Nach "Führer, wir folgen Dir!" und "Ich bin gegen alles!" heißt die neuste Parole: "Reich mit Aktien!" – und das ruckzuck. Wenn's schief geht: Kein Problem! Einfach noch ein Jahr sparen, oder mit einem Kredit erneut auf LOS ziehen. Sie wissen doch: Es ist noch kein erfolgreicher Aktionär vom Himmel gefallen - nur Börsen-Nieten regnet es manchmal.
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Guter Titel
Früher war alles anders. Wenn man beiläufig andeutete, dass man sich für Aktien interessierte, ratterten die Menschen nicht wie aus der Pistole geschossen die Kennziffern ihrer Wertpapiere herunter. Statt dessen erzählten sie einem früher diese Geschichte von dem einstmals gutsituierten und erfolgreichen Geschäftsmann. Drohend. Denn der habe sich 'auch' an der Börse verspekuliert und musste dann, so die Mär, arm und hungrig unter einer Brücke nächtigen.
Alles Ammenmärchen. So viele Brücken gab es schon damals nicht, um all die ehemals gutsituierten Geschäftsleute unterzubringen, die angeblich mit Aktien pleite gegangen sein sollen. Und wer heute in Frankfurt an den gläsernen Hochhäusern vorbeischlendert, dem werden keineswegs Berge zerschmetterter Depotmanager auffallen.
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Besserer Titel
Vielmehr entwickeln sich inzwischen auch Friseursalons, VHS-Malkurse und die Wartezimmer der Arztpraxen zu Vorposten von Frankfurt, London und New York. Selbst in der Kneipe kicken sich England, Deutschland und Italien mühevoll ins Finale, ohne das der Stammtischler noch hingucken würde: Statt dessen huschen schmutzige Fingernägel über kleingedruckte Zahlenkolonnen im FAZ-Wirtschaftsteil, grobe Hände klappen WAP-Handys auf und mindestens einer fragt den Wirt, ob er mal eben auf n-tvumschalten könnte. Zwar wird noch gezockt, aber längst nicht mehr im Skat.
Und auch die Medien stellen um. Früher gab es noch die Story vom amoklaufenden Ehemann, der seine Frau in handlichen Paketen im Gefrierfach lagerte, bloß weil die ihm den Modemstecker aus der Telefondose gezerrt hatte, während er bei seinem Online-Broker die Erst-Emission von AOL, Palm, RedHat oder Yahoo! zeichnen wollte. Heute verdrängen verheißungsvolle Erfolgsbranchen jeden Skandal vom Titel, und auch sonst belagern zunehmend Börsenzeitungen, Wirtschaftsmagazine und alle möglichen anderen Arten hündisch ergebener Tippgeber die Kioske.
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Ah, die Konkurrenz kommt, neue Ideen müssen her...
Dass da den Kleinbürgern die Dollarzeichen aus den Augen leuchten wie einst Dagobert Duck - wer kann es ihnen verdenken? Doch zitieren wir lieber kurz André Kostolany mit dem Satz "Wenn es die Wirtschaftspresse nicht gäbe, brauchte man sie nicht zu erfinden.". Nehmen wir dann so ein Wertpapier und gucken uns mal einen Durchschnittstag in Ihrem Leben als frischgebackener Depotbesitzer an.
Die ARIVA-Aktie
Die hypothetische ARIVA-Aktie startet mit einem offiziellen Preis von 41 Euro. Als regelmäßiger ARIVA-Poster kriegen Sie sie für 40, erhalten aber bloß 50 Stück. Ergo haben Sie 2000 Euro investiert. Immerhin. Lässig setzen Sie sich vor Ihre zwei Fernseher, links n-tv, rechts N24. Vor Ihnen liegen Handelsblatt und Financial Times. Das Radio im Bad quäkt aktuelle Kurse durch Ihre Bude, und auch online klappern Ihre Schritte in Realtime übers Parkett, selbst Ihr Webbrowser schaufelt Charts auf den Screen.
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Antizyklisch investieren, ARIVAkaufen!
Minuten vergehen, der Ticker rast von rechts nach links. Die Spannung steigt, und Sie schwitzen wie eine Sau. Die ARIVA-Aktie – Ihr Hoffnungsträger - zieht an, langsam, aber der Zug fährt los. 41 Euro, 42, die Stunden vergehen, 44, 48 (wow!), 44 (Oh Gott!), dann wieder 48, 52, 56, 57, Stunden vergehen, 57, 57, es geht nichts vorwärts, 57, während die Zeit davonrennt, doch da: 58 und schließlich 60 Euro!
Es ist 17 Uhr 30. Die Aktie steht bei 60 Euro. Halten? Oder verkaufen?
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Scheinbar ein Crash, in Wirklichkeit das bullige Signal zum Boom!
Ihre Knie schlottern, denn gleich könnte der Kurs wieder einbrechen! Vor allem, weil gerade bekannt wurde, dass ... die ARIVA-Macher ... sich die Nase geputzt hat! Oh Gott! Die Nase! Wie geht's weiter mit ARIVA? – Hier schlägt nun die Stunde der Mediengeier, und sie schlagen konzertiert zu: ARD-Videotext: "ARIVA mangelt es an Kursfantasie", n-tv: "Ist ARIVA am Ende?", N24: "ARIVA-Shareholder von tödlichem E-Mail-Virus infiziert!", Financial Times online: "ARIVA-Aktie krankt am Management", BILD: "Fliegende Mutant-Piranhas legten ARIVA-Server lahm!", "SPIEGEL-Online: "ARIVA? – Kennwer nich. Aber Börse im Internet finden wir ja auch nicht, und hey: fünf Buchstaben vor dem .de einzugeben ist ja schon recht schwer...".
