel im globalen Portfolio liegt bei 40 Prozent. Im August des vergangenen Jahres hatte der Aktienanteil noch 55 Prozent betragen. Anleihen wurden um zehn Prozent auf 50 Prozent aufgestockt. "Wir haben uns dafür entschieden, weil der Anteil an Aktien, die ein ordentliches Kurspotenzial bieten, momentan noch nicht sehr hoch ist", erläutert der SG-Stratege die Veränderung der Allocation. Kursfantasie haben für ihn vor allem Titel aus Europa. Entsprechend machen diese mit 70 Prozent den Hauptanteil im globalen Portfolio aus.
Der europäische Kontinent verfüge im Unterschied zu den USA über deutlich weniger krisengeschüttelte Tech-Titel, dafür aber über gut aufgestellte Telekomgesellschaften. Pharma- und Einzelhandelstitel sind nach Meinung der SG ebenfalls fair bewertet. Aber vor allem Bankentitel besitzen für die Société Générale eine hohe Attraktivität. "Die Geldinstitute profitieren von der Differenz zwischen kurz- und langfristigen Zinsen", sagt Dhaval Joshi. Zudem würden Banken bei wieder anspringender Konjunktur Nutznießer einer steigenden Kreditnachfrage. Auto-Werte hat die Bank mittlerweile aus ihrem globalen Portfolio gestrichen. Der Grund: Das Kostenreduzierungspotenzial sei ausgereizt. Zudem hätten vor allem die Autokonzerne in den USA nur durch "selbstmörderisch günstige" Kredite die Verkaufszahlen stabilisieren können.
Schwerpunkt auf europäische Aktien
Die Strategen von Salomon Smith Barney (SSB) setzen zwar nicht in dem gleichen Ausmaß wie SG, aber dennoch deutlich verstärkt auf europäische Aktien. "Das KGV amerikanischer Titel liegt zurzeit durchschnittlich 30 Prozent über dem Mittelwert der vergangenen fünf Jahre", moniert Matthew Merrit, Chefstratege für globale Aktien bei SSB.
Europäische Aktien wurden daher im globalen Portfolio von Salomon Smith Barney um 1,8 Prozent auf 21,5 Prozent aufgestockt, US-Titel hingegen um 6,3 Prozent auf einen Anteil von 48,9 Prozent reduziert. Nachdem die beiden zurückliegenden Jahre negative Renditen bescherten, was zuletzt 1973/74 der Fall war, erwartet Merrit auch für 2002 kein "buy-and-hold year". Nach seiner Prognose werden die globalen Aktienmärkte in diesem Jahr ein durchschnittliches Plus von 15 Prozent erzielen. Damit seien sie allerdings "weit entfernt von jeglicher Bullenmarkt-Euphorie".
Im Fokus: Société Générale (SG)
Asset Allocation
Dargestellt ist die Gewichtung der drei Asset-Klassen im globalen Portfolio von SG. Den Aktienanteil haben die Franzosen deutlich reduziert, den Bondanteil im Gegenzug aber deutlich erhöht.
Sektoren
Abgebildet ist das globale Depot sortiert nach Branchen. Zu den Top-Favoriten von SG zählen Bankenwerte. Diese würden von der wieder steigenden Kreditnachfrage und der Zinsentwicklung profitieren, heißt es.
Portfolio
Die aufgeführten Titel sind die 14 aktuellen Kaufempfehlungen des globalen Strategieteams von SG. Mit France Telecom, Orange und Vodafone sind drei Telefongesellschaften im Depot vertreten.
Regionen
Europa ist nun wichtigste Anlageregion. Der Anteil europäischer Aktien stieg im Vergleich zum August von 33,5 auf 70 Prozent. Europa-Aktien seien im Vergleich zu US-Titeln attraktiv bewertet, so SG.