Berliner versuchen, wieder mit dem Irak zu handeln. Die Chancen sind groß. Die Risiken auch
Von Nikolaus Doll
Deutschlands wichtigster Handelspartner in Nahost war der Irak in den 80er Jahren - und die Berliner Heinkel Umwelttechnik GmbH war gut im Geschäft. Bis zum Kriegsausbruch. Jetzt versucht Heinkel-Mann Wilfried Grunewald an alte Zeiten anzuknüpfen - und erlebt eine Odyssee.
Berlin - Bagdad brennt. "Saddam ist besiegt, der Krieg ist vorbei" hatte US-Präsident Bush am 1. Mai verkündet. Dennoch: Bagdad brennt, das Schießen, Brennen und Plündern geht weiter. "Der Krieg war schlimm, aber er hat die Stadt nur angekratzt. Dieser Frieden ist schlimmer", sagt Wilfried Grunewald, der bei der Berliner Firma Heinkel fürs Nahost-Geschäft zuständig ist. Nach Attacken von irakischen Plünderern auf Einrichtungen der Stadtwerke sind Strom und Wasserversorgung ausgefallen. "Wasser gibt es nur sporadisch, Strom vielleicht zwei Stunden täglich", berichtet Grunewald. "Bagdads Behörden wurden ausnahmslos geplündert. Klimaanlagen, Elektrogeräte, Computertechnik oder Möbel - alles hat der Mob weggeschleppt. Bagdad kennt Terror und Tod, doch zur gesetzlosen Zone ist die Stadt erst mit dem Einmarsch der US-Truppen geworden. Und die GIs schauen hilflos zu, voll damit beschäftigt, wenigstens das eigene Leben zu schützen. Trotzdem ist Wilfried Grunewald zurückgekehrt. "Packen wir's an. Das Geschäft läuft wieder", hat er gesagt, kurz nachdem Bush den Sieg verkündet hatte. Aber es sollte anderthalb Monate dauern, bis es wirklich wieder lief und Grunewald an alte Kontakte anknüpfen konnte. Der schnelle Euro ist im Chaos des von Krieg und Nachkriegswirren zerstörten Landes zurzeit nicht zu machen.
Wie viele deutsche Unternehmen versucht auch die Heinkel Umwelttechnik und Energieanlagen GmbH, einst Teil des bekannten Flugzeug-Konzerns, erneut im Irak Fuß zu fassen. Seit den siebziger Jahren machten die Berliner im Zweistromland Geschäfte - "zivile Sachen", wie Geschäftsführer Axel Kraft betont. Mit dem Kriegsausbruch im März waren alle Handelsbeziehungen schlagartig abgeschnitten. "Als der Krieg begann, hatten wir Aufträge im Wert von 25 Mio. Euro in Büchern", sagt Kraft. Keine Peanuts für ein Unternehmen, das 2002 einen Umsatz von rund zehn Mio. Euro gemacht hat.
Nur Tage vor Beginn der Bombardierungen durch die US-Air-Force hatte Heinkel noch Waren in die irakische Hafenstadt Umm Kasr verschifft, Ersatzteile für Aggregate und Werkstattausrüstungen. Alles vorfinanziert, Wert 2,2 Mio. Euro. "Dass es Krieg gibt, war längst klar. Aber hätten wir die Ladung nicht auf den Weg gebracht, würden wir ganz darauf sitzen bleiben", so Kraft. Seit Kriegsausbruch steht die Sendung nun "in Transit". Kaum fielen in Bagdad die ersten Bomben, lud der Reeder die Container in Dubai aus.
So wie Heinkel geht es dutzenden deutschen Unternehmen, immerhin 70 haben es bislang geschafft, ihre Waren, die seit Kriegsausbruch "on the way" fest hingen, ins Land zu bringen. Kraft ist bislang von seinem 2,2-Millionen-Auftrag nur eine Nummer geblieben: Com-Nr. 1230060. Unter dieser Kombination führt eine UN-Liste die Heinkel-Waren. "Schon damit wir uns bei der US-Zivilverwaltung durchsetzen und unsere Waren doch noch einführen können, bleiben wir am Ball", sagt Kraft.