Also verkaufen! Verkaufen! Los, Broker anrufen! Besetzt? Was ist da... noch mal... es tutet, ... noch mal, Wahlwiederholung, 17:45... wieso rührt sich da... das ist doch... – Sie wählen wie verrückt, Schweißbäche gurgeln unter Ihren Achselhöhlen hervor... und da! Ja! Sie haben Glück und kommen durch und könnten das miese Dreckspapier bei 50 Euro abstoßen! Hurra!
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Prägnanter Titel; bringt es auf den Punk.
Okay, nun kommen Sie wieder runter: Ihr Tagesausflug auf dem Börsenparkett verschafft Ihnen 10 Euro Gewinn pro Aktie, Sie machen also mit 50 Papieren einen satten Schnitt von 500 Euro Davon kassiert der Fiskus am Ende vom Jahr die Hälfte, bleiben Ihnen noch 250 Euro. Wow! Coole Sache, das: 250 Euro für einen Tag Arbeit. Da müssen Sie ja bloß noch Telefongebühren, Depotgebühren, Transaktionsgebühren, die Zeitungen und Ihre Arbeitszeit abziehen, und dann werden Sie sehr schnell merken, dass sie besser an der Ecke da drüben Schnürsenkel und Bleistifte verkauft hätten.
Also alles Lüge? Keineswegs, denn es gibt tatsächlich Situationen, wo es sich wirklich lohnt, Aktien zu besitzen.
Situation 1: Sie arbeiten in der ‚New Economy‘
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Ein bisschen sehr schleimig-anbiedernd, aber okay.
Das ist ein Modewort und bedeutet: Ihre Firma stellt nichts her und ist Stammkunde beim Pizzaservice. Sie und Ihre Kollegen schocken Geschäftskunden in Meetings mit Shorts und Hawaii-Hemden, dafür meeten Sie aber auch Abends und am Wochenende, und Sie bringen Ihre eigenen Matratzen mit ins Büro. Ihr Chef hält Business-Pläne für Old-Economy-Mumpitz und ‚Return on Investment‘ für einen Begriff aus dem Tennis. Das Unternehmen macht pro Jahr 150 Millionen Miese, ist an der Börse aber trotzdem 15 Milliarden Dollar wert.
Und weil Sie ganz am Anfang, als der Kurs noch bei 2 Euro stand, die Hälfte ihres 2000-Euro-Bruttogehalts in einst wertlosen Aktienoptionen gekriegt haben, sind Sie heute, nach dem Boom, ein gemachter Mensch. Solange Sie ihre 10.000 Aktien, die sich in zwei Jahren Knechtschaft bei 80 Stunden die Woche angesammelt haben, nicht verkaufen. Denn wenn Sie das tun, dann crasht der Kurs, und zwischen dem Verkauf Ihrer ersten Aktie und dem Ihrer letzten sinkt der Kurs von 100 auf 50 Euro. Reicht aber auch, gell?
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Ja! Endlich! Mut zu Nischen-Titeln!
Situation 2: Sie arbeiten bei Siemens, Post o.ä.
Wenn Sie in einem Unternehmen arbeiten, dessen holziges Beamtentum, starrsinnige Ineffektivität und geistige Fettarschigkeit inzwischen – und trotz sündhaft teurer Image-Werbekampagnen – Bestandteil deutscher Redewendungen sind, beispielsweise bei der Deutschen Post, bei Siemens, der Deutschen Telekom oder in der Auto- oder Stahlindustrie, auch dann sollten Sie dringend Aktien Ihres Arbeitgebers kaufen. (Allerdings müssen Sie das dann selbst tun. Sie werden zwar fürstlich bezahlt für die 32,2 Stunden, die Sie pro Woche absitzen und telefonische, postalische oder persönliche Kundenanfragen ignorieren, aber Stock Options sind dort noch immer eine Sache der Selbstbedienung in der Chefetage.)
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Tja, jeder hat das Recht... naja.... Hey, war das nötig?
Warum sollten Sie sich da ganz dringend Aktien kaufen? Einfach weil die Chance sehr hoch ist, dass man Produktivitätsschmarotzer wie Sie demnächst rausschmeißt: im Zuge diverser Fusionen und Shareholder-Value-Optimierungen, wegen der Globalisierung, der Rezession, der Inflation, dem internationalen Wettbewerb und all dem anderen Quatsch, den Wirtschaftslügner nicht müde werden, im Fernsehen unhinterfragt zu verbreiten. Und weil Sie, anders als die Burger-Esser, nicht freiwillig auf Ihren Urlaub verzichten, und weil Sie, anders als die Sushi-Esser, sich im Falle eines Versagens nicht selbst aus dem Rentensystem zu säbeln pflegen, weil Sie alles in allem also verdammt ineffektiv sind, wird Ihre Entlassung den Börsenkurs Ihres Brötchengebers gewiss nach oben treiben.
