Gewissenlose Manager stürzten das Mutterland des modernen Kapitalismus in seine schlimmste Krise, immer neue Skandale erschüttern das Vertrauen der Anleger.
Hamburg - Kaum mehr als zwei Jahre ist es her, da waren die Herren die Stars der westlichen Hemisphäre, bejubelt von ihren Angestellten, verehrt von einer Heerschar folgsamer Aktionäre. Sie trieben die Aktienkurse ihrer Unternehmen in schwindelnde Höhen und machten Tausende zu Millionären - zumindest vorübergehend. Dass sie dabei selber Millionengagen einstrichen, in glitzernden Privatjets umherflogen und dem Luxus verfielen, darüber sahen viele hinweg, solange die Zahlen stimmten.
Vorbei, vorbei: Die Stars des Booms sind die Schurken von heute und wie aus einem fauligen Sumpf steigen fast täglich neue Blasen an die Oberfläche, voller übelriechender Skandale. In Folge der finsteren Enthüllungen wurden Milliarden Dollar Aktienvermögen vernichtet, das westliche Wirtschaftssystem ist in eine Krise von historischen Ausmaßen gestürzt.
Seit Juni 1999, als der Dow-Jones-Index seinen Zenit von 10.970 erreichte, sacken die Kurse an der Wall Street nach unten, unaufhaltsam, scheinbar ohne Boden. Das wichtigste Börsenbarometer der Welt, könnte in diesem Jahr einen neuen traurigen Rekord aufzeichnen. Wenn die US-Börsen das laufende Jahr mit einem Minus beendeten, wäre der Markt drei Jahre in Folge gefallen - das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg.
Eine baldige Wende ist nicht in Sicht. Die Welle von Skandalen, die die Herzkammer des amerikanischen Kapitalismus seit Ende vergangenen Jahres erschüttert, hat Ausmaße erreicht, die die Verfehlungen der achtziger Jahre wie harmlose Gaunereien wirken lassen.
US-Börsianer: Schlimmer geht immer
Noch immer scheinen sich die Konzernherren ihrer Verfehlungen nicht bewusst zu sein. Manager und Bankiers versuchen zu verschleiern, wo es aufzudecken gilt. Noch in den vergangenen Wochen machten Investmentbanker bei Washingtons Politikern die Runde, um eine drohende Verschärfung der Gesetze abzuschwächen. "Amerikas Unternehmensführer scheinen auf schockierende Weise den Blick für die Realitäten verloren zu haben", schreibt selbst das US-Wirtschaftsblatt Business Week.
Wie Raubritter hatten sich gewissenlose Manager und ihre Helfer des modernen Aktionärskapitalismus bemächtigt, die wichtigsten Institutionen der Finanzwelt unter ihre Kontrolle gebracht. Sie schneiderten nach Gutdünken die Bilanzen einstiger Top-Unternehmen wie Enron, Tyco oder Global Crossing zurecht. Sie hatten als Verbündete die Aktienanalysten gewonnen, die alle möglichen Interessen vertraten - nur nicht die der Investoren. Banker und Vorstände kassierten auf unappetitliche Art und Weise bei nahezu jeder Aktien-Neuemission (IPO) mit.
Das blinde Vertrauen der Anleger in die selig machende Geldmaschine Wall Street ist einem bitteren Zynismus gewichen: Der beliebte Comic-Strip "Dilbert" stellt Investmentbanker als Ratten in Maßanzügen dar; erfolgreiche Vorstandschefs stehen mittlerweile grundsätzlich im Verdacht, die Gewinne aufgeblasen und ihre Taschen mit Aktienoptionen gefüllt zu haben.
Wenn die Skandale nur einige Unternehmen und die eine oder andere Investmentbank in Schieflage gebracht hätten, wäre der Schaden leicht zu verschmerzen. Doch inzwischen ziehen Investoren die Integrität des US-Kapitalmarkts, vor wenigen Jahren noch das leuchtende Vorbild der gesamten Welt, grundsätzlich in Zweifel. Das ist eine fatale Entwicklung. Denn die gesamte Volkswirtschaft braucht die Wall Street, um Kapital einzuwerben und zu verteilen. Hält der Vertrauensverlust an, könnte dies Anleger auf lange Sicht von der Börse fern halten und ein schnelles Ende des Bärenmarktes verhindern - allen positiven volkswirtschaftlichen Daten zum Trotz.
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wäre das Schlimmste überstanden, denn etliche Übeltäter wurden bereits bestraft: Die Investmentbank Merrill Lynch, deren Staranalyst Henry Blodget Aktien empfahl, die er intern als "Scheiße" bezeichnete, hat im Rahmen eines Vergleichs mit dem New Yorker Staatsanwalt Eliot Spitzer 100 Millionen Dollar gezahlt. Die gleiche Summe zahlte das Institut Credit Suisse First Boston, das sich bei IPOs in großem Stil durch unfaire Aktienzuteilungen bereichert haben soll. Bilanzmauscheler wie Enron oder Global Crossing hat der Zorn der Märkte niedergestreckt, bevor überhaupt ordentliche Gerichtsverfahren eröffnet werden konnten. Optimisten hoffen: Das war's. "Das letzte was die Branche will, ist ein ständiges Tropf-Tropf-Tropf von neuen Geschichten, jede Woche", glaubt Howard Schiffman, ein früherer SEC-Anwalt.
KENNETH LAY - Der Vater der Enronitis
Kenneth Lay gebührt die ebenso zweifelhafte wie einzigartige Ehre, es vom gefeiertsten US-Unternehmer der Neunziger zum meistgehassten Mann seiner Nation gebracht zu haben - und das in wenigen Monaten. Lay hatte 1985 zwei texanische Gasklitschen aufgekauft und diese zum einem Energieunternehmen namens Enron verschmolzen. Zehn Jahre später war Enron das siebtgrößte Unternehmen der USA und die weltweit wichtigste Handelsplattform für Energieprodukte. Das Wirtschaftsmagazin "Fortune" wählte Enron gleich sechsmal in Folge zum innovativsten Unternehmen der USA.
Das Unheil begann, als sich Lay mit Jeff Skilling und Andy Fastow zwei Zauberlehrlinge ins Haus holte. Als Vorstands- und Finanzchef verwandelten die beiden Bilanzmagier den Energiekonzern in einen Hedge-Fonds mit angeschlossener Gaspipeline. Schulden, unliebsame Vermögenswerte und andere Bilanzleichen lagerte Fastow in geheime Subunternehmen aus. Lay war schon bald nicht mehr in der Lage, dass Treiben seiner Wunderkinder zu überblicken.
Als ihn eine Mitarbeiterin warnte, Enron werde "in einer Welle von Bilanzskandalen implodieren" soll Lay sich erstmals mit dem Problem beschäftigt haben - leider viel zu spät. Nachdem CEO Skilling sich im August 2001 "aus persönlichen Gründen" aus dem Staub gemacht hatte, flogen nach und nach die krummen Deals auf - und Präsidenten-Amigo Lay, von George W. Bush liebevoll Kenny Boy genannt, musste den Skandal alleine ausbaden. Tausende von Mitarbeitern wurden entlassen und verloren ihre Pensionsansprüche. Spätestens, seitdem Lay sich von Kongressermittlern eine Stunde lang im US-Fernsehen diverser Verbrechen beschuldigen lassen musste, ist er in den USA eine persona non grata.
DICK CHENEY - Der politische Unternehmer
Dick Cheney war ein erfolgreicher Unternehmer, bevor er in der jetzigen Regierung Vizepräsident der Vereinigten Staaten wurde. Nun holen den Bush-Adjutanten seine Geschäfte von damals ein. Zum einen hat der mächtige Washingtoner Strippenzieher seit Ende Mai mit einem Bilanzskandal beim US-Bauunternehmen Haliburton zu kämpfen. 1995 bis 2000, als Cheney dort Vorstandschef war, soll das Unternehmen seinen Umsatz mit zu früh gebuchten Aufträgen um mehr als 200 Millionen Dollar aufgeblasen haben.
Auch seine exzellenten Kontakte zur Energiebranche machen Cheney zu schaffen. Im vergangenen Jahr betätigte sich Bushs Vize etwa als Botschafter in Sachen Enron. Bei einem Treffen mit der indischen Oppositionspolitikerin Sonia Gandhi bemühte sich der Vizepräsident, 64 Millionen Dollar für ein gescheitertes Kraftwerkprojekt einzutreiben - eine Gefälligkeit für den größten Wahlspender der Bush-Cheney-Kampagne, monieren Kritiker.
