Gigabell - der erste Second-Hand-Mantel

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DarkKnight:

Gigabell - der erste Second-Hand-Mantel

 
03.11.00 09:01
Zur Info:

Gigabell, die IG Farben des Neuen Marktes? Auf den nächsten Aktionärsbrief zum Quartal der Gigabell AG dürften zwar kaum noch Anleger, die mit dem Unternehmen Geld verloren haben, mit Spannung warten. Einige Investoren allerdings, die auf Börsenmäntel scharf sind, könnten sich schon dafür interessieren, was aus der notierten AG wird. Von der Gesellschaft, über die am Donnerstag das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, dürfte nach dem Verfahren eventuell nur das Listing übrig bleiben.
Damit stünde erstmals am Neuen Markt ein ungefütterter Börsenmantel zur Verfügung - auf solche Gelegenheiten wartende Anleger dürften schon heiß darauf sein, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens am Wachstumssegment in eine solche wärmende Hülle zu schlüpfen. Vielleicht ist die Anregung, Gigabell solle doch Christbaumkugeln verkaufen, nicht abwegig, gerade jetzt, vor dem Weihnachtsgeschäft.
Zocker bleiben aktiv
Für Gigabell selbst ist es nach den sommerlichen und herbstlichen Stürmen frostig geworden. Die Aktionäre stehen im Regen. Der Kurs ist "konkurs": Am Donnerstag brach die Aktie zum Start um vier Fünftel auf 1,52 Euro ein. Vor der Aussetzung des Handels am Montag kosteten die Aktien des "Multiservice-Providers" noch 7,40 Euro. Doch Zocker machen mit den Penny-Stocks weiter: Spieler trieben im weiteren Verlauf die Aktie auf 3 Euro.

Da Gigabell ein Präzedenz-Fall ist, dürfte die Deutsche Börse eine genaue Einzelfall-Prüfung vornehmen und den Handel am Neuen Markt nicht schon deshalb unterbinden, weil etwa infolge des Bankrotts keine Quartalsberichte vorgelegt werden. Weil die Übernahme der Mehrheit durch Jippii Oy platzte, sind die Aktionäre nun Anteilseigner an einem praktisch wertlosen und hoch verschuldeten Rest. Die Finnen hatten sich für 10 Mill. DM die Assets geschnappt, übernehmen aber keine Verbindlichkeiten. Der Kaufpreis fließt in die Masse. Gigabell ist überschuldet und zahlungsunfähig.
Jippii wäre nach eigenem Bekunden allein schon wegen des Listings am Neuen Markt sehr interessiert gewesen. Doch der Vertrag kam nicht zustande. Zu den Gründen zählte auch, dass Firmengründer Daniel David als Hauptaktionär demonstrativ ein Vorschlagpapier der Finnen zerrissen hatte. Nachahmung ist nicht empfohlen: Wer überhaupt effektive Stücke besitzt, der sollte sie mit Blick auf einen neuen Mantelschneider erst mal im Schrank liegen lassen.
Damit ein Einsteiger einen möglicherweise entstehenden Verlustvortrag steuerlich nutzen kann, ist die Aufrechterhaltung des Geschäftszwecks notwendig, daher also kein Switchen z.B. auf Christbaumkugeln möglich. Doch hat es selbst einen früheren IG-Farben-Großaktionär schon in die Telekommunikation gezogen ...
Squeeze-out ist möglich
Ein "Squeeze-out" nach dem Einstieg eines Investors erscheint nur auf einem Weg möglich: Da ein künftiger Hauptaktionär, um dem Unternehmen neues Leben einzuhauchen, dessen Kapital erhöhen müsste, könnte die Börse diesem Schritt die Genehmigung versagen. Die Aufrechterhaltung der Notiz kostet eine Stange Geld. Zwar verlangt die Deutsche Börse lediglich 7500 Euro p.a. dafür. Doch teurer sind die Betreuer, die Beträge in einer Spanne von 50000 bis 100000 Euro im Jahr kassieren.
Lädt Gigabell weiter mindestens einmal im Jahr zur Analystenkonferenz, legt Quartalsberichte und nach IAS bzw. US-GAAP erstellte und testierte Abschlüsse vor und publiziert ad hoc - dann könnte ein Listing erhalten bleiben. So gilt etwa das Einhalten eines Minimums an Free Float nur bei einem IPO. Ändert sich die Aktionärsstruktur und womöglich auch der Geschäftszweck - also doch vom Internet zum Weihnachtsschmuck -, dann könnte die Deutsche Börse AG §43 Börsengesetz heranziehen, in dem es um Aussetzung, Einstellung und Widerruf im amtlichen Segment geht. Für eine Einstellung der Notiz ist es demnach erforderlich, dass ein ordnungsgemäßer Handel nicht mehr gewährleistet erscheint. Für den Neuen Markt gilt insbesondere, dass die Emittenten dort einen privatrechtlichen Vertrag mit der Börse geschlossen haben. Über diesen Weg könnte - verhält sich ein Unternehmen nicht regelkonform - der Lizenzentzug für den Neuen Markt und damit der "Abstieg" in den Geregelten Markt erzwungen werden.
Zunächst geht trotz Insolvenzverfahrens alles seinen Gang: Betreuer Lang & Schwarz führt seine Arbeit fort, wie Vorstand Jörg Schwarz berichtet: "Wir stellen weiter verbindliche An- und Verkaufspreise in Xetra."
(Börsen-Zeitung, 3.11.2000
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