Wenn Sie dann arbeitslos zu Hause hocken, dann haben Sie alle Zeit der Welt, auf n-tv und N24 die aktuellen Börsenkurse Ihrer Ex-Arbeitgeber zu verfolgen. Oder sich auf Aktionärsversammlungen mal so richtig den Bauch voll zu schlagen. Und das ohne Existenzangst: Denn Ihre Stütze wird ja von denen verdient, die nicht gefeuert wurden und keine Zeit für Aktienspekulation haben. Das ist doch nur gerecht, oder?
Die neue Lust am Big Business
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Der Frühe Vogel fängt den Wurm!
Also: Werden Sie Aktionär! Es lohnt sich! Spannung und Abenteuer, und das tolle Gefühl, Teil einer boomenden Wirtschaft zu sein – all das kann Ihnen gehören. Doch hüten Sie sich vor zwei Fehlern.
Fehler Nummer 1: Wollen statt tun. Sie nehmen sich vor, demnächst Aktien zu kaufen. Sie erzählen jedem, Sie wollten sich demnächst Aktien kaufen. Um sich vorzubereiten, kaufen Sie Aktienbücher und Börsenzeitschriften und Wirtschaftstageszeitungen und Chartsoftware und all das. Aber keine Aktien. Das aber macht nur die Presse reich.
Fehler Nummer 2: Rennen sie nicht jeder Markt-Hype hinterher. Telekom, T-Online, die Post oder Siemens - klar, das sind alles topinnovative Firmen, die das Internet quasi im Alleingang erfunden haben (in Zusammenarbeit mit der CSU). Weil aber die Amateuraktionäre von Funk, Fernsehen und Presse auch erst mit diesen Volksaktien kapierten, was Sache ist, ist ständig nur von diesen Aktien die Rede.
Die Folge: Millionen einst anständiger Bausparer rennen zu ihren Banken, um die begehrten Papiere zu ergattern. Kurz darauf ist die Aktie das, was man ‚überzeichnet‘ nennt. Heißt: Zu viele Dödel haben sich zum Kaufen angemeldet, so dass der Kurs erstens völlig unberechtigterweise in den Himmel schießt, zweitens kaum jemand eine Aktie bekommt, oder von den 1000 bestellten nur magere 50 ins Depot plätschern.
Deshalb gehen besonders schlaue Füchse schnell dazu über, gleich 20000 statt 1000 Aktien zu bestellen, um nicht nur 50, sondern wenigstens 1000 Aktien zu kriegen. Infolge dessen sind die Aktien noch überzeichneter als ohnehin schon.
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Eben. Auch wichtig: Titel für Geschädigte.
Übrigens: Wenn das schon zuviel Mathematik für Sie war, sollten Sie es mal mit einem Sparbuch probieren - die satten 1,1 Prozent Erträge lindern immerhin die Auswirkung von Inflation und Camembert-Euro.
Buzzwords
Ob Friseure oder Metzger, ob Politiker oder Harald Schmidt: Auch Schlaumeier, die gar keine Aktien haben oder von diesem ganzen Business nichts verstehen, meinen neuerdings, trotzdem mitreden zu müssen. (So wie ich hier gerade.)
Wenn Sie auch zu diesen Schlaumeiern gehören wollen, dann brauchen Sie ein paar Buzzwords und Key Phrases, um stets zu signalisieren, dass Sie - eigentlich - mitreden *könnten*, wenn, ja, wenn Sie nicht gerade so damit beschäftigt wären, aus dem kryptischen Kursdiagramm und anderen Fundamentalwerten den exakten Wert Ihrer hochriskanten Optionsscheine zu extrapolieren.
"Internet und Linux sind die Raketen im Neuen Markt." – nein, das sagen Sie besser nicht mehr, denn die Zeiten sich schlicht vorbei, es sei denn, Sie trauen den Börsenseiten von BILD und TAZ. (Können Sie: Wenn genug Leute auf einen Zug aufspringen, fährt er quasi von selber los.)
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Ja, gebt uns Strategien!
"WAP - Naja, ich denke, das wird ein Flop." Das sollten Sie nicht sagen, auch wenn Sie ein WAP-Handy haben und wissen (eben weil Sie es gesehen haben), dass es ein Flop ist. Nein, Sie sagen: "WAP – Ja, egal, welche Firma: ein todsicherer Wert." Denn in der Börse ist es ja doch so, dass wenn nur genug Schafe in eine Richtung strömen, dann bewegt sich die Börse wie von selbst dahin und gibt den Schafen recht.
Immer gut sind eingeflechtete Knowhow-Fetzen wie "Naja, Blue-Chips sind ja eher was für zahnlose Omis." oder "Seit ich Optionsscheine habe, brauche ich keinen Sex mehr." oder "Ich setz‘ voll auf Gaps in den Emerging Markets." oder auch "Was soll ich mit ner Depotsoftware? Für Trendkanäle habe ich nen Blick".
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Ja, gebt uns _neue_ Strategien!
So, das Wichtigste wissen Sie nun. Gelegentlich noch ein "Jaja, der Asien-Markt" einstreuen und dabei weise nicken, ab und zu ein "Wart erst die Rezession ab, mein Junge." zublinzeln, hie und da ein "Ich sag nur: Biotechnik." oder "Sicherheitswerte: Der nächste E-Mail-Wurm kommt bestimmt." fallen lassen, und jeder wird Sie für einen Kenner halten. Dazu noch die üblichen 'Bullen' und 'Bären' und ‚Puts‘ und ‚Calls‘ und ‚Ratings‘ und ‚Bonds‘ und ‚Fantasie‘ und ‚Volatilität‘ und 'kontrazyklisch', und die Sache ist geritzt.
