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Studienergebnis
Fußball-Flops sind schlecht für die Börse
Von Matthias Streitz
Welche Folgen hat es für den Dax, wenn Lehmann die Bälle nicht hält? In einer Studie haben drei Volkswirte untersucht, wie sich Fußball-Niederlagen auf den Aktienmarkt auswirken. Auch nüchterne Investoren haben demnach allen Grund, Ballack & Co. die Daumen zu drücken.
Hamburg - An den Aktienmärkten werden die Kurse oft stärker durch Emotionen als durch harte Finanzfakten bewegt. Und welche Ereignisse können über Nacht die Stimmung einer ganzen Nation in den Keller reißen oder wahre Schübe rauschhafter Euphorie produzieren?
Fußball-Länderspiele zum Beispiel.
AFPSchlechtes Vorzeichen für Börse: Takahara schießt den Ball an Lehmann vorbei |
So ungefähr lautet die Prämisse der Studie "Sportstimmungen und Aktienerträge", die in der nächsten Ausgabe des amerikanischen "Journal of Finance" erscheint. Die Autoren, Alex Edmans, Diego García und Øyvind Norli, haben sich die Ergebnisse von Fußball-, aber auch von Cricket-, Rugby- und Basketball-Spielen aus 39 Ländern angesehen - und die Performance des Aktienmarktes am "Tag danach" untersucht. Der Niederlagen-Blues oder der "Wir haben gewonnen"-Kick würden sich bestimmt in den Kursen niederschlagen, lautete die Hypothese.
Und tatsächlich: Es lasse sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen sportlichen Niederlagen und Kursverlusten an der Börse am Folgetag nachweisen, schreiben die drei Verfasser. So falle die Entwicklung eines nationalen Aktienmarktes am Tag nach einem Ausscheiden in der WM typischerweise um 49 Basispunkte schlechter aus als typisch und gerechtfertigt wäre.
Etwas überraschender ist vielleicht ein weiteres Ergebnis: Erfolge bei Länderspielen hätten keine nachweislichen Auswirkungen auf den Aktienmarkt, schreibt das Verfasser-Trio. Ein sportlicher Sieg in führe also nicht automatisch zu einem Kaufschub.
Zwei der drei Autoren lehren an Universitäten in Europa, nur einer in den USA. Dass die Fußball-Leidenschaft auf dem alten Kontinent größer ist - dafür liefert ihre Untersuchung einen weiteren Beleg. Die negativen Kurs-Auswirkungen einer Kicker-Niederlage nämlich fielen an westeuropäischen Aktienmärkten stärker aus als in den Vereinigten Staaten, schreiben sie.
Einige weitere Ergebnisse:
- Die Kurseffekte eines Verlustes sind bei einem WM-Turnier größer aus als bei Fußball-Länderspielen, von denen weniger abhängt. Falls das Verliererteam ausscheidet und nach Hause fahren muss, sind die Auswirkungen ausgeprägter als etwa in der Vorrunde, wenn die Elf noch eine Chance hat.
- Verluste bei einem Fußball-Länderspiel haben deutlichere Auswirkungen auf den Aktienmarkt als Niederlagen in Sportarten wie Cricket, Rugby oder Hockey. Das liege sicher daran, dass die emotionale Breitenwirkung von Fußball in den meisten Ländern größer sei als die anderer Sportarten, so die Verfasser.
- Am Tag nach einer sportlichen Niederlage entwickeln sich Aktien kleinerer Firmen schlechter als die von Großkonzernen. Das könnte daran liegen, dass der Anteil inländischer Aktionäre bei Small- und Mid-Caps typischerweise größer sei als bei Konzernen, die auch internationale Investoren locken, glauben Edmans, García und Norli. Ausländische Investoren hätten ja keinen Grund, sich vom Abschneiden des nationalen Sportteams beeinflussen zu lassen.
Ob die Kurseffekte wirklich von Dauer sind oder am nächsten Tag schon wieder ausgeglichen werden - das haben die Autoren nicht untersucht. Sie weisen aber darauf hin, dass die Wirkungen zumindest am Tag nach dem Spiel durchaus als "bedeutsam" gelten könnten. Am britischen Aktienmarkt Ende 2005 etwa hätte der Verlust von 40 Basispunkten immerhin 11,5 Milliarden US-Dollar entsprochen, schreiben sie - das sei mehr als die Marktkapitalisierung aller börsennotierten britischen Fußballvereine zusammen.
Hoffen wir mal, dass sich die deutschen WM-Kicker ihrer volkswirtschaftlichen Verantwortung bewusst sind.