Jeder kennt die Weisheit "Geld regiert die Welt". Es ist eben nicht die Liebe, nicht das Vorurteil, nicht die Religion, nicht das Militär, nicht der König, nicht die Mafia, nicht das Bundeskabinett, nicht die Kunst, nicht der Glaube, auch wenn er angeblich Berge versetzt. Es ist das Geld, das alles im Innersten zusammenhält.
Aber was ist das eigentlich für ein Wunderstoff? Eigenartigerweise weiß niemand eine ganz und gar überzeugende Antwort auf diese Frage. Geld ist die größte Macht und zugleich das größte Geheimnis auf Erden, Vielleicht gibt es hier sogar einen Zusammenhang. Sicher ist, dass Buchmacher, Nationalökonomen, Banker, Croupiers, alle Fachleute also, gehörig ins Schwimmen kommen, wenn man sie nach dem Wesen des Geldes fragt. Die Antworten sind entweder ein bisschen falsch oder ziemlich nebelhaft.
Dies wird sich übrigens noch steigern, je weiter wir ins bargeldlose Zeitalter rutschen, wenn Geld nicht einmal mehr greifbar sein wird, sondern sich zum bloßen Speicherphänomen auf Festplatten entmaterialisiert hat.
Schon der Übergang vom Muschel-, Gold-, Silber- übers Kupfergeld zum Papiergeld ist die Geschichte seiner zunehmenden Vergeistigung, Verflüchtigung ins Irrationale. Erst wenn Geld am Schluss dieser Entwicklung nicht einmal mehr auf dem PC als Nummer existiert, werden wir am Ende der Fahnenstange angelangt sein. Dann ist Geld gleichbedeutend mit Gott, der Allmacht, die nie in Erscheinung tritt.
Halten wir fest - es gibt sechs Stufen der gradweisen Entmaterialisierung des Geldes:
I. nützliche Naturprodukte (wie Kühe)
II. unnütze, aber schöne Naturprodukte (wie Muscheln)
III. seltene Edelmetalle (wie Gold)
IV. symbolisch-materielle Ersatzformen (Papiergeld)
V. symbolisch-immaterielle Ersatzformen (bargeldloses Zahlen mit Schecks, Computergeld)
VI. das Verschwinden des Geldbegriffs
Hiernach ließe sich sehr gut die Geschichte der Menschheit in sechs Epochen einteilen. Wir sind jetzt mitten im Übergang von der V. zur VI. Epoche. Nach dem
Erreichen der sechsten Epoche, der des geldlosen Geldes, wird sich der Kreis schließen, wir werden wieder zum Natur- oder Muschelgeld zurückkehren. Findige
Urlauber sollten jetzt schon beginnen, am Strand von Sylt oder wo auch immer, sich mit Vorräten von Herzmuscheln, Miesmuscheln, Bademuscheln
einzudecken, Es ist gut möglich, dass bei der derzeitigen Explosion der Entwicklungen im Klimatischen die Zeit nicht mehr fern ist, in der man für den Kauf eines
Solarautos fünfzehn Austernschalen, drei Miesmuscheln und eine halbe Herzmuschel hinlegen muss. Liegt das Wesen des Geldes auch völlig im Dunkeln, die
Herkunft des Begriffes ist weniger rätselhaft. Die Experten sind sich einig, dass es vom mittelalterlichen Wort "gelten" kommt. So ist es im Deutschen jedenfalls.
"Gelten" bedeutete damals nicht, was es heute meint. Also nicht "gelten im Sinne von etwas gelten", zum Beispiel, wenn man Geld hat. "Gelten" hieß einst
vielmehr so viel wie "jemandem mit etwas gerecht zu werden", eine Bedeutung, die heute noch in "abgelten", "vergelten" vernehmbar ist. "Die Sache gilt" hieß
so viel wie "wir sind uns einig, wir hauen uns gegenseitig nicht übers Ohr". Von daher also kommt der Begriff Geld im Deutschen! Und das angesichts der
Tatsache, dass Geld heute ein Hauptmittel des Ubers-Ohr-Hauens geworden ist.
In anderen Sprachen kommt der Begriff eher von den ursprünglich als Zahlungsmittel verwendeten Naturalien, der oben erwähnten Stufe l also. Im Lateinischen
"pecunia" von »pecus, Vieh«, im Französischen "d´argent" von »argentum, Silber", im Italienischen "denaro" von "dinar", also einer Währungseinheit aus der
Stufe III. Nur im Deutschen entstammt das Wort einer moralischen Haltung. Typisch für unser Volk. Unsere Chance und unser Elend sind hier wieder einmal
charakteristisch vereint!