Geld verdienen leicht gemacht, die Post hilft

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vega2000:

Geld verdienen leicht gemacht, die Post hilft

 
06.06.02 23:06

Wie die Post eine Bank-Million versemmelte


Eine Zentralbank in Nordrhein-Westfalen verschickte sechsstellige Bargeldbeträge per Post. Sechs Geldpakete kamen nie an ihr Ziel - weil ein Postbediensteter unglaublich schlampte und ein anderer lange Finger machte. Dies sei kein Einzelfall, räumte die Deutsche Post AG nun ein - und weigert sich trotzdem zu haften.

Manche Pakete erreichen ihr Ziel nie: Mindestens 47 Paketsendungen waren dem Post-Konkurrenten UPS innerhalb von gut zwei Jahren abhanden gekommen, wie sich aus mehreren Urteilen ergibt, die der Bundesgerichtshof in dieser Woche veröffentlich hat. Schaden: 220.000 Euro. Besonders krass allerdings der Vorgang, über den der Bundesgerichtshof heute verhandelt hat und vor allem in Bankkreisen für Aufsehen sorgte.
Denn bis zum Jahr 1995 war es für Banken wie die Westdeutsche Genossenschafts-Zentralbank (WGZ) eine "durchaus übliche Vorgehensweise", so Frank Kühne, Pressesprecher des regionalen Zentralinstituts von Volks- und Raiffeisenbanken, angeschlossene Geldhäuser auf dem Postwege mit Bargeld zu versorgen. Bis zu jenem Transport, bei dem die WGZ mit einem Schlag mehr als eine Million Mark einbüßte.

Die WGZ-Mitarbeiter in Düsseldorf und Münster jedenfalls taten aus ihrer Sicht nichts Ungewöhnliches, als sie am 2. März 1995 Geldscheine im Wert von 1,3 Millionen Mark fein säuberlich in sechs handliche Pakete verpackten, an verschiedene Volks- und Raiffeisenbanken adressierten und zur Post brachten: Vier Pakete, im Wert von 150.000, 250.000 und zwei mal 200.000 Mark wurden im Postamt Düsseldorf 2 eingeliefert, zwei Pakete mit je 250.000 Mark im Postamt Münster.

Falsche Wertangaben

Allerdings deklarierten die Bank-Mitarbeiter die Pakete jeweils nur mit 3500 Mark - möglicherweise Vorsicht an der falschen Stelle, wie sich noch herausstellen sollte.

Tags darauf, am 3. März, landeten die sechs als "Wertsendungen" gekennzeichneten Pakete im Hauptpostamt Bonn, wo Paul K., Betriebsassistent im Zustelldienst der Deutschen Post AG, sie abholte und in seinen gelben Transporter lud. Den zu den Paketen gehörenden "Ladezettel" mit den offiziellen Wertangaben steckte K. aber nicht, wie es sich nach interner Anweisung gehört hätte, ein, sondern klemmte ihn an eines der Pakete.

Weit geöffnete Transporter-Türen

Sein weiterer Weg führte K. an diesem Tag in die Postfiliale in der Bonner Endenicher Straße, wo er Briefsendungen aufnehmen musste. Dort angekommen, parkte er den Lkw im öffentlich zugänglichen Posthof, öffnete die Laderaumtüren und ging in das Gebäude zur Postabfertigung, um die Briefe zu holen.

Interne Sicherheitsvorschriften hätten zwar verlangt, die Ladetüren sogar zusätzlich mit einem Vorhängeschloss zu sichern. Doch K. ließ, wie so oft, den Transporter mit weit geöffneten Türen stehen. Als er nach gut zehn Minuten zurückkam, waren die sechs Pakete verschwunden.

