Fehler im System
Gefahren quantitativer Fonds
Goldman Sachs hat die Milliarden-Finanzspritze für einen kriselnden Fonds bestätigt. Der Fonds zählt zu jenen, die computergesteuerte quantitative Investmentstrategien einsetzen. Hier entscheiden nicht Händler über Kauf oder Verkauf, sondern Wissenschaftler, die mathematische Modelle entwickeln. Doch in der aktuellen Krise versagte das System.
ebe/mm/kol/HB NEW YORK/DÜSSELDORF. Die US-Investmentbank Goldman Sachs muss einen ihrer großen Hedge-Fonds mit einer Milliardensumme stützen. Global Equity Opportunities (Geo) ist einer der Fonds, der computergesteuerte „quantitative Investmentstrategien“ einsetzt. Mehrere dieser so genannten „Quant“- Fonds hatten wegen der massiven Schwankungen und Störungen in den Finanzmärkten und an den globalen Börsen an Wert verloren.
Diese Fonds arbeiten nach Computermodellen, deren Systeme in den turbulenten vergangenen Wochen offensichtlich versagten. Kurse, die nach den errechneten Szenarien hätten steigen sollen, sind plötzlich gesunken und umgekehrt.
Das Wall-Street-Haus sowie mehrere Großanleger investieren nun in den Geo-Fonds drei Mrd. Dollar (2,2 Mrd Euro). Neben Goldman Sachs beteiligten sich an der bisher größten Stützungsmaßnahme für einen Hedge-Fonds Starr & Co., Perry Capital und der US-Milliardär Eli Broad. Der Fonds hatte zuletzt nur noch einen Wert von rund 3,6 Mrd Dollar. Den entstandenen Wertverlust taxieren Branchenexperten auf rund 1,5 Mrd. Dollar.
Ein Sprecher der Bank bestätigte, dass der Geo-Fonds nach einem stabilen Verlauf in 2007 allein in der vergangenen Woche 30 Prozent an Wert verloren habe. Es gehe aber „nicht um eine Rettung, sondern um eine Investitionschance. Wir haben Eigenkapital in den Fonds investiert“, betonte der Sprecher. Die Verluste seines ebenfalls in Schwierigkeiten steckenden Fonds Global Alpha bezifferte Goldman Sachs mit 27 Prozent seit Jahresbeginn – die Hälfte davon in der vergangenen Woche. Das ist ein empfindlicher Rückschlag für die zuletzt von immer neuen Rekordgewinnen verwöhnte Wall-Street-Bank um Konzernchef Lloyd Blankfein.
Bei den quantitativen Fonds wie der Geo von Goldman Sachs entscheiden nicht Händler über Kauf oder Verkauf, sondern Wissenschaftler, die mathematische Modelle entwickeln. Sie suchen im Datenstrom nach Signalen für kleinste Fehlbewertungen, die sich zu Gewinn machen lassen. „Algorithmischer Handel“ wird diese Methode genannt. Investment-Legende und Mathematiker wie James Simons, einem der Pioniere der algorithmischen Fonds, bleibt der Trost, dass es vielen Vertretern dieser Spielart derzeit ähnlich schlecht geht wie seinen Fonds. Neben den Fonds der Investmentbank Goldman Sachs verzeichneten auch die quantitative Hedge-Fonds von AQR Capital Management, Highbridge Capital Management und Tykhe Capital empfindliche Verluste.
Die Misere für die algorithmischen Hedge-Fonds begann Ende Juli, als einige große Spieler wegen der Krise am Kredit- und Anleihemarkt Verluste machten. Das habe die Fonds gezwungen, liquidere Engagements wie Aktien abzustoßen, um Risiken und die Verschuldung zu reduzieren, heißt es in einer Analyse von Lehman Brothers. Die Notverkäufe hätten dazu geführt, dass die von den Fonds verwendeten Modelle nicht mehr funktionierten.
In einem Brief an seine Anteilseigner räumt Simons ein, dass offenbar viele der Fonds die gleichen Kauf- und Verkaufssignale generieren und damit in ohnehin turbulenten Zeiten Markttrends verstärken würden. „Wir haben daraus unsere Lehren gezogen“, sagte auch der Goldman-Sachs-Sprecher.
Der Computerhandel revolutioniert derzeit das Wertpapiergeschäft in den Finanzmetropolen. Eine Studie des IT-Konzerns IBM sagt voraus, dass bis 2015 die Handelssäle verwaist sein werden. 90 Prozent der Händler sollen bis dahin durch Großrechner und vor allem durch die Wissenschaftler, die die Maschinen füttern, ersetzt sein. In den USA läuft bereits heute ein Drittel des Aktienhandels über quantitative Modelle.
Die Aktienmärkte haben die indes Hiobsbotschaften kaum beeindruckt. Nach den Verlusten der vergangenen Tage konnten sowohl der Deutsche Aktienindex als auch der Dow Jones in New York leicht zulegen. Zur Beruhigung der Märkte beigetragen haben erneut Interventionen der Notenbanken. So stellte die Europäische Zentralbank dem Geldmarkt am Montag 47,66 Mrd. Euro an frischem Kapital zur Verfügung, die japanische Zentralbank steuerte 600 Mrd. Yen (3,6 Mrd Euro) bei. Auch die Notenbanken der USA, Kanadas und Australiens stellten erneut Liquidität zur Versorgung der Geschäftsbanken bereit.
Quelle: HANDELSBLATT, Dienstag, 14. August 2007, 07:14 Uhr
¡hasta pronto!