Sie müssen wirklich nicht rechnen können. Hauptsache, Sie kennen die Sprüche. ("Wenn die ihr IPO machen, Du, wirklich, ey: dann geh ich da voll rein.")
Eine letzte Warnung
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Bitte, ey, nicht schon wieder Strategien...
Wie Sie vielleicht schon kapiert haben: Mit Aktien machen Sie nur dann Kohle, wenn Ihnen das Geld ohnehin schon aus den Ohren wächst. Wenn Sie aber zu denen gehören, die bloß ein paar Groschen zusammengespart haben, sagen wir mal: 5000 bis 20.000 Mark, wenn Sie also bei vielen Banken schon den Kundenstatus ‚Sozialfall‘ haben, dann sollten Sie die Finger davon lassen.
Andernfalls passiert folgendes: Eine Aktiengesellschaft geht an die Börse. Dazu haut sie ein paar Millionen zukünftigen Aktionärskapitals für nervtötende Werbung auf den Kopf, die Sie davon überzeugen soll, wie toll diese Aktien sind (Infenion, Deutsche Post, Telekom). Aber das darf man ihnen nicht vorwerfen: Schließlich hauen die das später auch auf den Kopf, um Sie bei feindlichen Übernahmen davon zu überzeugen, Ihre Aktien einzutauschen (Vodaphone). Oder sie hauen es auf den Kopf, Sie davon zu überzeugen, nicht einzutauschen (Mannesmann). Egal. Verglichen mit den Jahresgehältern der Vorstände oder gelegentlichen Fehlinvestitionen bayerischer Automobilhersteller sind das eh alles Peanut-Brösel.
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Also, hey, Leute: Verkauft sich die Scheisse etwa immer noch???
Zurück zur Börse: Das gehypte Papier erreicht den Handel zum Kurs von 10 Euro. Für 10 Eurokaufen es Großbanken und Fondsmanager, für 10 Cent mehr die Börsenprofis. Der Kurs steigt. Inzwischen sind Sie aufgestanden, reiben sich die Augen und denken: "Aufspringen erst, wenn der Zug Fahrt aufgenommen hat!". Die Leute, die für 10 Euro 10 eingestiegen sind, tauchen in Talkshows und Telefonhotlines auf und sagen, diese Aktie wäre der Tagestipp überhaupt. Der Kurs steigt. Sie zaudern. Denn wenn der Tipp schon im Fernsehen kommt, denken Sie sich, kann er nichts mehr wert sein.
Als die Aktie um 9:30 satte 20 Euro kostet, steigen Sie endlich ein. Millionen von Trotteln tun dasselbe, weswegen der Kurs bis 11 Uhr in die Höhe schnellt und bei 40 Euro liegt. Sie reiben sich die Hände: Einsatz verdoppelt! Heissa!
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Ah, die alten Trittbrettfahrer versuchen, gegen den Strom zu schwimmen...
Kurz bevor die Börsenspezialisten der Fonds und Grossbanken im Gourmet-Tempel für sehr viel Geld sehr wenig Essen zu sich nehmen, verkaufen die ihre Aktien. Da es sich um wenige Börsenprofis, aber sehr, sehr viele Aktien handelt, machen diese Jungs genau den satten Schnitt, von dem Sie nur träumen. Und: Der Kurs bricht ein. 35 Euro, 30 Euro, 25 Euro. 20 Euro, Oh Gott!, 15 Euro, 10 Euro 10, 9 Euro 90...
Sie fragen sich: Soll ich verkaufen oder nicht? "Nicht in ein fallendes Messer greifen!" sagt die Börsenweisheit. Das klingt ja irgendwo einleuchtend, aber was bedeutet es? Hastig blättern Sie in Ihren zehn Reich-durch-Aktien-Büchern und zögern: Immerhin würden Sie 50 Prozent Verlust machen! Vielleicht kommt der Kurs ja doch wieder auf die Beine? - Indes sinkt der Kurs weiter. Und weiter. Und weiter.
Bei 2 Euro verkaufen Sie weinend alle ihre Aktien, damit vom investierten S-Klasse-Mercedes wenigstens ein Nissan Micra übrig bleibt. (Da sind Sie nicht allein. Der Kurs crasht deswegen auf 10 Cent. Jetzt greifen die Profis wieder zu, und müssen dazu nur Promille ihres Gewinnes vom Vormittag investieren. Dann warten sie bis zum nächsten Tag, wenn Tölpel wie Sie wieder auf fahrende Züge aufspringen.)
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Danke - gibt's die Gilb-Aktie eigentlich auch Dreilagig?
Bravo! Wieder wurden erfolgreich Hunderttausende von Sparbüchern auf Hunderte von Konten geschniegelter Broker verschoben. Auch wenn Sie nicht zu den Gewinnern gehören, sondern zur Schar der abgezockten Kleinanleger, wissen Sie nun hoffentlich, wie man an der Börse Geld macht.