Nach allem was bisher bekannt ist, waren Enron-Manager häufig bei Cheney in Washington zu Gast. Anfang des Jahres sollen Lobbyisten des Skandalkonzerns bei zahlreichen Sitzungen der Bush-Administration zur künftigen US-Energiepolitik teilgenommen und diese in ihrem Sinne beeinflusst haben. Die Rechnungsprüfer des amerikanischen Kongresses (GAO) haben deshalb von Cheney Unterlagen über seine Treffen mit der Energiebranche angefordert. Cheney weigert sich jedoch standhaft, Namen oder Details der Sitzungen preiszugeben. Zum ersten Mal in der Geschichte hat die GAO nun die Exekutive auf Herausgabe von Informationen verklagt.
JOSEPH BERARDINO - Der Herr der Schredder
Als die Partner des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens Arthur Andersen LLP vor eineinhalb Jahren einen neuen Chef suchten, wollten sie jemand, der die Traditionsfirma zurück zu ihren Wurzeln führen konnte. Nach den Bilanzskandalen um Sunbeam und Waste Management, in die Andersen verwickelt war, sollte Joseph Berardino dem Unternehmen helfen, wieder der kritischste und unabhängigste Wirtschaftsprüfer der Welt zu werden.
Stattdessen wurde Berardino zu Andersens Totengräber. Nachdem bekannt geworden war, dass Andersen bei Enron eine ganze Reihe fehlerhafter Quartalsabschlüsse und Bilanzen abgenickt hatte, geriet der Wirtschaftsprüfer unter Beschuss. Andersen versuchte, seine Verfehlungen durch das groß angelegte Schreddern von Dokumenten zu kaschieren - als dies aufflog, war die Firma am Ende. Der inzwischen zurückgetretene Berardino, den Vertraute als stillen Buchhaltertyp beschreiben, musste hilflos zusehen, wie seine Kunden in Scharen flüchteten und die nationalen Gesellschaften das Andersen-Netzwerk verließen.
Allerdings tat Berardino auch vor dem Enron-Debakel wenig, um die Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfung zu stärken - im Gegenteil: Durch seine Lobbyarbeit konnten die großen Prüfungsgesellschaften verhindern, dass die US-Börsenaufsicht SEC eine scharfe Trennung von Beratungs- und Prüfungsgeschäft durchsetzte. Was den Enron-Skandal anging, zeigte sich Berardino uneinsichtig. Im Dezember vergangenen Jahres schrieb er in einer Gastkolumne für das "Wall Street Journal", Andersen treffe keine Schuld an dem spektakulärsten Bankrott der amerikanischen Unternehmensgeschichte. Verantwortlich seien nicht die Buchhalter, sondern die Buchhaltungsregeln.
JACK GRUBMAN - Der schlechteste Analyst aller Zeiten
Wenn jemand Fehler macht und der Firma damit schadet, muss er gehen - könnte man meinen. Telekommunikationsanalyst Jack Grubman macht riesige Fehler. Seine Aktienempfehlungen lesen sich wie blanker Hohn. Im März 2001, als sich die Katastrophe der Telekommunikationsindustrie bereits ankündigte, schrieb er in einer Analyse: In den nächsten 12 bis 18 Monaten werden die Investoren auf die jetzigen Preise zurückschauen und wünschen, dass sie eingestiegen wären".
Fünf der zehn Aktien werden nun für weniger als einen Dollar gehandelt, drei der Firmen sind bereits bankrott. Noch im April 2001 empfahl er Pleitier Global Crossing unter der Überschrift: "Keine Panik". Als die Aktie dann unter einen Dollar fiel, nahm er seine Einschätzung von "Kaufen" auf "Neutral" zurück. Als Global Crossing im Januar 2002 endgültig pleite war, stoppte Grubman einfach seine "Analyse". Ein Anleger, der Grubmans Kaufempfehlungen seit Februar 1991 gefolgt wäre, hätte mindestens 74,5 Prozent des eingesetzten Kapitals verloren, rechnet das "Money Magazine" vor und fragt: "Ist das der schlechteste Analyst aller Zeiten?"
Sogar vor Gericht muss sich der Analyst von Salomon Smith Barney verantworten. Ein Privatanleger, der sich auf Grubmans Rat hin mit Global-Crossing-Aktien eindeckte, fordert nun 10 Millionen Dollar Schadenersatz. Außerdem fordert der New Yorker Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer die Herausgabe aller Unterlagen, die Grubman für seine haarsträubenden Analysen verwendet hat.
Aber Grubman, der an der Wall Street lange Zeit als "King of Telecom" gefeiert wurde, muss sich wenig Sorgen machen. Die Bank steht voll hinter ihrem gefallenen Star. "Jack spielte und spielt eine Hauptrolle in unserer Analyse-Abteilung", sagt sein Chef Kevin McCaffrey. Grubman, der laut "Wall Street Journal" rund 20 Millionen Dollar im Jahr verdient, wird auf keinen Fall vor die Tür gesetzt.
Für dieses seltsame Verhalten des Arbeitgebers gibt es mindestens zwei gute Gründe. Erstens wäre es ziemlich gefährlich, einen Firmeninsider zum Feind zu haben, wenn gerade die Staatsanwälte gegen das Unternehmen ermitteln. Zweitens war Grubman für Salomon Smith Barney pures Gold wert. Wie kein anderer verstand er es, die Anleger zu immer neuen Investitionen in den Telekommunikationssektor anzuspornen. Gleichzeitig arbeitete er für einige der Firmen als Berater und verschaffte seiner Bank damit wertvolle Investmentbanking-Aufträge. In den Boomjahren machte ihn das zum einflussreichsten Telekommunikationsanalysen der Wall Street. Ende 1998 ließ er sich zu dem prahlerischen Satz verleiten: "Ich forme diese Industrie". Er hätte sie ja nicht gleich erwürgen müssen.
HENRY BLODGET - Der Cheerleader
In seinem Freundeskreis galt er lange Zeit als Loser. Henry Blodget, der an der Yale-Universität Geschichte studiert hatte, wollte Journalist werden und kam dabei zunächst auf keinen grünen Zweig.
Eher als Verlegenheitslösung ging Blodget dann als Junior-Analyst zu CIBC Oppenheimer. Im Dezember 1998 passierte es: Mit der gewagten und richtigen Einschätzung, die Aktie von Amazon.com werde bald über 400 Dollar notieren, wurde der junge Analyst über Nacht zum Star. Mehr noch - Henry Blodget war von da an die Ikone des Internet-Zeitalters. Merrill Lynch kaufte ihn ein und machte ihn sofort zum Senior-Analysten. Sein Jahresgehalt stieg von 1999 bis 2001 von drei auf zwölf Millionen Dollar. Allein den Sendern CNN und CNBC gab er in den Jahren 1999 und 2000 insgesamt 123 Fernsehinterviews.
Der Erfolg muss ihm zu Kopf gestiegen sein und seine Persönlichkeit gespalten haben. Während er im Fernsehen und in Zeitungsinterviews von den riesigen Potenzialen seiner Aktien schwärmte, betitelte er sie in internen Mails als "Stück Scheiße" und "Pulverfass". Als der New Yorker Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer diese Absurditäten öffentlich machte, reagierte Arbeitgeber Merrill Lynch nicht etwa mit Entsetzen. Das Brokerhaus einigte sich mit den Behörden, rund 100 Millionen Dollar zu zahlen, um das peinliche Gerichtsverfahren aus der Welt zu schaffen. Und es stellte sich vor ihren gefallenen Staranalysten. "Henrys Integrität ist außer Zweifel", sagte sein Chef Deepak Raj noch bei Blodgets Abgang im November 2001. Als Abfindung bekam Blodget nach Angaben des US-Magazins "Fortune" fünf Millionen Dollar mit auf den Weg.
Mit dieser komfortablen finanziellen Ausstattung hat sich der 35-jährige Blodget nun eine Auszeit genommen, um ein Buch über seine Erfahrungen mit dem Internet-Boom zu schreiben. Danach will er wieder in die Finanzbranche einsteigen, diesmal als Vermögensverwalter.
BERNIE EBBERS - Der Kaufrausch-Cowboy
Konzernchefs haben mitunter ausgefallene Hobbys, aber das Treckerfahren ist in aller Regel nicht darunter. Bernie Ebbers aber, geschasster Chef des Telekomkonzerns WorldCom, soll an Wochenenden bis zu 16 Stunden mit dem Traktor herumgefahren sein. Hin und wieder vergnügte er sich mit dem Kastrieren vom Bullen. So einer wie Ebbers, der sein Cowboy-Image pflegte, konnte unter den Anzugträgern der Wall Street wohl nur in Ausnahmezeiten Anhänger finden - wie in den späten Neunzigern. Zu Terminen in New York brachte er damals Charts mit, die den Aktienkurs zeigten, ein Plus von 7000 Prozent in ein paar Jahren. Dann sagte Ebbers "Noch Fragen?"