Einsamer Samariter
Gefahren quantitativer Fonds
Goldman Sachs hat die Milliarden-Finanzspritze für einen kriselnden Fonds bestätigt. Der Fonds zählt zu jenen, die computergesteuerte quantitative Investmentstrategien einsetzen. Hier entscheiden nicht Händler über Kauf oder Verkauf, sondern Wissenschaftler, die mathematische Modelle entwickeln. Doch in der aktuellen Krise versagte das System.
ebe/mm/kol/HB NEW YORK/DÜSSELDORF. Die US-Investmentbank Goldman Sachs muss einen ihrer großen Hedge-Fonds mit einer Milliardensumme stützen. Global Equity Opportunities (Geo) ist einer der Fonds, der computergesteuerte „quantitative Investmentstrategien“ einsetzt. Mehrere dieser so genannten „Quant“- Fonds hatten wegen der massiven Schwankungen und Störungen in den Finanzmärkten und an den globalen Börsen an Wert verloren.
Diese Fonds arbeiten nach Computermodellen, deren Systeme in den turbulenten vergangenen Wochen offensichtlich versagten. Kurse, die nach den errechneten Szenarien hätten steigen sollen, sind plötzlich gesunken und umgekehrt.
Das Wall-Street-Haus sowie mehrere Großanleger investieren nun in den Geo-Fonds drei Mrd. Dollar (2,2 Mrd Euro). Neben Goldman Sachs beteiligten sich an der bisher größten Stützungsmaßnahme für einen Hedge-Fonds Starr & Co., Perry Capital und der US-Milliardär Eli Broad. Der Fonds hatte zuletzt nur noch einen Wert von rund 3,6 Mrd Dollar. Den entstandenen Wertverlust taxieren Branchenexperten auf rund 1,5 Mrd. Dollar.
Ein Sprecher der Bank bestätigte, dass der Geo-Fonds nach einem stabilen Verlauf in 2007 allein in der vergangenen Woche 30 Prozent an Wert verloren habe. Es gehe aber „nicht um eine Rettung, sondern um eine Investitionschance. Wir haben Eigenkapital in den Fonds investiert“, betonte der Sprecher. Die Verluste seines ebenfalls in Schwierigkeiten steckenden Fonds Global Alpha bezifferte Goldman Sachs mit 27 Prozent seit Jahresbeginn – die Hälfte davon in der vergangenen Woche. Das ist ein empfindlicher Rückschlag für die zuletzt von immer neuen Rekordgewinnen verwöhnte Wall-Street-Bank um Konzernchef Lloyd Blankfein.
Bei den quantitativen Fonds wie der Geo von Goldman Sachs entscheiden nicht Händler über Kauf oder Verkauf, sondern Wissenschaftler, die mathematische Modelle entwickeln. Sie suchen im Datenstrom nach Signalen für kleinste Fehlbewertungen, die sich zu Gewinn machen lassen. „Algorithmischer Handel“ wird diese Methode genannt. Investment-Legende und Mathematiker wie James Simons, einem der Pioniere der algorithmischen Fonds, bleibt der Trost, dass es vielen Vertretern dieser Spielart derzeit ähnlich schlecht geht wie seinen Fonds. Neben den Fonds der Investmentbank Goldman Sachs verzeichneten auch die quantitative Hedge-Fonds von AQR Capital Management, Highbridge Capital Management und Tykhe Capital empfindliche Verluste.
Die Misere für die algorithmischen Hedge-Fonds begann Ende Juli, als einige große Spieler wegen der Krise am Kredit- und Anleihemarkt Verluste machten. Das habe die Fonds gezwungen, liquidere Engagements wie Aktien abzustoßen, um Risiken und die Verschuldung zu reduzieren, heißt es in einer Analyse von Lehman Brothers. Die Notverkäufe hätten dazu geführt, dass die von den Fonds verwendeten Modelle nicht mehr funktionierten.
In einem Brief an seine Anteilseigner räumt Simons ein, dass offenbar viele der Fonds die gleichen Kauf- und Verkaufssignale generieren und damit in ohnehin turbulenten Zeiten Markttrends verstärken würden. „Wir haben daraus unsere Lehren gezogen“, sagte auch der Goldman-Sachs-Sprecher.
Der Computerhandel revolutioniert derzeit das Wertpapiergeschäft in den Finanzmetropolen. Eine Studie des IT-Konzerns IBM sagt voraus, dass bis 2015 die Handelssäle verwaist sein werden. 90 Prozent der Händler sollen bis dahin durch Großrechner und vor allem durch die Wissenschaftler, die die Maschinen füttern, ersetzt sein. In den USA läuft bereits heute ein Drittel des Aktienhandels über quantitative Modelle.
Die Aktienmärkte haben die indes Hiobsbotschaften kaum beeindruckt. Nach den Verlusten der vergangenen Tage konnten sowohl der Deutsche Aktienindex als auch der Dow Jones in New York leicht zulegen. Zur Beruhigung der Märkte beigetragen haben erneut Interventionen der Notenbanken. So stellte die Europäische Zentralbank dem Geldmarkt am Montag 47,66 Mrd. Euro an frischem Kapital zur Verfügung, die japanische Zentralbank steuerte 600 Mrd. Yen (3,6 Mrd Euro) bei. Auch die Notenbanken der USA, Kanadas und Australiens stellten erneut Liquidität zur Versorgung der Geschäftsbanken bereit.
Quelle: HANDELSBLATT, Dienstag, 14. August 2007, 07:14 Uhr
¡hasta pronto!
Einsamer Samariter