Denken Sie! Deswegen nehmen Sie Kredite auf. Bei der Bank, bei Freunden, bei Kredithaien. Und investieren wieder... naja, wie es weiter geht? Sie kommen unter einer Brücke zu sich, reich an Erfahrung, aber hungrig.
Gruß
Happy End
zyn
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Guter Titel
Früher war alles anders. Wenn man beiläufig andeutete, dass man sich für Aktien interessierte, ratterten die Menschen nicht wie aus der Pistole geschossen die Kennziffern ihrer Wertpapiere herunter. Statt dessen erzählten sie einem früher diese Geschichte von dem einstmals gutsituierten und erfolgreichen Geschäftsmann. Drohend. Denn der habe sich 'auch' an der Börse verspekuliert und musste dann, so die Mär, arm und hungrig unter einer Brücke nächtigen.
Alles Ammenmärchen. So viele Brücken gab es schon damals nicht, um all die ehemals gutsituierten Geschäftsleute unterzubringen, die angeblich mit Aktien pleite gegangen sein sollen. Und wer heute in Frankfurt an den gläsernen Hochhäusern vorbeischlendert, dem werden keineswegs Berge zerschmetterter Depotmanager auffallen.
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Besserer Titel
Vielmehr entwickeln sich inzwischen auch Friseursalons, VHS-Malkurse und die Wartezimmer der Arztpraxen zu Vorposten von Frankfurt, London und New York. Selbst in der Kneipe kicken sich England, Deutschland und Italien mühevoll ins Finale, ohne das der Stammtischler noch hingucken würde: Statt dessen huschen schmutzige Fingernägel über kleingedruckte Zahlenkolonnen im FAZ-Wirtschaftsteil, grobe Hände klappen WAP-Handys auf und mindestens einer fragt den Wirt, ob er mal eben auf n-tvumschalten könnte. Zwar wird noch gezockt, aber längst nicht mehr im Skat.
Und auch die Medien stellen um. Früher gab es noch die Story vom amoklaufenden Ehemann, der seine Frau in handlichen Paketen im Gefrierfach lagerte, bloß weil die ihm den Modemstecker aus der Telefondose gezerrt hatte, während er bei seinem Online-Broker die Erst-Emission von AOL, Palm, RedHat oder Yahoo! zeichnen wollte. Heute verdrängen verheißungsvolle Erfolgsbranchen jeden Skandal vom Titel, und auch sonst belagern zunehmend Börsenzeitungen, Wirtschaftsmagazine und alle möglichen anderen Arten hündisch ergebener Tippgeber die Kioske.
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Ah, die Konkurrenz kommt, neue Ideen müssen her...
Dass da den Kleinbürgern die Dollarzeichen aus den Augen leuchten wie einst Dagobert Duck - wer kann es ihnen verdenken? Doch zitieren wir lieber kurz André Kostolany mit dem Satz "Wenn es die Wirtschaftspresse nicht gäbe, brauchte man sie nicht zu erfinden.". Nehmen wir dann so ein Wertpapier und gucken uns mal einen Durchschnittstag in Ihrem Leben als frischgebackener Depotbesitzer an.
Die ARIVA-Aktie
Die hypothetische ARIVA-Aktie startet mit einem offiziellen Preis von 41 Euro. Als regelmäßiger ARIVA-Poster kriegen Sie sie für 40, erhalten aber bloß 50 Stück. Ergo haben Sie 2000 Euro investiert. Immerhin. Lässig setzen Sie sich vor Ihre zwei Fernseher, links n-tv, rechts N24. Vor Ihnen liegen Handelsblatt und Financial Times. Das Radio im Bad quäkt aktuelle Kurse durch Ihre Bude, und auch online klappern Ihre Schritte in Realtime übers Parkett, selbst Ihr Webbrowser schaufelt Charts auf den Screen.
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Antizyklisch investieren, ARIVAkaufen!
Minuten vergehen, der Ticker rast von rechts nach links. Die Spannung steigt, und Sie schwitzen wie eine Sau. Die ARIVA-Aktie – Ihr Hoffnungsträger - zieht an, langsam, aber der Zug fährt los. 41 Euro, 42, die Stunden vergehen, 44, 48 (wow!), 44 (Oh Gott!), dann wieder 48, 52, 56, 57, Stunden vergehen, 57, 57, es geht nichts vorwärts, 57, während die Zeit davonrennt, doch da: 58 und schließlich 60 Euro!
Es ist 17 Uhr 30. Die Aktie steht bei 60 Euro. Halten? Oder verkaufen?
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Scheinbar ein Crash, in Wirklichkeit das bullige Signal zum Boom!
Ihre Knie schlottern, denn gleich könnte der Kurs wieder einbrechen! Vor allem, weil gerade bekannt wurde, dass ... die ARIVA-Macher ... sich die Nase geputzt hat! Oh Gott! Die Nase! Wie geht's weiter mit ARIVA? – Hier schlägt nun die Stunde der Mediengeier, und sie schlagen konzertiert zu: ARD-Videotext: "ARIVA mangelt es an Kursfantasie", n-tv: "Ist ARIVA am Ende?", N24: "ARIVA-Shareholder von tödlichem E-Mail-Virus infiziert!", Financial Times online: "ARIVA-Aktie krankt am Management", BILD: "Fliegende Mutant-Piranhas legten ARIVA-Server lahm!", "SPIEGEL-Online: "ARIVA? – Kennwer nich. Aber Börse im Internet finden wir ja auch nicht, und hey: fünf Buchstaben vor dem .de einzugeben ist ja schon recht schwer...".
