Geldanlage: Lukrative Schein-Steuer

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Geldanlage: Lukrative Schein-Steuer

 
24.05.01 09:24
Geldanlage: Lukrative Schein-Steuer
Von Antje Schweitzer

Festzins-Anleger können ihre Renditen mithilfe des Finanzamts deutlich steigern. Dabei sind einige Vorgaben zu beachten.

Eine besondere Entwicklungshilfe spendiert der deutsche Finanzminister einigen ausländischen Staaten. Davon profitieren auch heimische Anleger, die vom Fiskus eine Steuer erstattet bekommen, die sie nicht gezahlt haben. Dadurch lassen sich die Nettorenditen von speziellen Anleihen deutlich steigern.

Anfang Mai bekam Steffen Meier aus Berlin eine Abrechnung von seiner Bank. Die argentinische Provinz Buenos Aires zahlte für ihre Anleihe 975 DM Zinsen, weil Meier 10.000 DM angelegt hatte. Eine Notiz auf dem Papier machte ihn stutzig. Denn die Bank wies ihn darauf hin, dass er "ggfs. 15 Prozent fiktive Quellensteuer" geltend machen dürfe.


Meier gehört zu den Anlegern, die gut verdienen und deshalb einiges auf der hohen Kante haben. Schon länger lässt der Single locker Sparerfreibetrag und Werbungskostenpauschale (3100 DM im Jahr), die der Fiskus den Bundesbürgern bei ihren Kapitaleinkünften zugesteht, hinter sich. Die Folge: Von jeder Zinsmark, die darüber liegt, erhält das Finanzamt 40 Pfennige, da Meier im Durchschnitt 40 Prozent Steuern zahlt.


Inflation frisst Nachsteuerrendite

Deshalb erzielt er beispielsweise mit einem Bundesschatzbrief, der im ersten Jahr 3,5 Prozent Zinsen abwirft, nach Steuern nur eine Rendite von 2,1 Prozent. Da die Inflationsrate in Deutschland wieder deutlich mehr als zwei Prozent erreicht hat, würde Meiers Vermögen, gemessen an der tatsächlichen Kaufkraft, mit der Schätzchen-Anlage zumindest im ersten Jahr weniger.


Verständlich, dass er nach rentablen Alternativen Ausschau hält, die seine hohe Kante nicht nur erhalten, sondern sogar aufstocken, selbst nachdem das Finanzamt zugegriffen hat. Eine lukrative Chance bieten Anleihen aus den Ländern, bei denen Meier und andere "Cleverles" die fiktive Quellensteuer nutzen können.


Hintergrund: Die Bundesrepublik hat mit den meisten Ländern rund um den Globus Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen. Diese Vertragswerke sollen sicherstellen, dass deutsche Anleger für ein und dieselbe (Kapital-)Einnahme nicht zweimal zur Kasse gebeten werden: vom Finanzamt im Anlageland und vom Fiskus daheim. Deshalb sehen die DBAs vor, dass das deutsche Finanzamt die im Ausland gezahlte Quellensteuer ganz oder wenigstens teilweise bei der Ermittlung der deutschen Einkommensteuer berücksichtigt. Einfaches Beispiel: Ein Anleger schuldet dem deutschen Fiskus 3000 DM. Im Ausland hat er als Quellensteuer auf seine Zinseinkünfte bereits 500 DM gezahlt. Somit überweist er Bundesfinanzminister Hans Eichel nur noch 2500 DM.


Geschenk vom Finanzminister

In einigen Doppelbesteuerungsabkommen sind jedoch nicht nur tatsächliche, sondern auch fiktive Quellensteuern vorgesehen. Bedeutung: Das deutsche Finanzamt verhält sich bei der Einkommensteuerveranlagung so, als hätte seine Kundschaft einen bestimmten Prozentsatz an Steuern bereits im Ausland entrichtet, obwohl das nicht passiert ist. Die Schein-Steuer ist deshalb nichts anderes als ein Geschenk vom deutschen Finanzminister, das die Netto-Rendite so mancher festverzinslicher Wertpapiere deutlich liften kann.


Die fiktive Quellensteuer ist eine indirekte Entwicklungshilfe für - mitunter nur scheinbare - Dritte-Welt-Länder. Durch diese Fiktion wollte die Bundesrepublik seinerzeit, bei Vereinbarung der DBAs, diesen Ländern den Zugang zu den Kapitalmärkten - also das Schuldenmachen in Deutschland - erleichtern. Heute indes scheint das Steuerprivileg für manche Länder längst nicht mehr zeitgemäß: eben jene, die in der Zwischenzeit wirtschaftlich vergleichsweise weit gekommen sind und des Entwicklungshilfe-Bonus eigentlich gar nicht mehr bedürfen. Zu diesen Staaten zählen beispielsweise Südkorea, Portugal oder Griechenland.