Fragen hätte es gegeben, gestellt werden sie erst heute. Jahrelang kaufte Ebbers und kaufte, mehr als 75 Konkurrenten, doch zur Einheit gefügt hat er das Firmensammelsurium nicht. Zeitweise soll es bei WoldCom 40 verschiedene Abrechnungssysteme gegeben haben. Die Wertpapieraufsicht prüft, ob Ebbers durch übertriebene Abschreibungen den Boden für spätere, scheinbare Gewinnsprünge bereitet hat. Bei fallenden Umsätzen im Festnetz- und Internetgeschäft leidet WorldCom unter 28 Milliarden Dollar Schulden. Manche Analysten glauben, dass Ebbers' Nachfolger John Sidgmore 2003 fällige Kredite nicht zahlen kann.
Darüber, ob Ebbers ein Schurke oder doch nur ein naives Großmaul war, darf debattiert werden. Während sich CEO-Kollegen mit Aktienverkäufen in Boom-Zeiten bereicherten, erwarb Ebbers immer neue WorldCom-Papiere auf Pump. Als die Banken ihn bedrängten, borgte er sich über 360 Millionen aus der Firmenkasse - ein Anlass für seinen Rauswurf. Dem 60-Jährigen dürfte es schwer fallen, das Geld je zurückzuzahlen. Seine Yacht "Aquasitions" musste er schon verkaufen. Als Nächstes könnte seine 60 Millionen Dollar teure Ranch in British Columbia an der Reihe sein - mitsamt vielen tausend Rindern.
GARY WINNICK - Der Dollar-Jongleur
Gary Winnick, Verkäufersohn aus New York, galt lange als einer der spendabelsten Konzernherren der USA - zumindest, wenn es um Schecks für Politiker ging. 2,8 Millionen Dollar gab sein Unternehmen, der Glasfasernetzbetreiber Global Crossing, im Wahlkampfjahr 2000 an beide Parteien, mehr noch als Enron. Winnick spielte mit Bill Clinton Golf, honorierte eine Rede George Bush Seniors mit Aktienoptionen. Genutzt hat all das wenig: Ende Januar flüchtete sich sein Unternehmen in den Gläubigerschutz, es war die viertgrößte Pleite der US-Geschichte. Pläne, Global an reiche Retter aus Fernost zu verkaufen, haben sich seither zerschlagen.
Großzügig war Winnick auch bei der Auslegung des Bilanzrechts. Im Jahr 2000 begann sein Unternehmen, Umsätze durch leere Tauschaktionen aufzublasen. Global mietete bei einem Konkurrenten Netzkapazitäten, oft genug wurden sie gar nicht gebraucht. Der Konkurrent kaufte bei Global Kapazitäten für einen ähnlichen Preis zurück. An den Bargeld-Beständen der Partner änderte das nichts. Beide aber konnten den Verkauf sofort als Umsatz verbuchen, den Kauf als Investition über einen Zeitraum von vielen Jahren abschreiben. Ein Fünftel des Umsatzes soll zeitweilig durch solche Scheingeschäfte entstanden sein, die Wertpapieraufsicht und die Bundespolizei ermitteln.
Manch Anleger, der auf Winnicks Visionen hereinfiel, steht vor dem Ruin, er selbst hat einen guten Schnitt gemacht. Seine Residenz in Bel Air, "Casa Encantada" genannt und angeblich die teuerste Einfamilien-Villa der USA, wird ihm wohl bleiben. Ebenso wie die 735 Millionen Dollar, die er durch Verkäufe von Global-Aktien erlöst hat, rechtzeitig vor dem Crash. Dass der kommen würde, war Gary Winnick offenbar frühzeitig klar.
CHARLES WANG - Der Plattmacher
Der Ruf eines Plattmachers haftet Charles Wang, dem Gründer von Computer Associates, schon lange an. In einer Branche, in der man ohnehin mit harten Bandagen arbeitet, hat das schon etwas zu bedeuten. Im Prinzip ging Wang nicht einmal anders vor als viele seiner Kollegen - nur etwas rauer und härter. Wenn ein kleineres Unternehmen eine Software entwickelt hatte, die gut zu Computer Associates passte, kauft Wang den Laden kurzerhand, setzte die Mitarbeiter vor die Tür und integrierte die Software in seine Produktpalette. Immerhin formte er auf diese Weise einen Konzern der in der Liste der 500 größten Unternehmen des US-Wirtschaftsmagazins "Fortune" geführt wird - ein Umsatz im Jahr 2001 (eigene Angaben!) in Höhe von knapp 4,2 Milliarden Dollar reichte immerhin für Platz 387.
Die Platzierung könnte sich allerdings noch ändern, so wie dies in den Jahren 1998 und 1999 der Fall war. Für diesen Zeitraum musste der Vorstand von Computer Associates den Umsatz nämlich um satte 542,8 Millionen Dollar nach unten korrigieren. Für diese "Richtigstellung" interessieren sich inzwischen auch die Staatsanwaltschaft und die US-Börsenaufsicht SEC. Denn alles deutet darauf hin, dass Wang und seine Kollegen Sanjay Kumar und Russell Artzt die Umsatzzahlen nur deshalb so extrem aufgebläht hatten, um den Börsenkurs zu pushen. Zur Belohnung strichen die Manager Aktienoptionen im Wert von rund 1,1 Milliarden Dollar ein - eine Summe, die selbst während der hysterischen späten neunziger Jahre von Börsenfachleuten als unanständig hoch bezeichnet wurde.
Auch innerhalb des Unternehmens ist Wang auf Grund dieser Selbstbereicherung im vergangen Jahr heftig unter Beschuss geraten. Der Multimillionär und Großinvestor bei Computer Associates, Sam Wyly, versuchte unter den Aktionären eine Mehrheit für die Ablösung Wangs zusammenzutrommeln. Nur mit Mühe konnte Wang diesen Angriff parieren. Bleibt abzuwarten, ob er den Ermittlungen der SEC und der Staatsanwaltschaft ebenso gut standhält.
JOHN RIGAS - Der Lokalmatador
Er braucht in Coudersport oft mehr als eine Stunde für einen Häuserblock, von so vielen Leuten wird er gegrüßt und für ein kurzes Gespräch angehalten. Der 77-jährige John Rigas gilt in dem 4000-Einwohner-Ort als Held, Vaterfigur und Inkarnation des amerikanischen Traumes.
Seine Erfolgsgeschichte könnte schöner nicht sein. In fast 50 Jahren arbeitete sich der Sohn griechischer Einwanderer hoch vom Anteilseigner eines kleinen lokalen Fernsehsenders zum sechstgrößten Kabelnetzbetreiber der USA. Seine Firma Adelphia Communications hat knapp sechs Millionen Abonnenten, die für einen ständigen warmen Geldsegen und rund 2000 Arbeitsplätze allein in Coudersport sorgen. Und Rigas ist nicht geizig. Er finanziert das Buffalo Sabres Hockey Team, bezahlt Bedürftigen schon einmal kostspielige medizinische Eingriffe und sorgt dafür, dass Eintrittskarten im örtlichen Kino nur vier Dollar kosten.
Kein Wunder, dass die Bewohner von Coudersport die herannahende Katastrophe zunächst nicht wahrhaben wollten. "Die Haie sammeln sich", sagte Reverend Nicholas Rafael, in dessen Gemeinde Rigas ist, noch im Mai. Aber da waren schon eine ganze Menge sehr unrühmlicher Details über Adelphia und den Rigas-Clan bekannt geworden. Die Gründerfamilie hat das Unternehmen ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Sie genehmigten sich Kreditbürgschaften über 3,1 Milliarden Dollar und ließen die Firma für ihr Privatvergnügen bluten. So steckte Adelphia - ohne dass der Aufsichtsrat davon wusste - rund zwölf Millionen Dollar in einen 18-Loch-Golfplatz. Natürlich kaufte die Firma das nötige Land dafür von der Rigas-Familie. Wofür der Platz eigentlich gut sein soll, weiß niemand so genau. Coudersport hat bereits einen Golfplatz.
Rigas und seine Familie haben Adelphia gründlich ruiniert. Seit Mai 1999 fiel der Aktienkurs von 86,80 Dollar auf 70 US-Cent, mittlerweile ist der Handel mit dem Papier an der Nasdaq beendet worden. Nach Ansicht von Analysten wird es nicht mehr lange dauern, bis die Firma Bankrott geht. Denn neben der unglaublichen Selbstbereicherung der Gründerfamilie musste das Management zugeben, dass auf der Einnahmenseite gehörig manipuliert wurde. Nach den Erkenntnissen einer firmeninternen Prüfungskommission wurde die Zahl der Abonnenten um knapp eine halbe Million übertrieben.