Also verkaufen! Verkaufen! Los, Broker anrufen! Besetzt? Was ist da... noch mal... es tutet, ... noch mal, Wahlwiederholung, 17:45... wieso rührt sich da... das ist doch... – Sie wählen wie verrückt, Schweißbäche gurgeln unter Ihren Achselhöhlen hervor... und da! Ja! Sie haben Glück und kommen durch und könnten das miese Dreckspapier bei 50 Euro abstoßen! Hurra!
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Prägnanter Titel; bringt es auf den Punk.
Okay, nun kommen Sie wieder runter: Ihr Tagesausflug auf dem Börsenparkett verschafft Ihnen 10 Euro Gewinn pro Aktie, Sie machen also mit 50 Papieren einen satten Schnitt von 500 Euro Davon kassiert der Fiskus am Ende vom Jahr die Hälfte, bleiben Ihnen noch 250 Euro. Wow! Coole Sache, das: 250 Euro für einen Tag Arbeit. Da müssen Sie ja bloß noch Telefongebühren, Depotgebühren, Transaktionsgebühren, die Zeitungen und Ihre Arbeitszeit abziehen, und dann werden Sie sehr schnell merken, dass sie besser an der Ecke da drüben Schnürsenkel und Bleistifte verkauft hätten.
Also alles Lüge? Keineswegs, denn es gibt tatsächlich Situationen, wo es sich wirklich lohnt, Aktien zu besitzen.
Situation 1: Sie arbeiten in der ‚New Economy‘
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Ein bisschen sehr schleimig-anbiedernd, aber okay.
Das ist ein Modewort und bedeutet: Ihre Firma stellt nichts her und ist Stammkunde beim Pizzaservice. Sie und Ihre Kollegen schocken Geschäftskunden in Meetings mit Shorts und Hawaii-Hemden, dafür meeten Sie aber auch Abends und am Wochenende, und Sie bringen Ihre eigenen Matratzen mit ins Büro. Ihr Chef hält Business-Pläne für Old-Economy-Mumpitz und ‚Return on Investment‘ für einen Begriff aus dem Tennis. Das Unternehmen macht pro Jahr 150 Millionen Miese, ist an der Börse aber trotzdem 15 Milliarden Dollar wert.
Und weil Sie ganz am Anfang, als der Kurs noch bei 2 Euro stand, die Hälfte ihres 2000-Euro-Bruttogehalts in einst wertlosen Aktienoptionen gekriegt haben, sind Sie heute, nach dem Boom, ein gemachter Mensch. Solange Sie ihre 10.000 Aktien, die sich in zwei Jahren Knechtschaft bei 80 Stunden die Woche angesammelt haben, nicht verkaufen. Denn wenn Sie das tun, dann crasht der Kurs, und zwischen dem Verkauf Ihrer ersten Aktie und dem Ihrer letzten sinkt der Kurs von 100 auf 50 Euro. Reicht aber auch, gell?
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Ja! Endlich! Mut zu Nischen-Titeln!
Situation 2: Sie arbeiten bei Siemens, Post o.ä.
Wenn Sie in einem Unternehmen arbeiten, dessen holziges Beamtentum, starrsinnige Ineffektivität und geistige Fettarschigkeit inzwischen – und trotz sündhaft teurer Image-Werbekampagnen – Bestandteil deutscher Redewendungen sind, beispielsweise bei der Deutschen Post, bei Siemens, der Deutschen Telekom oder in der Auto- oder Stahlindustrie, auch dann sollten Sie dringend Aktien Ihres Arbeitgebers kaufen. (Allerdings müssen Sie das dann selbst tun. Sie werden zwar fürstlich bezahlt für die 32,2 Stunden, die Sie pro Woche absitzen und telefonische, postalische oder persönliche Kundenanfragen ignorieren, aber Stock Options sind dort noch immer eine Sache der Selbstbedienung in der Chefetage.)
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Tja, jeder hat das Recht... naja.... Hey, war das nötig?
Warum sollten Sie sich da ganz dringend Aktien kaufen? Einfach weil die Chance sehr hoch ist, dass man Produktivitätsschmarotzer wie Sie demnächst rausschmeißt: im Zuge diverser Fusionen und Shareholder-Value-Optimierungen, wegen der Globalisierung, der Rezession, der Inflation, dem internationalen Wettbewerb und all dem anderen Quatsch, den Wirtschaftslügner nicht müde werden, im Fernsehen unhinterfragt zu verbreiten. Und weil Sie, anders als die Burger-Esser, nicht freiwillig auf Ihren Urlaub verzichten, und weil Sie, anders als die Sushi-Esser, sich im Falle eines Versagens nicht selbst aus dem Rentensystem zu säbeln pflegen, weil Sie alles in allem also verdammt ineffektiv sind, wird Ihre Entlassung den Börsenkurs Ihres Brötchengebers gewiss nach oben treiben.
Wenn Sie dann arbeitslos zu Hause hocken, dann haben Sie alle Zeit der Welt, auf n-tv und N24 die aktuellen Börsenkurse Ihrer Ex-Arbeitgeber zu verfolgen. Oder sich auf Aktionärsversammlungen mal so richtig den Bauch voll zu schlagen. Und das ohne Existenzangst: Denn Ihre Stütze wird ja von denen verdient, die nicht gefeuert wurden und keine Zeit für Aktienspekulation haben. Das ist doch nur gerecht, oder?
