Zum Wochenausklang haben die Anleger kapituliert. Der Dow Jones fiel erstmals seit Jahren wieder unter 8000 Punkte und landete deutlich unter dem Schlussstand vom 21. September, der Dax verlor über 200 Punkte. Vor allem die Technologie- und Finanztitel stürzten ab. New York/Frankfurt am Main – An den internationalen Börsen hat sich die Abwärtsbewegung am Freitag verschärft. Der Dow-Jones-Index für 30 Industriewerte fiel im Handelsverlauf um mehr als 400 Punkte und damit erstmals seit fast vier Jahren wieder unter die Marke von 8000 Punkten. Er notierte kurz vor Handelsschluss mit einem Minus von 416,26 bei 7.993,23. Das lag noch deutlich unter dem Tiefstand nach den Anschlägen vom 11. September.
Der 30 Standardwerte umfassende Dow-Jones-Index fiel um 390,23 Punkte oder etwa vier Prozent auf 8019,26 Zähler. Zwischenzeitlich hatte der Index unter der 8000-Marke notiert. Es war der tiefste Stand seit Oktober 1998. Der marktbreite Standard & Poor's 500-Index verlor 33,81 Punkte auf 847,75 Zähler und der technologielastige Nasdaq-Index gab um 37,90 Punkte auf 1319,05 Zähler nach.
"Es gibt da einen Käufer-Streik"Händler machten für die Verkaufswelle mehrere Faktoren aus: So belasteten Ermittlungen der Regierung gegen das Pharmaunternehmen Johnson & Johnson , Spekulationen um Bilanzungereimtheiten bei AOL Time Warner , schlechte Nachrichten aus dem Technologiesektor sowie eine Neugewichtung im S&P-500-Index und das Auslaufen einiger Aktienoptionen auf den Kursen.
"Es gibt derzeit einfach keine guten Nachrichten, und die Menschen wollen mit so einem Markt vor einem Wochenende einfach nichts mehr zu tun haben", erklärte ein Marktkommentator von Prudential Securities, Bryan Piskorowski. "Es gibt da einen Käufer-Streik."
"Immer mehr Anleger steigen aus, um zu retten was noch zu retten ist", sagte der Fondsmanager Peter Cooke von Glendale Trust Co. Zwar hätten die meisten Unternehmen mit ihren vorgelegten Geschäftszahlen die Erwartungen der Wall Street erfüllt, doch habe der Ausblick enttäuscht. Die Hightechs sähen die Talsohle zumeist immer noch nicht überschritten, hieß es.
Aktienexperte Hendrik Garz von der WestLB Panmure sagte, nach wie vor herrsche Unsicherheit darüber, wie es mit der Konjunktur weitergeht. Derzeit würden die Märkte vor allem auf einzelne Negativmeldungen reagieren, auch wenn sich an den fundamentalen Daten nichts geändert habe. Sollte die negative Entwicklung an den Aktienmärkten anhalten, könne sich dies auf die Investitions- und Konsumbereitschaft auswirken mit entsprechend negativen Folgen für Konjunktur, warnte der Experte.
"Die Stimmung ist völlig kaputt"
Auch der Dax rauschte am Freitag um rund 5,1 Prozent oder 208 Punkte nach unten auf einen Schlussstand von 3891 Zählern. Vergleichsweise gering war dagegen das Minus im MDax: Die Nebenwerte verloren durchschnittlich 1,4 Prozent und drückten den Index auf 3594 Punkte. Am Neuen Markt fiel der Nemax 50 auf 546 Zähler, ein Minus von 4,3 Prozent.
"Die Stimmung ist völlig kaputt", sagte ein Aktienhändler. Die ständige Flut an negativen Unternehmensmeldungen lasse viele Anleger "kapitulieren". Zum Wochenschluss wurden die Investoren erneut von einem deutschen Technologieunternehmen kalt erwischt.
Nachdem in der Vorwoche SAP seine Umsatzprognose deutlich reduzierte hatte, schockte am Freitag Epcos mit einer Ergebniswarnung den Markt. Für die nähere Zukunft sei keine Erholung zu erwarten. Auf Grund des erneuten Quartalsverlustes sei zudem ein weiterer Stellenabbau nötig. Der Aktien-Kurs des Herstellers passiver elektronischer Bauelemente brach daraufhin um 16,8 Prozent auf 22,00 Euro ein.
Infineon trotz guter Zahlen im Minus
Infineon legte ebenfalls Quartalszahlen vor. Diese übertrafen jedoch die Erwartungen der Analysten leicht. Die Infineon-Anteilscheine verloren auf Grund des schwachen Marktumfelds dennoch 2,6 Prozent auf 17,05 Euro. Der Aktienkurs von Siemens gab 5,3 Prozent auf 55,50 Euro nach. Siemens ist der schwerste Wert im Dax sowie Großaktionär bei Epcos und Infineon.
Die T-Aktie büßte nach mehr als 20 Prozent Kursplus in den vergangenen drei Tagen am Freitag sechs Prozent auf 11,85 Euro ein. Der Deutschen Telekom und anderen führenden Telekom-Unternehmen drohen möglicherweise nach der Sommerpause EU-Verfahren wegen überhöhter Preise bei der Abrechnung von Auslandsgesprächen im Mobilfunknetz.