John Rigas ist mittlerweile gemeinsam mit seinen Söhnen Michael, James und Timothy aus dem Adelphia-Vorstand ausgeschieden. Als Abfindung bekommt er 1,4 Millionen Dollar pro Jahr.
JAMES CRAMER - Der Aktien-Pusher
James Cramer ist Journalist, Verleger, Fernsehkommentator und Hedgefondsmanager - manchmal auch alles gleichzeitig. In seinem kürzlich veröffentlichten Buch "Confessions of a Wall Street Addict" beschreibt der Mitbegründer des bekannten Börsenwebsites TheStreet.com, freimütig, wie Börsenprofis Geschäfte machen.
Cramer suchte sich marktenge Aktien. Dann ließ er seine Leute bei den entsprechenden Firmen anrufen, "um zu schauen, ob es irgendetwas Gutes über die Aktie zu sagen gab". Danach "gaben wir die Information an unsere Lieblingsanalysten, damit sie Werbung für die Aktie machen konnten". Sobald die Aktie durchstartete, strich Cramers Firma einen satten Gewinn ein - weil sie sich frühzeitig eingedeckt hatte.
Auch seine journalistische Tätigkeit soll Cramer ausgenutzt haben. Wie Autor Nicholas Maier in seinem Buch "Trading with the Enemy" berichtet, soll Cramer in einer Kolumne für das Anlegermagazin SmartMoney mehrere Miniaktien empfohlen haben, in denen sein Fonds zuvor Positionen aufgebaut hatte. Gleichzeitig habe Cramer die Papiere intern als "wertlose Verlierer" bezeichnet. Als Fernsehkommentator für den Sender CNBC hat Cramer nach eigenen Angaben häufig die Top-Kommentatoren des Senders, David Faber und Maria "Money Honey" Bartiromo, mit exklusiven Infos versorgt. Wenn er sicher gewesen sei, dass die Kommentatoren eine bestimmte Aktie vor der Kamera empfehlen würden, habe er sich vorher eingedeckt. Cramer: "Ja, das Spiel habe ich gemacht. Das ist gefundenes Geld."
CHUCK WATSON - Der Luftbucher
Zu seinem letzten Höhenflug setzte Chuck Watson im November des vergangenen Jahres an. Viele Analysten hielten für kurze Zeit den Atem an, als der ehemalige Dynegy-Chef sein Übernahmeangebot für den fast viermal größeren, strauchelnden Energie-Riesen Enron abgab. Die neun Milliarden Dollar, die Watson als Kaufpreis bot, sollten doch leicht aufzubringen sein - immerhin gehörte Dynegy mit einem Umsatz von mehr als 42 Milliarden Dollar in der Rangliste des Wirtschaftsmagazins "Fortune" zu den Top-30-Unternehmen in den USA.
Doch mit dem spektakulären Rückzieher in letzter Minute begann auch der Stern Watsons zu verglühen. Die Anleger wurden misstrauisch - der Kurs der Dynegy-Aktie ging in den Sinkflug über. Im April erfuhren die Investoren, dass ihr Ausstieg aus Dynegy die einzig richtige Entscheidung gewesen ist. Die Rating-Agenturen Moody's und Standard & Poor's stuften die Kreditwürdigkeit des Unternehmens für langfristige Anleihen drastisch zurück: Dynegy rangiert danach noch gerade ein beziehungsweise zwei Pünktchen über der Kategorie "Junk".
Im Mai schließlich annullierten die Steuerbehörden eine Steuererleichterung in Höhe von 79 Millionen Dollar, was den Gewinn des Energiehändlers für 2001 um 12 Prozent reduzierte. Die Steuervergünstigung hatte Dynegy auf Grund von Energiegeschäften bekommen, die in Wirklichkeit gar nicht stattgefunden hatten. Im Zusammenspiel mit den Kollegen anderer Energiehandelsgesellschaften hatte Watson Kilowattstunden ge- und gleichzeitig wieder verkauft und so den Umsatz kräftig aufgebläht.
Nachdem jetzt auch die US-Börsenaufsicht SEC die Ermittlungen in dem Fall aufgenommen hat, trat Watson Ende Mai von seinem Posten zurück. Allerdings nicht ohne sich den Abschied vergolden zu lassen: Watson kassierte eine Abfindung in Höhe von mindestens 33 Millionen Dollar. Das ist mehr als er bekommen hätte, wenn er seinen Vertrag normal erfüllt hätte.
DENNIS KOZLOWSKI - Der Steuer-Geizhals
Für einen Mann, der gern seine bescheidenen Anfänge betont, ist Dennis Kozlowski erstaunlich verliebt in den Luxus. Der 55-Jährige, der sich den Weg durchs College selbst finanzierte, hat mit Leidenschaft Statussymbole angehäuft. Eine 13-Zimmer-Wohnung in Manhattan ist darunter, eine Zehn-Millionen-Dollar-Villa in Florida. Kozlowski kaufte sich mehrere Harleys und die weltberühmte Yacht "Endeavour". Leisten konnte er sich das: In den vergangenen drei Jahren hat der Mischkonzern Tyco seinen Chef mit 97 Millionen Dollar entlohnt. Jüngst aber begann Kozlowski, sich für Malerei zu begeistern, und das wurde ihm zum Verhängnis.
Denn bei seiner Bergfahrt an die Spitze hat er sich ein Mittelklasselaster bewahrt: fast pathologischen Geiz. Als Student soll er einen Kellner-Job hingeschmissen haben, weil er sein Trinkgeld mit Kollegen teilen musste. Als Kunstsammler versuchte er offenbar, mit plumpen Tricks ein paar Prozent Umsatzsteuer zu hinterziehen. Das kostete ihn seinen Job, sein Recht auf eine 100-Millionen-Dollar-Abfindung und brachte ihm eine Anklage ein. Fast täglich enthüllt die Presse weitere Peinlichkeiten. So wurden die Nebenkosten der Kozlowski-Villa aus der Konzernkasse bezahlt. Dadurch sparte der Multimillionär knapp 600 Dollar im Monat.
Als Chef des Konglomerates Tyco, das Feuerlöscher ebenso herstellt wie Medizinzubehör, verschob Kozlowski viel imposantere Summen. Mit Hunderten Akquisitionen schusterte er sein Imperium zusammen, die Konzernbilanz geriet für Analysten und Anleger zum Rätselbuch. Im Februar gab Kozlowski zu, dass er 700 Firmenkäufe für acht Milliarden Dollar nicht öffentlich gemacht hat. Seine Nachfolger müssen den hoch verschuldeten Konzern wohl wieder zerlegen. Auch der Firmensitz, von Kozlowski auf die Bermudas verlagert, wandert wohl in die USA zurück. Schlecht für die Steuerbilanz - aber gut für den Ruf.
MARTY STAFF - Der Bilanzschneider
Am 13. Mai flog der neue Hugo-Boss-Chef Bruno Sälzer höchstpersönlich nach New York, um seinen Statthalter Marty Staff zu feuern. Das Loch in der Bilanz der US-Tochter in Höhe von rund sechs Millionen Euro war nicht mehr zu übertünchen, Konsequenzen unvermeidlich.
Die Mitarbeiter in der New Yorker Dependance und auch die amerikanischen Boss-Händler atmeten auf, denn das Geschäftsgebaren von Staff hatte ihnen jede Menge Ärger beschert. Ihnen hatte der geschasste US-Chef über Jahre hinweg systematisch mehr Waren in die Läden geschickt, als sie eigentlich bezahlen und verkaufen konnten. Damit blähte er die Umsätze von Hugo Boss künstlich auf. Staff hatte zwar versprochen, die unverkäuflichen Hemden, Anzüge oder Schuhe zurückzunehmen, doch später ließ er die Händler eiskalt abblitzen.
Für Staff selbst brachte die Aufblähung des Umsatzes entscheidende Vorteile. Sein Vertrag sieht bei einem geschätzten Grundgehalt von rund einer Million Euro pro Jahr, wie in der Branche üblich, Boni für Umsatz- und Gewinnsteigerungen vor. Durch die überbordenden Lieferungen konnte der Manager sein Gehalt offenbar um ein Mehrfaches steigern.
