Simone Thies
Anfang des Jahres überschlugen sich Analysten mit Kaufempfehlungen für Biotech-Werte: Sie sichteten Wachstumspotenzial allerorten. Heute schlagen die gleichen Experten vorsichtigere Töne an. Die Schlüsselindustrie des 21. Jahrhunderts ist zwar nach wie vor angesagt, aber längst nicht alle Aktien sind gleich kaufwürdig.
Bevor Anleger investieren, sollten sie genau hinsehen, womit das Unternehmen seine Brötchen verdient. Denn das Geschäft mit der Gesundheit ist kompliziert: Satte Gewinne lachen, wenn der Durchbruch auf einem Forschungsgebiet gelingt. Genauso schnell kann es abwärts gehen, wenn der Fortschritt von neuem Fortschritt überholt wird. Und Bayers Cholesterinmittel Lipobay/Baycol hat vorgemacht, wie schnell aus einem Bestseller ein Desaster wird.
Im Gegensatz zu anderen Wachstumsbranchen wie dem Internet-Sektor, können in der Biotechnologie nur selten schnelle Erfolge erzielt werden. Der Durchbruch solcher Blockbuster-Medikamente wie Aspirin und Co. gehört bei weitem nicht zum Alltag. Krebs- oder Aidsforschung ist ein langwieriges Geschäft.
Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms löste vor Jahren einen Boom aus: Unternehmen spezialisierten sich immer mehr und bescherten dem Anleger einen wahren Biotech-Dschungel. Ausgehend von der technologischen Ausrichtung unterscheidet man zwischen drei großen Business-Modellen:
Zu den Lieblingen der Analysten zählen die Medikamenten-Entwickler. Sie kreieren in Eigenregie oder zusammen mit Pharma-Unternehmen die Heilmittel der Zukunft. Beispiele sind die deutsche MediGene AG oder die amerikanische United Therapeutics. Das Entwicklungsrisiko gehört bei ihnen ebenso zum Alltagsgeschäft wie das Zulassungsrisiko. Rund neun von zehn Therapien scheitern in der klinischen Erprobung am Patienten. Analysten betrachten diesen Biotech-Sektor momentan als den lukrativsten: Langfristig gäbe es hier ein großes Marktpotenzial und die besten Erfolgsaussichten.
Den zweiten großen Sektor der Branche machen die Technologie-Anbieter wie die am Neuen Markt notierte GPC Biotech aus. In den USA gehört Alkermes zu den Big Playern. Die Technologie-Anbieter versetzen die gesamte Branche, darunter auch Pharma-Riesen wie Bayer, in die Lage, die Forschung und Entwicklung von Medikamenten zu optimieren. Die Probleme aller Technologie-Anbieter liegen hauptsächlich in der Kurzlebigkeit ihrer Produkte. Kaum ist das eine entwickelt, hat die Konkurrenz schon einen Nachfolger in der Pipeline. Den Anleger erwartet zwar ein großes Marktpotenzial, Gewinne, so die Experten, sollten jedoch schnell mitgenommen werden. Ergo: Eine beliebte Spielwiese für Zocker und Day-Trader.
Die Informationsanbieter, neudeutsch: Content Provider, schließen den Kreis der Business-Modelle. Sie stellen Informationen und Datenbanken für die Genomforschung zur Verfügung. Damit soll sich der Entwicklungsprozess eines Medikaments beschleunigen. Ohne das umfangreiche Datenmaterial von Firmen wie Human Genome Sciences oder Celera Genomics Corporation würden Unternehmen, die sich nur der Forschung verschrieben haben, an einem Informationsdefizit leiden. Der Anleger hat in diesem Teil der Biotechnologie zwar die Aussicht auf eine kurzfristig hohe Rendite. Dieser steht allerdings ein begrenztes Marktpotenzial gegenüber. Kaum ein Unternehmen beschränkt sich auf ein Geschäftsmodell, viele decken zwei und mehr Segmente ab und gelten dann als voll integrierte Biotech-Unternehmen.
Der Privatanleger fährt in der aktuellen Börsensituation am besten, wenn er seine Investitionen breit streut. Auch Fonds gewährleisten ein sichereres, wenn auch nicht so renditestarkes Stück vom Biotech-Kuchen.
Zunehmend interessant werden Unternehmen, die sich in Nischenbereichen etablieren. Dazu gehört beispielsweise Genescan. Das Unternehmen gehört in die Sparte der Genforscher, die ihre Forschungsergebnisse an andere Unternehmen verkaufen.
Was der private Anleger stets im Hinterkopf behalten sollte, ist die Konkurrenz auf dem Parkett. Diese ist gerade bei den Biotechs groß und mächtig. Der Kleinaktionär befindet sich nicht nur unter seinesgleichen. Große Chemie- und Pharma-Konzerne sind pm Bereich der Biotechnologie auf der Suche nach lukrativen Investitionsmöglichkeiten und bestimmen die Kurse.
Darüber hinaus ist die Branche hochsensibel. Bill Clinton führte im vergangenen Jahr einen Kurssturz der US-Biotech-Aktien herbei, indem er Zweifel über die Rechtmäßigkeit an Genpatenten äußerte. Und auch in Deutschland wird kontrovers in Sachen Ethik diskutiert. Politiker und Unternehmer bestimmen die Zukunft des Marktes quasi im Alleingang. Wer sein Geld nicht gleich verbrennen will, muss sich also ständig auf dem Laufenden halten.