Nur drei Titel schließen im Plus
Unter der neuerlichen Aktienmarktschwäche litten vor allem auch die Finanz- und Versicherungstitel. Allianz , Münchener Rück und HypoVereinsbank verloren mehr als sechs Prozent. Die Deutsche Bank verlor mehr als fünf Prozent. Sinkende Kurs an den Börsen schlagen sich auch unmittelbar in den Bilanzen der Finanzinstitute nieder.
Die Autowerte verloren ebenfalls. DaimlerChrysler-Papiere büßten trotz positiver Analystenkommentare um 6,4 Prozent auf 44,25 Euro ein. Volkswagen-Aktien , die von der Investmentbank UBS Warburg als Kaufgelegenheit für langfristig orientierte Anleger empfohlen wurde, verloren im Vergleich zum Gesamtmarkt deutlich moderater: minus 2,9 Prozent auf 42,75 Euro. Die von BMW gaben 3,6 Prozent auf 38,65 Euro nach.
Mit einem Kursaufschlag haben sich lediglich drei Werte gegen den Abwärtstrend stemmen können. Ohne Unternehmensnachrichten zogen die Papiere von MAN um 5,3 Prozent auf 22,41 Euro an. Linde und Adidas Salomon präsentierten sich freundlich.
Wenig Bewegung am MDax
Im MDax hielten sich die Kursschwankungen in Grenzen. Größter Gewinner unter den Nebenwerten war das Papier von WCM , das um 11,2 Prozent auf 3,67 Euro zulegen konnte. Stark unter Druck geriet Agiv . Das Papier rutschte um 9,9 Prozent auf 2,10 Euro ab und hielt damit die rote Laterne.
Am Neuen Markt stand am Tag der Hauptversammlung die Aktie von Lion Bioscience im Mittelpunkt des Interesses. Das Papier des Anbieters von Software für medizinische Wirkstoffforschung gab um 6,8 Prozent auf 3,54 Euro nach.
Zu den wenigen Werten, die im Plus standen, gehörte die Papiere von D.Logistics , die um 11,4 Prozent auf 2,45 Euro stiegen. Die Papiere von D.Logistics gewannen am Vortag bereits ohne Unternehmensnachrichten rund 100 Prozent hinzu. Auch United Internet , Balda und Mobilcom präsentierten sich fester.
Hiobsbotschaft von Winter
Schlechte Nachrichten gab es dagegen vom Chipkartenhersteller Winter . Das Unternehmen hat seine Ergebnisprognose für dieses Jahr wegen der anhaltenden Flaute auf dem Telekommunikationsmarkt gesenkt. Die Aktie verlor um 3,9 Prozent auf 3,49 Euro.
Wie Winter nach Börsenschluss in Frankfurt mitteilte, rechnet das Unternehmen für 2002 nur noch mit einem ausgeglichenen Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit), nachdem Vorstandssprecher Osterrieder im Mai noch einen operativen Gewinn von 2,8 (2001: 0,8) Millionen Euro in Aussicht gestellt hatte. An der Umsatzprognose von 48,6 (44,2) Millionen Euro hielt Winter fest. Im ersten Halbjahr rutschte Winter den Angaben zufolge mit einem Ebit von minus 1,2 Millionen Euro in die Verlustzone, nach einem Gewinn von 1,45 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Der Umsatz fiel leicht auf 20,5 (20,8) Millionen Euro.
Nikkei verliert deutlich
Die Aktienbörse in Tokio hat am Freitag an Boden verloren. Der Nikkei-Index für 225 führende Werte gab um 295,90 Punkte oder 2,8 Prozent nach und ging beim Stand von 10.202 Punkten ins Wochenende. Der breit angelegte Topix schloss um 20,41 Punkte oder zwei Prozent niedriger bei 989 Zählern. Händler machten den Kursrückgang in den USA für die Kursschwäche verantwortlich. "Ausländische Investoren schichten gerade aus den teueren Technologieaktien um, aber keiner sieht einen Grund für einen Kauf von japanischen Aktien", sagte ein Wertpapierhändler.
Nach einem Verlust von 270 Yen auf 5.530 Yen hatte die Aktie von Sony die Gewinne des Vortages wieder aufgezehrt. Zu den Verlierern gehörten ebenfalls Matsushita Electric Industrial und Mitsubishi Electric .
Auch die Aktien der Chiphersteller standen unter Druck: NEC verloren 29 auf 796 Yen. Fujitsu gaben mit einem Verlust von 19 Yen auf 808 Yen die Vortagesgewinne ebenfalls wieder ab. Stabiler tendierten hingegen die Aktien der Autoproduzenten wegen des stabilen Yen. Honda stiegen um 20 auf 4980 Yen. Toyota verloren lediglich 25 auf 2955 Yen, Nissan gaben 25 auf 810 Yen nach.
Euro präsentiert sich fest
Der Kurs des Euro ist am Freitag gestiegen. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs bei 1,0146 (Donnerstag: 1,0058) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,9856 (0,9942) Euro. Bis 20 Uhr gab die Einheitswährung leicht auf 1,0136 Dollar ab.
Zu anderen wichtigen Währungen legte die EZB die Referenzkurse für einen Euro auf 0,6430 (0,6428) Pfund, 117,74 (117,70) Yen und 1,4635 (1,4642) Schweizer Franken fest.