Doch auch deutsche Unternehmen ohne offene Rechnungen interessieren sich zunehmend für den Markt im Zweistromland, angezogen von Analysen wie die der deutsch-irakischen Mittelstandsvereinigung "Midan": "Es mangelt im Irak nach Diktatur und Krieg an allem. Derzeit kann man dort praktisch alles verkaufen", sagt Vizepräsident Jürgen Haas. Ein glänzender Absatzmarkt, den die Zivilverwaltung zudem am 8. Juni zur Freihandelszone erklärt hatte. Goldgräberstimmung macht sich breit - bis man im Land ist. "In Bagdad bewegt man sich derzeit nur im Auto durch die Stadt, nur in Gruppen und mit Bodyguards und niemals nachts - zu gefährlich", sagt Grunewald. "Aber für Geschäftsleute fangen die wirklichen Probleme erst an, wenn man es in eine der Behörden geschafft hat."
Einen halben Tag war Grunewald damals Anfang März durch das riesige Labyrinth der Stadtverwaltung Bagdads geirrt, auf der Suche nach den vertrauten Gesichtern, Handelspartnern von früher. Aber in den Büros saßen nicht mehr Hassan oder Ismail, mit denen er manches Geschäft gemacht hatte, sondern Jack oder Joey aus Kentucky. "Jungs, ohne eine Ahnung von diesem Land", stöhnt Grunewald. Erst nach sechs Wochen hatte der Deutsche alte Verbindungen aufgefrischt und verhandelte in Kirkuk über neue Lieferungen von Heinkel. Die Leute der North Oil Company hatten eine lange Auftragsliste parat. Und Grunewald hatte nur eine Frage: "Mit was wollt ihr das bezahlen?"
Derzeit ist das Land zwischen Umm Kasr und Kirkuk ein Trümmerfeld, aber Irak hat auch elf Prozent der weltweit bekannten Ölreserven. Und der Zivilverwaltung stehen derzeit sieben Mrd. US-Dollar für den Wiederaufbau zur Verfügung. Ein riesiges Geschäft lockt und Männer wie Wilfried Grunewald wollen es nicht versäumen. Dafür gehen sie auch in die Hölle, in eine Stadt wie Bagdad.
Von Nikolaus Doll
Deutschlands wichtigster Handelspartner in Nahost war der Irak in den 80er Jahren - und die Berliner Heinkel Umwelttechnik GmbH war gut im Geschäft. Bis zum Kriegsausbruch. Jetzt versucht Heinkel-Mann Wilfried Grunewald an alte Zeiten anzuknüpfen - und erlebt eine Odyssee.
Berlin - Bagdad brennt. "Saddam ist besiegt, der Krieg ist vorbei" hatte US-Präsident Bush am 1. Mai verkündet. Dennoch: Bagdad brennt, das Schießen, Brennen und Plündern geht weiter. "Der Krieg war schlimm, aber er hat die Stadt nur angekratzt. Dieser Frieden ist schlimmer", sagt Wilfried Grunewald, der bei der Berliner Firma Heinkel fürs Nahost-Geschäft zuständig ist. Nach Attacken von irakischen Plünderern auf Einrichtungen der Stadtwerke sind Strom und Wasserversorgung ausgefallen. "Wasser gibt es nur sporadisch, Strom vielleicht zwei Stunden täglich", berichtet Grunewald. "Bagdads Behörden wurden ausnahmslos geplündert. Klimaanlagen, Elektrogeräte, Computertechnik oder Möbel - alles hat der Mob weggeschleppt. Bagdad kennt Terror und Tod, doch zur gesetzlosen Zone ist die Stadt erst mit dem Einmarsch der US-Truppen geworden. Und die GIs schauen hilflos zu, voll damit beschäftigt, wenigstens das eigene Leben zu schützen. Trotzdem ist Wilfried Grunewald zurückgekehrt. "Packen wir's an. Das Geschäft läuft wieder", hat er gesagt, kurz nachdem Bush den Sieg verkündet hatte. Aber es sollte anderthalb Monate dauern, bis es wirklich wieder lief und Grunewald an alte Kontakte anknüpfen konnte. Der schnelle Euro ist im Chaos des von Krieg und Nachkriegswirren zerstörten Landes zurzeit nicht zu machen.