Als die Lage in der US-Zentrale jetzt kritisch wurde, weil die zu viel gelieferte Ware aus allen Landesteilen zurückkam und wichtig Geschäftspartner ihre Verträge kündigten, zog Sälzer die Notbremse. Die Quittung kennt er schon: Am Tag der Abrechnung musste Hugo Boss seinen US-Umsatz 2001 um sechs Millionen nach unten korrigieren.
spiegel.de
Gruß
Happy End
Hamburg - Kaum mehr als zwei Jahre ist es her, da waren die Herren die Stars der westlichen Hemisphäre, bejubelt von ihren Angestellten, verehrt von einer Heerschar folgsamer Aktionäre. Sie trieben die Aktienkurse ihrer Unternehmen in schwindelnde Höhen und machten Tausende zu Millionären - zumindest vorübergehend. Dass sie dabei selber Millionengagen einstrichen, in glitzernden Privatjets umherflogen und dem Luxus verfielen, darüber sahen viele hinweg, solange die Zahlen stimmten.
Vorbei, vorbei: Die Stars des Booms sind die Schurken von heute und wie aus einem fauligen Sumpf steigen fast täglich neue Blasen an die Oberfläche, voller übelriechender Skandale. In Folge der finsteren Enthüllungen wurden Milliarden Dollar Aktienvermögen vernichtet, das westliche Wirtschaftssystem ist in eine Krise von historischen Ausmaßen gestürzt.
Seit Juni 1999, als der Dow-Jones-Index seinen Zenit von 10.970 erreichte, sacken die Kurse an der Wall Street nach unten, unaufhaltsam, scheinbar ohne Boden. Das wichtigste Börsenbarometer der Welt, könnte in diesem Jahr einen neuen traurigen Rekord aufzeichnen. Wenn die US-Börsen das laufende Jahr mit einem Minus beendeten, wäre der Markt drei Jahre in Folge gefallen - das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg.
Eine baldige Wende ist nicht in Sicht. Die Welle von Skandalen, die die Herzkammer des amerikanischen Kapitalismus seit Ende vergangenen Jahres erschüttert, hat Ausmaße erreicht, die die Verfehlungen der achtziger Jahre wie harmlose Gaunereien wirken lassen.
US-Börsianer: Schlimmer geht immer
Noch immer scheinen sich die Konzernherren ihrer Verfehlungen nicht bewusst zu sein. Manager und Bankiers versuchen zu verschleiern, wo es aufzudecken gilt. Noch in den vergangenen Wochen machten Investmentbanker bei Washingtons Politikern die Runde, um eine drohende Verschärfung der Gesetze abzuschwächen. "Amerikas Unternehmensführer scheinen auf schockierende Weise den Blick für die Realitäten verloren zu haben", schreibt selbst das US-Wirtschaftsblatt Business Week.
Wie Raubritter hatten sich gewissenlose Manager und ihre Helfer des modernen Aktionärskapitalismus bemächtigt, die wichtigsten Institutionen der Finanzwelt unter ihre Kontrolle gebracht. Sie schneiderten nach Gutdünken die Bilanzen einstiger Top-Unternehmen wie Enron, Tyco oder Global Crossing zurecht. Sie hatten als Verbündete die Aktienanalysten gewonnen, die alle möglichen Interessen vertraten - nur nicht die der Investoren. Banker und Vorstände kassierten auf unappetitliche Art und Weise bei nahezu jeder Aktien-Neuemission (IPO) mit.
Das blinde Vertrauen der Anleger in die selig machende Geldmaschine Wall Street ist einem bitteren Zynismus gewichen: Der beliebte Comic-Strip "Dilbert" stellt Investmentbanker als Ratten in Maßanzügen dar; erfolgreiche Vorstandschefs stehen mittlerweile grundsätzlich im Verdacht, die Gewinne aufgeblasen und ihre Taschen mit Aktienoptionen gefüllt zu haben.
Wenn die Skandale nur einige Unternehmen und die eine oder andere Investmentbank in Schieflage gebracht hätten, wäre der Schaden leicht zu verschmerzen. Doch inzwischen ziehen Investoren die Integrität des US-Kapitalmarkts, vor wenigen Jahren noch das leuchtende Vorbild der gesamten Welt, grundsätzlich in Zweifel. Das ist eine fatale Entwicklung. Denn die gesamte Volkswirtschaft braucht die Wall Street, um Kapital einzuwerben und zu verteilen. Hält der Vertrauensverlust an, könnte dies Anleger auf lange Sicht von der Börse fern halten und ein schnelles Ende des Bärenmarktes verhindern - allen positiven volkswirtschaftlichen Daten zum Trotz.
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wäre das Schlimmste überstanden, denn etliche Übeltäter wurden bereits bestraft: Die Investmentbank Merrill Lynch, deren Staranalyst Henry Blodget Aktien empfahl, die er intern als "Scheiße" bezeichnete, hat im Rahmen eines Vergleichs mit dem New Yorker Staatsanwalt Eliot Spitzer 100 Millionen Dollar gezahlt. Die gleiche Summe zahlte das Institut Credit Suisse First Boston, das sich bei IPOs in großem Stil durch unfaire Aktienzuteilungen bereichert haben soll. Bilanzmauscheler wie Enron oder Global Crossing hat der Zorn der Märkte niedergestreckt, bevor überhaupt ordentliche Gerichtsverfahren eröffnet werden konnten. Optimisten hoffen: Das war's. "Das letzte was die Branche will, ist ein ständiges Tropf-Tropf-Tropf von neuen Geschichten, jede Woche", glaubt Howard Schiffman, ein früherer SEC-Anwalt.
KENNETH LAY - Der Vater der Enronitis
Kenneth Lay gebührt die ebenso zweifelhafte wie einzigartige Ehre, es vom gefeiertsten US-Unternehmer der Neunziger zum meistgehassten Mann seiner Nation gebracht zu haben - und das in wenigen Monaten. Lay hatte 1985 zwei texanische Gasklitschen aufgekauft und diese zum einem Energieunternehmen namens Enron verschmolzen. Zehn Jahre später war Enron das siebtgrößte Unternehmen der USA und die weltweit wichtigste Handelsplattform für Energieprodukte. Das Wirtschaftsmagazin "Fortune" wählte Enron gleich sechsmal in Folge zum innovativsten Unternehmen der USA.
Das Unheil begann, als sich Lay mit Jeff Skilling und Andy Fastow zwei Zauberlehrlinge ins Haus holte. Als Vorstands- und Finanzchef verwandelten die beiden Bilanzmagier den Energiekonzern in einen Hedge-Fonds mit angeschlossener Gaspipeline. Schulden, unliebsame Vermögenswerte und andere Bilanzleichen lagerte Fastow in geheime Subunternehmen aus. Lay war schon bald nicht mehr in der Lage, dass Treiben seiner Wunderkinder zu überblicken.
Als ihn eine Mitarbeiterin warnte, Enron werde "in einer Welle von Bilanzskandalen implodieren" soll Lay sich erstmals mit dem Problem beschäftigt haben - leider viel zu spät. Nachdem CEO Skilling sich im August 2001 "aus persönlichen Gründen" aus dem Staub gemacht hatte, flogen nach und nach die krummen Deals auf - und Präsidenten-Amigo Lay, von George W. Bush liebevoll Kenny Boy genannt, musste den Skandal alleine ausbaden. Tausende von Mitarbeitern wurden entlassen und verloren ihre Pensionsansprüche. Spätestens, seitdem Lay sich von Kongressermittlern eine Stunde lang im US-Fernsehen diverser Verbrechen beschuldigen lassen musste, ist er in den USA eine persona non grata.
DICK CHENEY - Der politische Unternehmer
Dick Cheney war ein erfolgreicher Unternehmer, bevor er in der jetzigen Regierung Vizepräsident der Vereinigten Staaten wurde. Nun holen den Bush-Adjutanten seine Geschäfte von damals ein. Zum einen hat der mächtige Washingtoner Strippenzieher seit Ende Mai mit einem Bilanzskandal beim US-Bauunternehmen Haliburton zu kämpfen. 1995 bis 2000, als Cheney dort Vorstandschef war, soll das Unternehmen seinen Umsatz mit zu früh gebuchten Aufträgen um mehr als 200 Millionen Dollar aufgeblasen haben.
Auch seine exzellenten Kontakte zur Energiebranche machen Cheney zu schaffen. Im vergangenen Jahr betätigte sich Bushs Vize etwa als Botschafter in Sachen Enron. Bei einem Treffen mit der indischen Oppositionspolitikerin Sonia Gandhi bemühte sich der Vizepräsident, 64 Millionen Dollar für ein gescheitertes Kraftwerkprojekt einzutreiben - eine Gefälligkeit für den größten Wahlspender der Bush-Cheney-Kampagne, monieren Kritiker.
