Die Diskussion um die Sanierung unserer Volkswirtschaft nimmt
aus meiner Sicht mittlerweile bizarre Formen an. Das wirkli-
che Problem wird konsequent verdraengt, dafuer wird mit ge-
steigertem Eifer an Scheinproblemen herumgedoktert, was die
Lage jedoch eher schwieriger als besser macht. Doch es ist
natuerlich viel angenehmer, ein Krebsgeschwuer mit Vitamin C
zu behandeln als eine grosse Operation vorzunehmen. Die Hei-
lungschancen sind dabei allerdings nahe null.
Man kann eine kraenkelnde Volkswirtschaft, die einen Export-
ueberschuss aufweist, nicht mit Lohnsenkungen sanieren. Denn
ein Exportueberschuss zeigt an, dass diese Wirtschaft im
internationalen Massstab konkurrenzfaehig ist. Anders waere
es bei einem Defizit. Hier waere es unter Umstaenden
moeglich, dass zu hohe Kosten das verursachende Element der
Krise sind. Bei einem Ueberschuss ist das jedoch unmoeglich.
Denn wo wollen wir ueberhaupt noch hin? Wir sind jetzt schon
Exportweltmeister. So ein kleines Land wie wir – und dann
Exportweltmeister. Wollen wir schon wieder die Welt beherr-
schen? Dieses Mal nicht mit unseren Truppen, sondern mit
unseren Produkten? Ich halte diejenigen, deren Strategie es
ist, ueber Lohnsenkungen und Ausweitung des Exportueber-
schusses unsere Wirtschaft zu sanieren, fuer einen Haufen
unmoralischer Imperialisten. Der haessliche Deutsche – er
kehrt in anderem Gewand wieder zurueck.
Ein weises Sprichwort lautet: Willst du jemandem helfen, dann
gib ihm keinen Fisch, sondern lehre ihn fischen. Umkehr-
schluss: Willst du jemandem schaden, dann behindere ihn beim
Fischenlernen und gib ihm von deinem Fisch ab. Genau das ver-
birgt sich hinter unserer Exportstrategie: Die anderen sollen
es nicht selbst machen, sondern sie sollen unsere Waren kau-
fen. Exportausweitungen eines Landes sind immer Behinderungs-
strategien fuer die anderen.
Unser Problem ist es nicht, dass wir in der Herstellung von
Waren und Dienstleistungen zu schlecht oder zu teuer sind,
sondern unser Problem ist, dass diese Waren im Inland nicht
nachgefragt werden. Und dies hat die folgenden drei Gruende,
die jedoch alle zusammen gehoeren: Die Einkommen der Leute
sind erstens zu gering, zweitens zu ungleich verteilt und
werden drittens aus Zukunftsangst nicht ausgegeben.
Die wirkliche Ursache aller dieser drei Gruende liegt jedoch
auf einer anderen Ebene und darin begruendet, dass von den
vier Produktionsfaktoren, die fuer eine moderne Industrie-
gesellschaft wichtig sind, Arbeit, Boden, Kapital und Real-
investitionen, drei Faktoren immobil sind und nur ein Faktor
mobil ist – dafuer jedoch extrem mobil. In der Konsequenz
dieser Tatsache bedeutet das: Das (international agierende)
Kapital spielt die (nationalen) Oekonomien gegenseitig aus,
um eine immer bessere Rendite zu erzielen.
Nationale Loesungen unser gegenwaertigen Malaise sind daher
ausgeschlossen. Das ist traurig, doch es ist wahr – und
sollte daher auch nicht verschwiegen werden. Es hilft nichts:
Alle Industrielaender muessen gemeinsam einen Kodex finden,
sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen, sonst ist es
irgendwann zu spaet. Wer das nicht glaubt, schaue auf unser
Land: Die Unternehmen machen Rekordgewinne und die Arbeitneh-
mer verzichten auf Teile ihrer Loehne – und trotzdem gehen
die Entlassungen weiter. Die Besteuerung von Arbeit liegt auf
historischem Rekordhoch, die Kapitalbesteuerung dagegen ist
selbst unter SPD-Regie (!) auf die Haelfte des Normalsatzes
abgesenkt worden.
Der Marktliberalismus steht an der Schwelle seines eigenen
Versagens. Der Zauberbesen ist ausser Kontrolle und fuehrt
zur Verarmung breiter Massen. Wenn wir das Kapital nicht wie-
der in den Griff bekommen, dann werden sich Chinas Loehne und
Europas Loehne binnen der naechsten zwanzig Jahre auf ein
Gleichgewichtsniveau einpendeln. Zum Glueck hat wenigstens
China Kapitalverkehrskontrollen. Wir sollen ihnen nacheifern.
Denn nur von den Gewinnern zu lernen, heisst, auch selbst
wieder zum Gewinner werden zu koennen.