Unsichere Kandidaten

Die von der Steuerfiktion bevorzugten Staaten haben aber in der Regel ein Handikap: Ihr Ruf als Schuldner ist nicht gerade der beste. Das können Anleger an den Einschätzungen der bekannten Rating-Agenturen Moody's und Standard & Poor's ablesen. Die beiden angesehenen Kreditprüfer bewerten weltweit die Qualität von Anleihenschuldnern. Untersucht wird anhand einer Vielzahl unterschiedlicher Kriterien, ob die Kreditnehmer auf Dauer in der Lage sind, sowohl die vereinbarten Zinsen ihren Gläubigern (den Anlegern) zu überweisen als auch am Ende der Laufzeit das geliehene Geld zurückzuzahlen.


Die beiden Agenturen bedienen sich bei ihrer Qualitätsbenotung eines Buchstabensystems. Dadurch können Anleger auf den ersten Blick erkennen, ob der Schuldenmacher einen guten Ruf hat oder eher zu den Wackelkandidat gehört. Faustregel: Je schlechter die Bonität des Schuldners, desto höher das Risiko für den Anleger. Höhere Risiken bedeuten gleichzeitig höhere Zinsen. Die sind nämlich der Preis, den der Schuldner für ein schlechtes Rating zahlen muss. Entsprechend gefährdet ist mitunter Anlegers Kapitaleinsatz.


Tipp: Wer als Rentensparer gut schlafen will, sollte kein Rating schlechter als "Ba3" bzw. "BB-" akzeptieren. Der Verzicht auf höhere Zinsen gibt dann mehr Sicherheit. Dass einem Anleihenschuldner die Qualitätsbewertung der beiden Agenturen fehlt, bedeutet im Übrigen nicht automatisch mangelnde Solidität. Für eine Reihe privater Kreditnehmer wie Industrieunternehmen existiert kein Rating. Im Zweifelsfall sollte man aber auf Nummer sicher gehen und Anleihen von "gerateten" Kreditnehmern bevorzugen.


Doch zurück zum Finanzminister und seinem Bonussystem: Der vom Steuervorteil verursachte Lift bei der Nettorendite soll vor allem Privatanleger dazu veranlassen, bei ihren Zins-Investments Emittenten aus den bevorzugten Ländern nicht zu vernachlässigen.



Wichtige Vorgaben

Auch private Anleger wie Steffen Meier können sich in diesen renditearmen Zeiten einen zusätzlichen Profit-Kick durch den Kauf von Anleihen mit fiktiver Quellensteuer verschaffen. Doch bevor sie über ihre Bank an der Börse kaufen, sind einige wichtige Vorgaben zu beachten.


Regel Nummer eins: Anleger verschaffen sich am besten zunächst einen Überblick über die Emissions-Länder mit fiktiver Quellensteuer. Dann schaut man sich im zweiten Schritt an, wie die Rating-Agenturen Moody's und Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit dieser Staaten beurteilen. Fast immer fallen die Anlagerisiken deutlich höher aus als bei sicheren Anleihen staatlicher Schuldenmacher in Deutschland.


Dritter Schritt: Interessierte Anleger, die investieren wollen, fragen bei ihrer Bank nach attraktiven Euro- beziehungsweise DM-Anleihen mit Schein-Steuer. Auch auf die Angabe der Wertpapier-Kennnummer sowie der aktuellen Rendite und Qualitätseinschätzung sollten sie nicht verzichten. Eine weitere wichtige Information: Was fällt an Kauf- und späteren Verkaufskosten an?



Schein-Steuer bedeutet Papierkram

Anschließend können Investoren die Nachsteuer-Rendite anhand der individuellen Steuerlast errechnen. Vernachlässigt werden sollten dabei auch nicht die möglichen Risiken. Faustformel: Je höher die Bruttorendite, desto größer die Gefahr, sein Geld ganz oder teilweise zu verlieren.


Und als Letztes macht der Anleger seine Abrechnung mit dem Finanzamt. Eine dem Fiskus vorgelegte saubere Bilanz bedeutet einigen bürokratischen Aufwand. Damit der Finanzbeamte die fiktive Quellensteuer berücksichtigt, müssen Investoren die beiden Steuerformulare "Anlage AUS" sowie "Anlage KAP" ausfüllen. Eine Menge Papierkram also. Doch der ist nicht zu umgehen. Denn auch wenn die Menschen in Deutschland als Anleger Weltbürger sind, lässt sich Hans Eichel nicht erweichen.

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