Nach allem was bisher bekannt ist, waren Enron-Manager häufig bei Cheney in Washington zu Gast. Anfang des Jahres sollen Lobbyisten des Skandalkonzerns bei zahlreichen Sitzungen der Bush-Administration zur künftigen US-Energiepolitik teilgenommen und diese in ihrem Sinne beeinflusst haben. Die Rechnungsprüfer des amerikanischen Kongresses (GAO) haben deshalb von Cheney Unterlagen über seine Treffen mit der Energiebranche angefordert. Cheney weigert sich jedoch standhaft, Namen oder Details der Sitzungen preiszugeben. Zum ersten Mal in der Geschichte hat die GAO nun die Exekutive auf Herausgabe von Informationen verklagt.
JOSEPH BERARDINO - Der Herr der Schredder
Als die Partner des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens Arthur Andersen LLP vor eineinhalb Jahren einen neuen Chef suchten, wollten sie jemand, der die Traditionsfirma zurück zu ihren Wurzeln führen konnte. Nach den Bilanzskandalen um Sunbeam und Waste Management, in die Andersen verwickelt war, sollte Joseph Berardino dem Unternehmen helfen, wieder der kritischste und unabhängigste Wirtschaftsprüfer der Welt zu werden.
Stattdessen wurde Berardino zu Andersens Totengräber. Nachdem bekannt geworden war, dass Andersen bei Enron eine ganze Reihe fehlerhafter Quartalsabschlüsse und Bilanzen abgenickt hatte, geriet der Wirtschaftsprüfer unter Beschuss. Andersen versuchte, seine Verfehlungen durch das groß angelegte Schreddern von Dokumenten zu kaschieren - als dies aufflog, war die Firma am Ende. Der inzwischen zurückgetretene Berardino, den Vertraute als stillen Buchhaltertyp beschreiben, musste hilflos zusehen, wie seine Kunden in Scharen flüchteten und die nationalen Gesellschaften das Andersen-Netzwerk verließen.
Allerdings tat Berardino auch vor dem Enron-Debakel wenig, um die Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfung zu stärken - im Gegenteil: Durch seine Lobbyarbeit konnten die großen Prüfungsgesellschaften verhindern, dass die US-Börsenaufsicht SEC eine scharfe Trennung von Beratungs- und Prüfungsgeschäft durchsetzte. Was den Enron-Skandal anging, zeigte sich Berardino uneinsichtig. Im Dezember vergangenen Jahres schrieb er in einer Gastkolumne für das "Wall Street Journal", Andersen treffe keine Schuld an dem spektakulärsten Bankrott der amerikanischen Unternehmensgeschichte. Verantwortlich seien nicht die Buchhalter, sondern die Buchhaltungsregeln.
JACK GRUBMAN - Der schlechteste Analyst aller Zeiten
Wenn jemand Fehler macht und der Firma damit schadet, muss er gehen - könnte man meinen. Telekommunikationsanalyst Jack Grubman macht riesige Fehler. Seine Aktienempfehlungen lesen sich wie blanker Hohn. Im März 2001, als sich die Katastrophe der Telekommunikationsindustrie bereits ankündigte, schrieb er in einer Analyse: In den nächsten 12 bis 18 Monaten werden die Investoren auf die jetzigen Preise zurückschauen und wünschen, dass sie eingestiegen wären".
Fünf der zehn Aktien werden nun für weniger als einen Dollar gehandelt, drei der Firmen sind bereits bankrott. Noch im April 2001 empfahl er Pleitier Global Crossing unter der Überschrift: "Keine Panik". Als die Aktie dann unter einen Dollar fiel, nahm er seine Einschätzung von "Kaufen" auf "Neutral" zurück. Als Global Crossing im Januar 2002 endgültig pleite war, stoppte Grubman einfach seine "Analyse". Ein Anleger, der Grubmans Kaufempfehlungen seit Februar 1991 gefolgt wäre, hätte mindestens 74,5 Prozent des eingesetzten Kapitals verloren, rechnet das "Money Magazine" vor und fragt: "Ist das der schlechteste Analyst aller Zeiten?"
Sogar vor Gericht muss sich der Analyst von Salomon Smith Barney verantworten. Ein Privatanleger, der sich auf Grubmans Rat hin mit Global-Crossing-Aktien eindeckte, fordert nun 10 Millionen Dollar Schadenersatz. Außerdem fordert der New Yorker Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer die Herausgabe aller Unterlagen, die Grubman für seine haarsträubenden Analysen verwendet hat.
Aber Grubman, der an der Wall Street lange Zeit als "King of Telecom" gefeiert wurde, muss sich wenig Sorgen machen. Die Bank steht voll hinter ihrem gefallenen Star. "Jack spielte und spielt eine Hauptrolle in unserer Analyse-Abteilung", sagt sein Chef Kevin McCaffrey. Grubman, der laut "Wall Street Journal" rund 20 Millionen Dollar im Jahr verdient, wird auf keinen Fall vor die Tür gesetzt.
Für dieses seltsame Verhalten des Arbeitgebers gibt es mindestens zwei gute Gründe. Erstens wäre es ziemlich gefährlich, einen Firmeninsider zum Feind zu haben, wenn gerade die Staatsanwälte gegen das Unternehmen ermitteln. Zweitens war Grubman für Salomon Smith Barney pures Gold wert. Wie kein anderer verstand er es, die Anleger zu immer neuen Investitionen in den Telekommunikationssektor anzuspornen. Gleichzeitig arbeitete er für einige der Firmen als Berater und verschaffte seiner Bank damit wertvolle Investmentbanking-Aufträge. In den Boomjahren machte ihn das zum einflussreichsten Telekommunikationsanalysen der Wall Street. Ende 1998 ließ er sich zu dem prahlerischen Satz verleiten: "Ich forme diese Industrie". Er hätte sie ja nicht gleich erwürgen müssen.
HENRY BLODGET - Der Cheerleader
In seinem Freundeskreis galt er lange Zeit als Loser. Henry Blodget, der an der Yale-Universität Geschichte studiert hatte, wollte Journalist werden und kam dabei zunächst auf keinen grünen Zweig.
Eher als Verlegenheitslösung ging Blodget dann als Junior-Analyst zu CIBC Oppenheimer. Im Dezember 1998 passierte es: Mit der gewagten und richtigen Einschätzung, die Aktie von Amazon.com werde bald über 400 Dollar notieren, wurde der junge Analyst über Nacht zum Star. Mehr noch - Henry Blodget war von da an die Ikone des Internet-Zeitalters. Merrill Lynch kaufte ihn ein und machte ihn sofort zum Senior-Analysten. Sein Jahresgehalt stieg von 1999 bis 2001 von drei auf zwölf Millionen Dollar. Allein den Sendern CNN und CNBC gab er in den Jahren 1999 und 2000 insgesamt 123 Fernsehinterviews.
Der Erfolg muss ihm zu Kopf gestiegen sein und seine Persönlichkeit gespalten haben. Während er im Fernsehen und in Zeitungsinterviews von den riesigen Potenzialen seiner Aktien schwärmte, betitelte er sie in internen Mails als "Stück Scheiße" und "Pulverfass". Als der New Yorker Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer diese Absurditäten öffentlich machte, reagierte Arbeitgeber Merrill Lynch nicht etwa mit Entsetzen. Das Brokerhaus einigte sich mit den Behörden, rund 100 Millionen Dollar zu zahlen, um das peinliche Gerichtsverfahren aus der Welt zu schaffen. Und es stellte sich vor ihren gefallenen Staranalysten. "Henrys Integrität ist außer Zweifel", sagte sein Chef Deepak Raj noch bei Blodgets Abgang im November 2001. Als Abfindung bekam Blodget nach Angaben des US-Magazins "Fortune" fünf Millionen Dollar mit auf den Weg.
Mit dieser komfortablen finanziellen Ausstattung hat sich der 35-jährige Blodget nun eine Auszeit genommen, um ein Buch über seine Erfahrungen mit dem Internet-Boom zu schreiben. Danach will er wieder in die Finanzbranche einsteigen, diesmal als Vermögensverwalter.
BERNIE EBBERS - Der Kaufrausch-Cowboy
Konzernchefs haben mitunter ausgefallene Hobbys, aber das Treckerfahren ist in aller Regel nicht darunter. Bernie Ebbers aber, geschasster Chef des Telekomkonzerns WorldCom, soll an Wochenenden bis zu 16 Stunden mit dem Traktor herumgefahren sein. Hin und wieder vergnügte er sich mit dem Kastrieren vom Bullen. So einer wie Ebbers, der sein Cowboy-Image pflegte, konnte unter den Anzugträgern der Wall Street wohl nur in Ausnahmezeiten Anhänger finden - wie in den späten Neunzigern. Zu Terminen in New York brachte er damals Charts mit, die den Aktienkurs zeigten, ein Plus von 7000 Prozent in ein paar Jahren. Dann sagte Ebbers "Noch Fragen?"