Die neue Lust am Big Business
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Der Frühe Vogel fängt den Wurm!
Also: Werden Sie Aktionär! Es lohnt sich! Spannung und Abenteuer, und das tolle Gefühl, Teil einer boomenden Wirtschaft zu sein – all das kann Ihnen gehören. Doch hüten Sie sich vor zwei Fehlern.
Fehler Nummer 1: Wollen statt tun. Sie nehmen sich vor, demnächst Aktien zu kaufen. Sie erzählen jedem, Sie wollten sich demnächst Aktien kaufen. Um sich vorzubereiten, kaufen Sie Aktienbücher und Börsenzeitschriften und Wirtschaftstageszeitungen und Chartsoftware und all das. Aber keine Aktien. Das aber macht nur die Presse reich.
Fehler Nummer 2: Rennen sie nicht jeder Markt-Hype hinterher. Telekom, T-Online, die Post oder Siemens - klar, das sind alles topinnovative Firmen, die das Internet quasi im Alleingang erfunden haben (in Zusammenarbeit mit der CSU). Weil aber die Amateuraktionäre von Funk, Fernsehen und Presse auch erst mit diesen Volksaktien kapierten, was Sache ist, ist ständig nur von diesen Aktien die Rede.
Die Folge: Millionen einst anständiger Bausparer rennen zu ihren Banken, um die begehrten Papiere zu ergattern. Kurz darauf ist die Aktie das, was man ‚überzeichnet‘ nennt. Heißt: Zu viele Dödel haben sich zum Kaufen angemeldet, so dass der Kurs erstens völlig unberechtigterweise in den Himmel schießt, zweitens kaum jemand eine Aktie bekommt, oder von den 1000 bestellten nur magere 50 ins Depot plätschern.
Deshalb gehen besonders schlaue Füchse schnell dazu über, gleich 20000 statt 1000 Aktien zu bestellen, um nicht nur 50, sondern wenigstens 1000 Aktien zu kriegen. Infolge dessen sind die Aktien noch überzeichneter als ohnehin schon.
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Eben. Auch wichtig: Titel für Geschädigte.
Übrigens: Wenn das schon zuviel Mathematik für Sie war, sollten Sie es mal mit einem Sparbuch probieren - die satten 1,1 Prozent Erträge lindern immerhin die Auswirkung von Inflation und Camembert-Euro.
Buzzwords
Ob Friseure oder Metzger, ob Politiker oder Harald Schmidt: Auch Schlaumeier, die gar keine Aktien haben oder von diesem ganzen Business nichts verstehen, meinen neuerdings, trotzdem mitreden zu müssen. (So wie ich hier gerade.)
Wenn Sie auch zu diesen Schlaumeiern gehören wollen, dann brauchen Sie ein paar Buzzwords und Key Phrases, um stets zu signalisieren, dass Sie - eigentlich - mitreden *könnten*, wenn, ja, wenn Sie nicht gerade so damit beschäftigt wären, aus dem kryptischen Kursdiagramm und anderen Fundamentalwerten den exakten Wert Ihrer hochriskanten Optionsscheine zu extrapolieren.
"Internet und Linux sind die Raketen im Neuen Markt." – nein, das sagen Sie besser nicht mehr, denn die Zeiten sich schlicht vorbei, es sei denn, Sie trauen den Börsenseiten von BILD und TAZ. (Können Sie: Wenn genug Leute auf einen Zug aufspringen, fährt er quasi von selber los.)
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Ja, gebt uns Strategien!
"WAP - Naja, ich denke, das wird ein Flop." Das sollten Sie nicht sagen, auch wenn Sie ein WAP-Handy haben und wissen (eben weil Sie es gesehen haben), dass es ein Flop ist. Nein, Sie sagen: "WAP – Ja, egal, welche Firma: ein todsicherer Wert." Denn in der Börse ist es ja doch so, dass wenn nur genug Schafe in eine Richtung strömen, dann bewegt sich die Börse wie von selbst dahin und gibt den Schafen recht.
Immer gut sind eingeflechtete Knowhow-Fetzen wie "Naja, Blue-Chips sind ja eher was für zahnlose Omis." oder "Seit ich Optionsscheine habe, brauche ich keinen Sex mehr." oder "Ich setz‘ voll auf Gaps in den Emerging Markets." oder auch "Was soll ich mit ner Depotsoftware? Für Trendkanäle habe ich nen Blick".
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Ja, gebt uns _neue_ Strategien!
So, das Wichtigste wissen Sie nun. Gelegentlich noch ein "Jaja, der Asien-Markt" einstreuen und dabei weise nicken, ab und zu ein "Wart erst die Rezession ab, mein Junge." zublinzeln, hie und da ein "Ich sag nur: Biotechnik." oder "Sicherheitswerte: Der nächste E-Mail-Wurm kommt bestimmt." fallen lassen, und jeder wird Sie für einen Kenner halten. Dazu noch die üblichen 'Bullen' und 'Bären' und ‚Puts‘ und ‚Calls‘ und ‚Ratings‘ und ‚Bonds‘ und ‚Fantasie‘ und ‚Volatilität‘ und 'kontrazyklisch', und die Sache ist geritzt.
