SPIEGEL ONLINE - 17. Juni 2002, 13:59
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Stoibers Schelte
"Manager bringen unsere Wirtschaftsordnung in Verruf"
Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber versucht bei den Arbeitnehmern zu punkten. Mit ungewöhnlich scharfen Worten kritisierte er die hohen Gehälter der Konzernmanager in Deutschland.
Hamburg - Überbezahlte Konzernführer seien mit dafür verantwortlich, dass die Akzeptanz unserer Wirtschaftsordnung schwindet, sagte Stoiber in einem Interview mit dem manager magazin. Mancher Manager müsse sich wieder bewusst machen, dass er selbst auch Verantwortung für diese Gesellschaft trägt. "Hier geht es nicht um eine Sozialneid-Diskussion", betonte Stoiber. Er plädiere für Transparenz: "Die Unternehmen würden sich selbst einen Gefallen tun, wenn sie die Vorstandsgehälter offen legten."
Mit ungewöhnlich deutlichen Worten wandte sich der Unions-Kanzlerkandidat speziell an Telekom-Vorstand Ron Sommer. Es sei unverständlich, dass bei der Telekom die Vorstandsgehälter um bis zu 89 Prozent erhöht werden, wenn gleichzeitig die Volksaktie, in die viele kleine Sparer ihr Geld gesteckt haben, historische Tiefstände erreicht. Beobachter werten dies als Signal, dass Telekom-Chef Ron Sommer nach einem Wahlsieg Stoibers seinen Posten räumen müsste.
Zur Diskussion, ob die Union nach einem Sieg bei der Bundestagswahl drastische Reformen angehen soll, sagte Stoiber, er wolle sehr wohl einschneidende Veränderungen. Einem überraschenden Kurswechsel nach der Wahl erteilte der Kandidat dennoch indirekt eine Absage: "Wir müssen die Bürger mitnehmen. Die Menschen sind doch ohnehin schon verunsichert."
Die Globalisierung der Wirtschaft, die deutsche Wettbewerbsschwäche, die Alterung der Gesellschaft und die Folgen der Terroranschläge vom 11. September sorgen nach Stoibers Worten für eine Verunsicherung, die ein behutsames Vorgehen einer unionsgeführten Bundesregierung ratsam erscheinen ließen. "In einer Zeit, in der so viel auf die Menschen einstürmt, möchte ich sie mit Verständnis für ihre Ängste und Sorgen zu Reformen bringen." Stoiber: "Ich muss die Leute, die aus ökonomischen Gründen eine starke Reformbereitschaft haben, mit denen verbinden, die Angst haben, Sicherheiten zu verlieren. Führungsstärke heißt einen langen Atem haben."