Fragen hätte es gegeben, gestellt werden sie erst heute. Jahrelang kaufte Ebbers und kaufte, mehr als 75 Konkurrenten, doch zur Einheit gefügt hat er das Firmensammelsurium nicht. Zeitweise soll es bei WoldCom 40 verschiedene Abrechnungssysteme gegeben haben. Die Wertpapieraufsicht prüft, ob Ebbers durch übertriebene Abschreibungen den Boden für spätere, scheinbare Gewinnsprünge bereitet hat. Bei fallenden Umsätzen im Festnetz- und Internetgeschäft leidet WorldCom unter 28 Milliarden Dollar Schulden. Manche Analysten glauben, dass Ebbers' Nachfolger John Sidgmore 2003 fällige Kredite nicht zahlen kann.
Darüber, ob Ebbers ein Schurke oder doch nur ein naives Großmaul war, darf debattiert werden. Während sich CEO-Kollegen mit Aktienverkäufen in Boom-Zeiten bereicherten, erwarb Ebbers immer neue WorldCom-Papiere auf Pump. Als die Banken ihn bedrängten, borgte er sich über 360 Millionen aus der Firmenkasse - ein Anlass für seinen Rauswurf. Dem 60-Jährigen dürfte es schwer fallen, das Geld je zurückzuzahlen. Seine Yacht "Aquasitions" musste er schon verkaufen. Als Nächstes könnte seine 60 Millionen Dollar teure Ranch in British Columbia an der Reihe sein - mitsamt vielen tausend Rindern.
GARY WINNICK - Der Dollar-Jongleur
Gary Winnick, Verkäufersohn aus New York, galt lange als einer der spendabelsten Konzernherren der USA - zumindest, wenn es um Schecks für Politiker ging. 2,8 Millionen Dollar gab sein Unternehmen, der Glasfasernetzbetreiber Global Crossing, im Wahlkampfjahr 2000 an beide Parteien, mehr noch als Enron. Winnick spielte mit Bill Clinton Golf, honorierte eine Rede George Bush Seniors mit Aktienoptionen. Genutzt hat all das wenig: Ende Januar flüchtete sich sein Unternehmen in den Gläubigerschutz, es war die viertgrößte Pleite der US-Geschichte. Pläne, Global an reiche Retter aus Fernost zu verkaufen, haben sich seither zerschlagen.
Großzügig war Winnick auch bei der Auslegung des Bilanzrechts. Im Jahr 2000 begann sein Unternehmen, Umsätze durch leere Tauschaktionen aufzublasen. Global mietete bei einem Konkurrenten Netzkapazitäten, oft genug wurden sie gar nicht gebraucht. Der Konkurrent kaufte bei Global Kapazitäten für einen ähnlichen Preis zurück. An den Bargeld-Beständen der Partner änderte das nichts. Beide aber konnten den Verkauf sofort als Umsatz verbuchen, den Kauf als Investition über einen Zeitraum von vielen Jahren abschreiben. Ein Fünftel des Umsatzes soll zeitweilig durch solche Scheingeschäfte entstanden sein, die Wertpapieraufsicht und die Bundespolizei ermitteln.
Manch Anleger, der auf Winnicks Visionen hereinfiel, steht vor dem Ruin, er selbst hat einen guten Schnitt gemacht. Seine Residenz in Bel Air, "Casa Encantada" genannt und angeblich die teuerste Einfamilien-Villa der USA, wird ihm wohl bleiben. Ebenso wie die 735 Millionen Dollar, die er durch Verkäufe von Global-Aktien erlöst hat, rechtzeitig vor dem Crash. Dass der kommen würde, war Gary Winnick offenbar frühzeitig klar.
CHARLES WANG - Der Plattmacher
Der Ruf eines Plattmachers haftet Charles Wang, dem Gründer von Computer Associates, schon lange an. In einer Branche, in der man ohnehin mit harten Bandagen arbeitet, hat das schon etwas zu bedeuten. Im Prinzip ging Wang nicht einmal anders vor als viele seiner Kollegen - nur etwas rauer und härter. Wenn ein kleineres Unternehmen eine Software entwickelt hatte, die gut zu Computer Associates passte, kauft Wang den Laden kurzerhand, setzte die Mitarbeiter vor die Tür und integrierte die Software in seine Produktpalette. Immerhin formte er auf diese Weise einen Konzern der in der Liste der 500 größten Unternehmen des US-Wirtschaftsmagazins "Fortune" geführt wird - ein Umsatz im Jahr 2001 (eigene Angaben!) in Höhe von knapp 4,2 Milliarden Dollar reichte immerhin für Platz 387.
Die Platzierung könnte sich allerdings noch ändern, so wie dies in den Jahren 1998 und 1999 der Fall war. Für diesen Zeitraum musste der Vorstand von Computer Associates den Umsatz nämlich um satte 542,8 Millionen Dollar nach unten korrigieren. Für diese "Richtigstellung" interessieren sich inzwischen auch die Staatsanwaltschaft und die US-Börsenaufsicht SEC. Denn alles deutet darauf hin, dass Wang und seine Kollegen Sanjay Kumar und Russell Artzt die Umsatzzahlen nur deshalb so extrem aufgebläht hatten, um den Börsenkurs zu pushen. Zur Belohnung strichen die Manager Aktienoptionen im Wert von rund 1,1 Milliarden Dollar ein - eine Summe, die selbst während der hysterischen späten neunziger Jahre von Börsenfachleuten als unanständig hoch bezeichnet wurde.
Auch innerhalb des Unternehmens ist Wang auf Grund dieser Selbstbereicherung im vergangen Jahr heftig unter Beschuss geraten. Der Multimillionär und Großinvestor bei Computer Associates, Sam Wyly, versuchte unter den Aktionären eine Mehrheit für die Ablösung Wangs zusammenzutrommeln. Nur mit Mühe konnte Wang diesen Angriff parieren. Bleibt abzuwarten, ob er den Ermittlungen der SEC und der Staatsanwaltschaft ebenso gut standhält.
JOHN RIGAS - Der Lokalmatador
Er braucht in Coudersport oft mehr als eine Stunde für einen Häuserblock, von so vielen Leuten wird er gegrüßt und für ein kurzes Gespräch angehalten. Der 77-jährige John Rigas gilt in dem 4000-Einwohner-Ort als Held, Vaterfigur und Inkarnation des amerikanischen Traumes.
Seine Erfolgsgeschichte könnte schöner nicht sein. In fast 50 Jahren arbeitete sich der Sohn griechischer Einwanderer hoch vom Anteilseigner eines kleinen lokalen Fernsehsenders zum sechstgrößten Kabelnetzbetreiber der USA. Seine Firma Adelphia Communications hat knapp sechs Millionen Abonnenten, die für einen ständigen warmen Geldsegen und rund 2000 Arbeitsplätze allein in Coudersport sorgen. Und Rigas ist nicht geizig. Er finanziert das Buffalo Sabres Hockey Team, bezahlt Bedürftigen schon einmal kostspielige medizinische Eingriffe und sorgt dafür, dass Eintrittskarten im örtlichen Kino nur vier Dollar kosten.
Kein Wunder, dass die Bewohner von Coudersport die herannahende Katastrophe zunächst nicht wahrhaben wollten. "Die Haie sammeln sich", sagte Reverend Nicholas Rafael, in dessen Gemeinde Rigas ist, noch im Mai. Aber da waren schon eine ganze Menge sehr unrühmlicher Details über Adelphia und den Rigas-Clan bekannt geworden. Die Gründerfamilie hat das Unternehmen ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Sie genehmigten sich Kreditbürgschaften über 3,1 Milliarden Dollar und ließen die Firma für ihr Privatvergnügen bluten. So steckte Adelphia - ohne dass der Aufsichtsrat davon wusste - rund zwölf Millionen Dollar in einen 18-Loch-Golfplatz. Natürlich kaufte die Firma das nötige Land dafür von der Rigas-Familie. Wofür der Platz eigentlich gut sein soll, weiß niemand so genau. Coudersport hat bereits einen Golfplatz.
Rigas und seine Familie haben Adelphia gründlich ruiniert. Seit Mai 1999 fiel der Aktienkurs von 86,80 Dollar auf 70 US-Cent, mittlerweile ist der Handel mit dem Papier an der Nasdaq beendet worden. Nach Ansicht von Analysten wird es nicht mehr lange dauern, bis die Firma Bankrott geht. Denn neben der unglaublichen Selbstbereicherung der Gründerfamilie musste das Management zugeben, dass auf der Einnahmenseite gehörig manipuliert wurde. Nach den Erkenntnissen einer firmeninternen Prüfungskommission wurde die Zahl der Abonnenten um knapp eine halbe Million übertrieben.