Sie müssen wirklich nicht rechnen können. Hauptsache, Sie kennen die Sprüche. ("Wenn die ihr IPO machen, Du, wirklich, ey: dann geh ich da voll rein.")
Eine letzte Warnung
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Bitte, ey, nicht schon wieder Strategien...
Wie Sie vielleicht schon kapiert haben: Mit Aktien machen Sie nur dann Kohle, wenn Ihnen das Geld ohnehin schon aus den Ohren wächst. Wenn Sie aber zu denen gehören, die bloß ein paar Groschen zusammengespart haben, sagen wir mal: 5000 bis 20.000 Mark, wenn Sie also bei vielen Banken schon den Kundenstatus ‚Sozialfall‘ haben, dann sollten Sie die Finger davon lassen.
Andernfalls passiert folgendes: Eine Aktiengesellschaft geht an die Börse. Dazu haut sie ein paar Millionen zukünftigen Aktionärskapitals für nervtötende Werbung auf den Kopf, die Sie davon überzeugen soll, wie toll diese Aktien sind (Infenion, Deutsche Post, Telekom). Aber das darf man ihnen nicht vorwerfen: Schließlich hauen die das später auch auf den Kopf, um Sie bei feindlichen Übernahmen davon zu überzeugen, Ihre Aktien einzutauschen (Vodaphone). Oder sie hauen es auf den Kopf, Sie davon zu überzeugen, nicht einzutauschen (Mannesmann). Egal. Verglichen mit den Jahresgehältern der Vorstände oder gelegentlichen Fehlinvestitionen bayerischer Automobilhersteller sind das eh alles Peanut-Brösel.
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Also, hey, Leute: Verkauft sich die Scheisse etwa immer noch???
Zurück zur Börse: Das gehypte Papier erreicht den Handel zum Kurs von 10 Euro. Für 10 Eurokaufen es Großbanken und Fondsmanager, für 10 Cent mehr die Börsenprofis. Der Kurs steigt. Inzwischen sind Sie aufgestanden, reiben sich die Augen und denken: "Aufspringen erst, wenn der Zug Fahrt aufgenommen hat!". Die Leute, die für 10 Euro 10 eingestiegen sind, tauchen in Talkshows und Telefonhotlines auf und sagen, diese Aktie wäre der Tagestipp überhaupt. Der Kurs steigt. Sie zaudern. Denn wenn der Tipp schon im Fernsehen kommt, denken Sie sich, kann er nichts mehr wert sein.
Als die Aktie um 9:30 satte 20 Euro kostet, steigen Sie endlich ein. Millionen von Trotteln tun dasselbe, weswegen der Kurs bis 11 Uhr in die Höhe schnellt und bei 40 Euro liegt. Sie reiben sich die Hände: Einsatz verdoppelt! Heissa!
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Ah, die alten Trittbrettfahrer versuchen, gegen den Strom zu schwimmen...
Kurz bevor die Börsenspezialisten der Fonds und Grossbanken im Gourmet-Tempel für sehr viel Geld sehr wenig Essen zu sich nehmen, verkaufen die ihre Aktien. Da es sich um wenige Börsenprofis, aber sehr, sehr viele Aktien handelt, machen diese Jungs genau den satten Schnitt, von dem Sie nur träumen. Und: Der Kurs bricht ein. 35 Euro, 30 Euro, 25 Euro. 20 Euro, Oh Gott!, 15 Euro, 10 Euro 10, 9 Euro 90...
Sie fragen sich: Soll ich verkaufen oder nicht? "Nicht in ein fallendes Messer greifen!" sagt die Börsenweisheit. Das klingt ja irgendwo einleuchtend, aber was bedeutet es? Hastig blättern Sie in Ihren zehn Reich-durch-Aktien-Büchern und zögern: Immerhin würden Sie 50 Prozent Verlust machen! Vielleicht kommt der Kurs ja doch wieder auf die Beine? - Indes sinkt der Kurs weiter. Und weiter. Und weiter.
Bei 2 Euro verkaufen Sie weinend alle ihre Aktien, damit vom investierten S-Klasse-Mercedes wenigstens ein Nissan Micra übrig bleibt. (Da sind Sie nicht allein. Der Kurs crasht deswegen auf 10 Cent. Jetzt greifen die Profis wieder zu, und müssen dazu nur Promille ihres Gewinnes vom Vormittag investieren. Dann warten sie bis zum nächsten Tag, wenn Tölpel wie Sie wieder auf fahrende Züge aufspringen.)
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Danke - gibt's die Gilb-Aktie eigentlich auch Dreilagig?
Bravo! Wieder wurden erfolgreich Hunderttausende von Sparbüchern auf Hunderte von Konten geschniegelter Broker verschoben. Auch wenn Sie nicht zu den Gewinnern gehören, sondern zur Schar der abgezockten Kleinanleger, wissen Sie nun hoffentlich, wie man an der Börse Geld macht.
Denken Sie! Deswegen nehmen Sie Kredite auf. Bei der Bank, bei Freunden, bei Kredithaien. Und investieren wieder... naja, wie es weiter geht? Sie kommen unter einer Brücke zu sich, reich an Erfahrung, aber hungrig.
Gruß
Happy End
zyn