Wie viele deutsche Unternehmen versucht auch die Heinkel Umwelttechnik und Energieanlagen GmbH, einst Teil des bekannten Flugzeug-Konzerns, erneut im Irak Fuß zu fassen. Seit den siebziger Jahren machten die Berliner im Zweistromland Geschäfte - "zivile Sachen", wie Geschäftsführer Axel Kraft betont. Mit dem Kriegsausbruch im März waren alle Handelsbeziehungen schlagartig abgeschnitten. "Als der Krieg begann, hatten wir Aufträge im Wert von 25 Mio. Euro in Büchern", sagt Kraft. Keine Peanuts für ein Unternehmen, das 2002 einen Umsatz von rund zehn Mio. Euro gemacht hat.
Nur Tage vor Beginn der Bombardierungen durch die US-Air-Force hatte Heinkel noch Waren in die irakische Hafenstadt Umm Kasr verschifft, Ersatzteile für Aggregate und Werkstattausrüstungen. Alles vorfinanziert, Wert 2,2 Mio. Euro. "Dass es Krieg gibt, war längst klar. Aber hätten wir die Ladung nicht auf den Weg gebracht, würden wir ganz darauf sitzen bleiben", so Kraft. Seit Kriegsausbruch steht die Sendung nun "in Transit". Kaum fielen in Bagdad die ersten Bomben, lud der Reeder die Container in Dubai aus.
So wie Heinkel geht es dutzenden deutschen Unternehmen, immerhin 70 haben es bislang geschafft, ihre Waren, die seit Kriegsausbruch "on the way" fest hingen, ins Land zu bringen. Kraft ist bislang von seinem 2,2-Millionen-Auftrag nur eine Nummer geblieben: Com-Nr. 1230060. Unter dieser Kombination führt eine UN-Liste die Heinkel-Waren. "Schon damit wir uns bei der US-Zivilverwaltung durchsetzen und unsere Waren doch noch einführen können, bleiben wir am Ball", sagt Kraft.
Doch auch deutsche Unternehmen ohne offene Rechnungen interessieren sich zunehmend für den Markt im Zweistromland, angezogen von Analysen wie die der deutsch-irakischen Mittelstandsvereinigung "Midan": "Es mangelt im Irak nach Diktatur und Krieg an allem. Derzeit kann man dort praktisch alles verkaufen", sagt Vizepräsident Jürgen Haas. Ein glänzender Absatzmarkt, den die Zivilverwaltung zudem am 8. Juni zur Freihandelszone erklärt hatte. Goldgräberstimmung macht sich breit - bis man im Land ist. "In Bagdad bewegt man sich derzeit nur im Auto durch die Stadt, nur in Gruppen und mit Bodyguards und niemals nachts - zu gefährlich", sagt Grunewald. "Aber für Geschäftsleute fangen die wirklichen Probleme erst an, wenn man es in eine der Behörden geschafft hat."
Einen halben Tag war Grunewald damals Anfang März durch das riesige Labyrinth der Stadtverwaltung Bagdads geirrt, auf der Suche nach den vertrauten Gesichtern, Handelspartnern von früher. Aber in den Büros saßen nicht mehr Hassan oder Ismail, mit denen er manches Geschäft gemacht hatte, sondern Jack oder Joey aus Kentucky. "Jungs, ohne eine Ahnung von diesem Land", stöhnt Grunewald. Erst nach sechs Wochen hatte der Deutsche alte Verbindungen aufgefrischt und verhandelte in Kirkuk über neue Lieferungen von Heinkel. Die Leute der North Oil Company hatten eine lange Auftragsliste parat. Und Grunewald hatte nur eine Frage: "Mit was wollt ihr das bezahlen?"
Derzeit ist das Land zwischen Umm Kasr und Kirkuk ein Trümmerfeld, aber Irak hat auch elf Prozent der weltweit bekannten Ölreserven. Und der Zivilverwaltung stehen derzeit sieben Mrd. US-Dollar für den Wiederaufbau zur Verfügung. Ein riesiges Geschäft lockt und Männer wie Wilfried Grunewald wollen es nicht versäumen. Dafür gehen sie auch in die Hölle, in eine Stadt wie Bagdad.