(Quelle: doersam-briefe.de)
So long,
Calexa
www.investorweb.de
aus meiner Sicht mittlerweile bizarre Formen an. Das wirkli-
che Problem wird konsequent verdraengt, dafuer wird mit ge-
steigertem Eifer an Scheinproblemen herumgedoktert, was die
Lage jedoch eher schwieriger als besser macht. Doch es ist
natuerlich viel angenehmer, ein Krebsgeschwuer mit Vitamin C
zu behandeln als eine grosse Operation vorzunehmen. Die Hei-
lungschancen sind dabei allerdings nahe null.
Man kann eine kraenkelnde Volkswirtschaft, die einen Export-
ueberschuss aufweist, nicht mit Lohnsenkungen sanieren. Denn
ein Exportueberschuss zeigt an, dass diese Wirtschaft im
internationalen Massstab konkurrenzfaehig ist. Anders waere
es bei einem Defizit. Hier waere es unter Umstaenden
moeglich, dass zu hohe Kosten das verursachende Element der
Krise sind. Bei einem Ueberschuss ist das jedoch unmoeglich.
Denn wo wollen wir ueberhaupt noch hin? Wir sind jetzt schon
Exportweltmeister. So ein kleines Land wie wir – und dann
Exportweltmeister. Wollen wir schon wieder die Welt beherr-
schen? Dieses Mal nicht mit unseren Truppen, sondern mit
unseren Produkten? Ich halte diejenigen, deren Strategie es
ist, ueber Lohnsenkungen und Ausweitung des Exportueber-
schusses unsere Wirtschaft zu sanieren, fuer einen Haufen
unmoralischer Imperialisten. Der haessliche Deutsche – er
kehrt in anderem Gewand wieder zurueck.
Ein weises Sprichwort lautet: Willst du jemandem helfen, dann
gib ihm keinen Fisch, sondern lehre ihn fischen. Umkehr-
schluss: Willst du jemandem schaden, dann behindere ihn beim
Fischenlernen und gib ihm von deinem Fisch ab. Genau das ver-
birgt sich hinter unserer Exportstrategie: Die anderen sollen
es nicht selbst machen, sondern sie sollen unsere Waren kau-
fen. Exportausweitungen eines Landes sind immer Behinderungs-
strategien fuer die anderen.
Unser Problem ist es nicht, dass wir in der Herstellung von
Waren und Dienstleistungen zu schlecht oder zu teuer sind,
sondern unser Problem ist, dass diese Waren im Inland nicht
nachgefragt werden. Und dies hat die folgenden drei Gruende,
die jedoch alle zusammen gehoeren: Die Einkommen der Leute
sind erstens zu gering, zweitens zu ungleich verteilt und
werden drittens aus Zukunftsangst nicht ausgegeben.
Die wirkliche Ursache aller dieser drei Gruende liegt jedoch
auf einer anderen Ebene und darin begruendet, dass von den
vier Produktionsfaktoren, die fuer eine moderne Industrie-
gesellschaft wichtig sind, Arbeit, Boden, Kapital und Real-
investitionen, drei Faktoren immobil sind und nur ein Faktor
mobil ist – dafuer jedoch extrem mobil. In der Konsequenz
dieser Tatsache bedeutet das: Das (international agierende)
Kapital spielt die (nationalen) Oekonomien gegenseitig aus,
um eine immer bessere Rendite zu erzielen.
Nationale Loesungen unser gegenwaertigen Malaise sind daher
ausgeschlossen. Das ist traurig, doch es ist wahr – und
sollte daher auch nicht verschwiegen werden. Es hilft nichts:
Alle Industrielaender muessen gemeinsam einen Kodex finden,
sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen, sonst ist es
irgendwann zu spaet. Wer das nicht glaubt, schaue auf unser
Land: Die Unternehmen machen Rekordgewinne und die Arbeitneh-
mer verzichten auf Teile ihrer Loehne – und trotzdem gehen
die Entlassungen weiter. Die Besteuerung von Arbeit liegt auf
historischem Rekordhoch, die Kapitalbesteuerung dagegen ist
selbst unter SPD-Regie (!) auf die Haelfte des Normalsatzes
abgesenkt worden.
Der Marktliberalismus steht an der Schwelle seines eigenen
Versagens. Der Zauberbesen ist ausser Kontrolle und fuehrt
zur Verarmung breiter Massen. Wenn wir das Kapital nicht wie-
der in den Griff bekommen, dann werden sich Chinas Loehne und
Europas Loehne binnen der naechsten zwanzig Jahre auf ein
Gleichgewichtsniveau einpendeln. Zum Glueck hat wenigstens
China Kapitalverkehrskontrollen. Wir sollen ihnen nacheifern.
Denn nur von den Gewinnern zu lernen, heisst, auch selbst
wieder zum Gewinner werden zu koennen.
(Quelle: doersam-briefe.de)
So long,
Calexa
www.investorweb.de