John Rigas ist mittlerweile gemeinsam mit seinen Söhnen Michael, James und Timothy aus dem Adelphia-Vorstand ausgeschieden. Als Abfindung bekommt er 1,4 Millionen Dollar pro Jahr.
JAMES CRAMER - Der Aktien-Pusher
James Cramer ist Journalist, Verleger, Fernsehkommentator und Hedgefondsmanager - manchmal auch alles gleichzeitig. In seinem kürzlich veröffentlichten Buch "Confessions of a Wall Street Addict" beschreibt der Mitbegründer des bekannten Börsenwebsites TheStreet.com, freimütig, wie Börsenprofis Geschäfte machen.
Cramer suchte sich marktenge Aktien. Dann ließ er seine Leute bei den entsprechenden Firmen anrufen, "um zu schauen, ob es irgendetwas Gutes über die Aktie zu sagen gab". Danach "gaben wir die Information an unsere Lieblingsanalysten, damit sie Werbung für die Aktie machen konnten". Sobald die Aktie durchstartete, strich Cramers Firma einen satten Gewinn ein - weil sie sich frühzeitig eingedeckt hatte.
Auch seine journalistische Tätigkeit soll Cramer ausgenutzt haben. Wie Autor Nicholas Maier in seinem Buch "Trading with the Enemy" berichtet, soll Cramer in einer Kolumne für das Anlegermagazin SmartMoney mehrere Miniaktien empfohlen haben, in denen sein Fonds zuvor Positionen aufgebaut hatte. Gleichzeitig habe Cramer die Papiere intern als "wertlose Verlierer" bezeichnet. Als Fernsehkommentator für den Sender CNBC hat Cramer nach eigenen Angaben häufig die Top-Kommentatoren des Senders, David Faber und Maria "Money Honey" Bartiromo, mit exklusiven Infos versorgt. Wenn er sicher gewesen sei, dass die Kommentatoren eine bestimmte Aktie vor der Kamera empfehlen würden, habe er sich vorher eingedeckt. Cramer: "Ja, das Spiel habe ich gemacht. Das ist gefundenes Geld."
CHUCK WATSON - Der Luftbucher
Zu seinem letzten Höhenflug setzte Chuck Watson im November des vergangenen Jahres an. Viele Analysten hielten für kurze Zeit den Atem an, als der ehemalige Dynegy-Chef sein Übernahmeangebot für den fast viermal größeren, strauchelnden Energie-Riesen Enron abgab. Die neun Milliarden Dollar, die Watson als Kaufpreis bot, sollten doch leicht aufzubringen sein - immerhin gehörte Dynegy mit einem Umsatz von mehr als 42 Milliarden Dollar in der Rangliste des Wirtschaftsmagazins "Fortune" zu den Top-30-Unternehmen in den USA.
Doch mit dem spektakulären Rückzieher in letzter Minute begann auch der Stern Watsons zu verglühen. Die Anleger wurden misstrauisch - der Kurs der Dynegy-Aktie ging in den Sinkflug über. Im April erfuhren die Investoren, dass ihr Ausstieg aus Dynegy die einzig richtige Entscheidung gewesen ist. Die Rating-Agenturen Moody's und Standard & Poor's stuften die Kreditwürdigkeit des Unternehmens für langfristige Anleihen drastisch zurück: Dynegy rangiert danach noch gerade ein beziehungsweise zwei Pünktchen über der Kategorie "Junk".
Im Mai schließlich annullierten die Steuerbehörden eine Steuererleichterung in Höhe von 79 Millionen Dollar, was den Gewinn des Energiehändlers für 2001 um 12 Prozent reduzierte. Die Steuervergünstigung hatte Dynegy auf Grund von Energiegeschäften bekommen, die in Wirklichkeit gar nicht stattgefunden hatten. Im Zusammenspiel mit den Kollegen anderer Energiehandelsgesellschaften hatte Watson Kilowattstunden ge- und gleichzeitig wieder verkauft und so den Umsatz kräftig aufgebläht.
Nachdem jetzt auch die US-Börsenaufsicht SEC die Ermittlungen in dem Fall aufgenommen hat, trat Watson Ende Mai von seinem Posten zurück. Allerdings nicht ohne sich den Abschied vergolden zu lassen: Watson kassierte eine Abfindung in Höhe von mindestens 33 Millionen Dollar. Das ist mehr als er bekommen hätte, wenn er seinen Vertrag normal erfüllt hätte.
DENNIS KOZLOWSKI - Der Steuer-Geizhals
Für einen Mann, der gern seine bescheidenen Anfänge betont, ist Dennis Kozlowski erstaunlich verliebt in den Luxus. Der 55-Jährige, der sich den Weg durchs College selbst finanzierte, hat mit Leidenschaft Statussymbole angehäuft. Eine 13-Zimmer-Wohnung in Manhattan ist darunter, eine Zehn-Millionen-Dollar-Villa in Florida. Kozlowski kaufte sich mehrere Harleys und die weltberühmte Yacht "Endeavour". Leisten konnte er sich das: In den vergangenen drei Jahren hat der Mischkonzern Tyco seinen Chef mit 97 Millionen Dollar entlohnt. Jüngst aber begann Kozlowski, sich für Malerei zu begeistern, und das wurde ihm zum Verhängnis.
Denn bei seiner Bergfahrt an die Spitze hat er sich ein Mittelklasselaster bewahrt: fast pathologischen Geiz. Als Student soll er einen Kellner-Job hingeschmissen haben, weil er sein Trinkgeld mit Kollegen teilen musste. Als Kunstsammler versuchte er offenbar, mit plumpen Tricks ein paar Prozent Umsatzsteuer zu hinterziehen. Das kostete ihn seinen Job, sein Recht auf eine 100-Millionen-Dollar-Abfindung und brachte ihm eine Anklage ein. Fast täglich enthüllt die Presse weitere Peinlichkeiten. So wurden die Nebenkosten der Kozlowski-Villa aus der Konzernkasse bezahlt. Dadurch sparte der Multimillionär knapp 600 Dollar im Monat.
Als Chef des Konglomerates Tyco, das Feuerlöscher ebenso herstellt wie Medizinzubehör, verschob Kozlowski viel imposantere Summen. Mit Hunderten Akquisitionen schusterte er sein Imperium zusammen, die Konzernbilanz geriet für Analysten und Anleger zum Rätselbuch. Im Februar gab Kozlowski zu, dass er 700 Firmenkäufe für acht Milliarden Dollar nicht öffentlich gemacht hat. Seine Nachfolger müssen den hoch verschuldeten Konzern wohl wieder zerlegen. Auch der Firmensitz, von Kozlowski auf die Bermudas verlagert, wandert wohl in die USA zurück. Schlecht für die Steuerbilanz - aber gut für den Ruf.
MARTY STAFF - Der Bilanzschneider
Am 13. Mai flog der neue Hugo-Boss-Chef Bruno Sälzer höchstpersönlich nach New York, um seinen Statthalter Marty Staff zu feuern. Das Loch in der Bilanz der US-Tochter in Höhe von rund sechs Millionen Euro war nicht mehr zu übertünchen, Konsequenzen unvermeidlich.
Die Mitarbeiter in der New Yorker Dependance und auch die amerikanischen Boss-Händler atmeten auf, denn das Geschäftsgebaren von Staff hatte ihnen jede Menge Ärger beschert. Ihnen hatte der geschasste US-Chef über Jahre hinweg systematisch mehr Waren in die Läden geschickt, als sie eigentlich bezahlen und verkaufen konnten. Damit blähte er die Umsätze von Hugo Boss künstlich auf. Staff hatte zwar versprochen, die unverkäuflichen Hemden, Anzüge oder Schuhe zurückzunehmen, doch später ließ er die Händler eiskalt abblitzen.
Für Staff selbst brachte die Aufblähung des Umsatzes entscheidende Vorteile. Sein Vertrag sieht bei einem geschätzten Grundgehalt von rund einer Million Euro pro Jahr, wie in der Branche üblich, Boni für Umsatz- und Gewinnsteigerungen vor. Durch die überbordenden Lieferungen konnte der Manager sein Gehalt offenbar um ein Mehrfaches steigern.
Als die Lage in der US-Zentrale jetzt kritisch wurde, weil die zu viel gelieferte Ware aus allen Landesteilen zurückkam und wichtig Geschäftspartner ihre Verträge kündigten, zog Sälzer die Notbremse. Die Quittung kennt er schon: Am Tag der Abrechnung musste Hugo Boss seinen US-Umsatz 2001 um sechs Millionen nach unten korrigieren.
spiegel.de
Gruß
Happy End