Die Gunst der Stunde

Dabei war es noch nicht einmal ein Postkunde oder Passant, der da erst große Augen und dann lange Finger bekam, sondern der - damals noch - in der Postfiliale Endenicher Straße angestellte Dirk J., der nach Feststellungen des Landgerichts Bonn die günstige Gelegenheit nutzte und die Wertpakete von der Ladefläche räumte. Die Staatsanwaltschaft Bonn kam dem Postangestellten auf die Spur. Vor allem in einem Schließfach im Kölner Hauptbahnhof konnten sie Banknoten im Wert von 447.850 Mark sicherstellen - der Rest aber blieb verschwunden.

Recht schnell war die Post bereit, der WGZ den angegebenen Wert, also sechsmal 3500 Mark, zu ersetzen. Doch als die Bank und ihr Versicherer, die R+V Versicherungs-AG, auch den Rest einfordern wollte, schaltete das Transportunternehmen auf stur.

Millionenbeträge wie Brötchen behandelt

Der Diebstahl des J. sei ihr "nicht zurechenbar", da dieser mit den Paketen nichts zu tun gehabt habe, und K. habe "nicht vorsätzlich" gegen Sorgfaltspflichten verstoßen, also müsse sie auch für dessen Fehler nicht einstehen. Immerhin habe die Bank selbst den Wert der Pakete falsch deklariert und "Millionenbeträge fast wie Brötchen durch die Gegend" geschickt. Dadurch, argumentierten die Post-Anwälte unter Berufung auf die damals für die Post noch geltenden Sondervorschriften, sei der Schaden "überwiegend durch den Absender verursacht " und damit eine Ersatzpflicht ausgeschlossen: Bei richtiger Wertangabe, so die Post, wäre ein Fahrzeug mit einem "entsprechenden Wertgelass" eingesetzt und so der Diebstahl verhindert worden, vulgo: hätte man die Geldpakete womöglich nicht so leicht versemmelt.

Jetzt muss der Zehnte Zivilsenat des Bundesgerichtshofs über den Fall entscheiden, bei dem, so der Senatsvorsitzende Klaus-Jürgen Melullis, "die Rechtslage leider nicht ganz so einfach ist wie der Sachverhalt". Immerhin bekam die Post in den beiden vorhergehenden Instanzen Recht, und in einer bereits gestern veröffentlichten Urteilsbegründung in Sachen UPS sogar Schützenhilfe von den BGH-Richtern des Ersten Zivilsenats: Die halten - auch nach neuem Recht - ein Mitverschulden des Versenders für möglich, wenn der den Wert abhanden gekommener Sendungen nicht oder zu niedrig angegeben hat, weil ein Transportunternehmen bei Kenntnis des wahren Werts möglicherweise sorgfältiger gehandelt hätte.

"Groteskes Ergebnis"

Für BGH-Anwalt Reiner Hall, der im Post-Verfahren die Seite der Geschädigten vertritt, wäre es aber ein "groteskes Ergebnis", wenn im Fall der verschwundenen Geldpakete das ehemalige Staatsunternehmen trotz schwerstem Fehlverhalten seiner Mitarbeiter keinen Schadenersatz leisten müsste. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs soll am 16. Juli verkündet werden.

Immerhin sind mittlerweile beide Seiten aus Schaden klug geworden. Weil es, wie ein Post-Sprecher gegenüber SPIEGEL Online einräumte, "ähnliche Vorfälle auch mit Juwelieren" gab, denen ebenfalls niedriger deklarierte Wertsendungen mit Edelsteinen und anderen Preziosen auf dem Postweg abhanden kamen, hat die Post ihre Werttransport-Vorschriften mittlerweile umgestellt: Wertsendungen mit Schmuck, Uhren und Juwelen laufen jetzt in einem gesonderten Versanddienst, Bargeld-Sendungen im Wert von mehr als 500 Euro lehnt die Post ganz ab. Deshalb hat man auch auf Bankenseite die bisherige Praxis geändert: Auch die Westdeutschen Genossenschafts-Zentralbank verschickt Banknoten jetzt, wie WGZ-Sprecher Kühne versichert, nicht mehr mit der Post, sondern mit Unternehmen, die auf Werttransporte spezialisiert sind.

Spiegel
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