Auf die Knie für die Zivilisation?
Die USA geraten wegen der Inhaftierung von al-Qaida-Kämpfern auf Kuba zunehmend unter Druck. Nachdem vor Tagen ein Team des Roten Kreuzes zu einer Inspektionsreise in Guantanamo eintraf, haben jetzt auch die Briten Kritik an dem Großgefängnis unter freiem Himmel geäußert.
London - Noch ist der Ton einigermaßen diplomatisch, doch die bisher feste Bande zwischen den USA und den Briten bekommt Risse. Grund sind die Zustände auf Kuba, wo die USA Kriegsgefangene aus Afghanistan in einem Lager einsperren. Am Sonntag forderte Großbritannien von den USA eine Erklärung zu Fotos, die gefangene Taliban- und al-Qaida-Kämpfer auf dem Boden kniend zeigen. Alle tragen rote Uniformen und sind an den Händen gefesselt. Zusätzlich müssen sie laut den Fotos, die am Sonntag in allen großen Tageszeitungen erschienen, lichtdichte Sichtbrillen und Kopfhörer tragen
In London sorgten die Fotos für Unmut. Die konservative britische Tageszeitung "Daily Mail" titelte am Sonntag bereits recht provokativ: "Verteidigen Blair und Bush so unsere Zivilisation?" fragte die Zeitung öffentlich. Und auch der britische Außenminister reagierte. "Gefangene, unabhängig von ihrem Status, sollten menschlich und in Übereinstimmung mit dem völkerrechtlichen Gewohnheitsrecht behandelt werde", sagte Jack Straw. "Ich habe unsere Vertreter in Guantanamo Bay gebeten, zusammen mit den USA zu klären, unter welchen Umständen diese Fotos aufgenommen wurden." Schon seit Tagen kritisieren Menschenrechtsorganisationen die Zustände in dem Lager. "Ich glaube nicht, dass wir im Kampf gegen den Terrorismus erfolgreich sind, wenn wir Leute öffentlich in der Art behandeln, wie die Fotos es nahelegen", kritisierte der außenpolitische Sprecher der britischen Liberaldemokraten, Menzies Campbell.
Rumsfeld blockt ab
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wies die europäische Kritik an der Behandlung der Gefangenen zurück und sagte, der Umgang mit den Männern sei angemessen. Es sei unfair, davon zu sprechen, dass solche "schweren Terroristen" inhuman behandelt würden, sagte Rumsfeld vor Journalisten. Ohne auf Straws Kritik speziell einzugehen, fügte er hinzu, Kritiker der US-Behandlung wüssten offenbar nicht ausreichend Bescheid. "Meiner Ansicht nach gibt es keinen Zweifel daran, dass sie menschlich und angemessen ist und weitgehend mit der Genfer Konvention übereinstimmt", sagte Rumsfeld.
Die USA verweigern den festgehaltenen al-Qaida- und Taliban-Kämpfern den Status als Kriegsgefangene, deren Rechte in dem Genfer Abkommen über die Behandlung von Kriegsgefangenen von 1949 ausführlich geregelt sind. Menschenrechtsgruppen hatten die USA unter anderem dafür kritisiert, dass die Gefangenen den langen Flug nach Kuba gefesselt und mit verbundenen Augen verbringen mussten, und in offenen, lediglich überdachten Käfigen eingesperrt wurden.
© SPIEGEL ONLINE 2002
(=Kompassnadel)