Furcht vor Kursverlusten wächst

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Furcht vor Kursverlusten wächst

 
17.01.02 07:53
J. HOFMANN, T. MOERSCHEN, U. SOMMER

Mit Spannung hatten Anleger auf die ersten Quartalsergebnisse in den USA gewartet. Nun überraschen die ersten Unternehmen positiv, wie zum Beispiel Intel mit einem unerwartet guten Gewinn. Und doch reagieren die Aktienmärkte verschnupft.

FRANKFURT/DÜSSELDORF. Der Deutsche Aktienindex (Dax) rutschte sogar zeitweise unter die Marke von 5 000 Punkten. „Die Bären sind wieder aus ihren Höhlen gekommen“, fasst Aktienhändler Andreas Schneller von Merck Finck die große Verunsicherung zusammen.

Grund für die schwächere Börse ist eine Mischung aus Ernüchterung und Gewinnmitnahmen. Immerhin kletterten viele Aktien seit September mehr als 100 Prozent – Ernüchterung machte sich beim Ausblick Intels breit. Denn die geplante Milliarden-Investitionskürzung verdeutlicht, dass der Chipgigant nur mit einem mäßigen Aufschwung rechnet – und nicht mit Wachstumsraten wie in früheren Boomzeiten. Waren die Börsen also zu optimistisch, weil sich die Konjunktur schwächer als erwartet entwickelt?

Der Chefvolkswirt der Hypo-Vereinsbank, Martin Hüfner, erwartet ein „Strohfeuer“ bei der Konjunkturentwicklung in Europa und den USA. „Wir werden vermutlich im zweiten Quartal eine kräftige Erholung sehen, aber danach droht eine Enttäuschung“, sagte Hüfner gestern bei einer Konferenz des Analystenverbands German Association of Investment Professionals (GAIP) in Frankfurt.

Er erinnert an die US-Konjunktur der frühen 90er Jahre. „Damals hatten wir eine so genannte Double-Dip-Rezession“, sagt Hüfner. Nach einer anfänglichen Erholung fiel die Wirtschaft noch einmal in die Rezession zurück. Die weit verbreitete Hoffnung auf weitere Kursgewinne sieht Hüfner skeptisch: „Insbesondere die politischen Risiken für die Wirtschaft werden an den Märkten derzeit vernachlässigt.“

Wolfgang Sawazki von Sal. Oppenheim rechnet schon im Frühjahr mit Enttäuschungen, wenn die Unternehmen trotz verbesserter Konjunkturaussichten magere Ergebnisse für das erste Quartal 2002 präsentierten. Sawazki zieht daraus den Schluss, dass „auch in diesem Jahr mit einer hohen Kursvolatilität und in einigen Branchen mit deutlichen Kursrückschlägen gerechnet werden“ muss. Doch insgesamt ist der Aktienresearch-Chef verhalten optimistisch: Er rechnet damit, dass Aktien dieses Jahr erstmals seit zwei Jahren wieder besser abschneiden als Anleihen. Für den Dax prognostiziert Sal. Oppenheim ein Jahresendstand von 5 700 Punkten, für den Euro-Stoxx 4 200 Punkte – das entspricht einem Potenzial von rund 15 Prozent.

Zuversicht verbreitet auch Lothar Weniger, Leiter des Aktienresearch der genossenschaftlichen DZ Bank. Die jüngste, pessimistische Rede von US- Notenbankchef Alan Greenspan wertet er „eher als bewusste Steuerung der Finanzmärkte“ und weniger als Ausdruck neuer Sorgen um die US-Konjunktur. „Ich habe keinen Anlass, an einem typischen Erholungsszenario mit steigendem Wirtschaftswachstum und steigenden Aktienkursen im Lauf des Jahres zu zweifeln“, sagt Weniger.

Ein Furcht erregendes Szenario entwirft indes der Europa-Chefvolkswirt der frisch fusionierten Großbank United Financial of Japan, Dieter Wermuth. Er erinnert an die dramatischen Erfahrungen in Japan, wo die Wirtschaft seit dem Platzen der riesigen Spekulationsblase (Bubble) vor mehr als zehn Jahren kriselt. „Wir haben es auch in den USA mit einer Bubble zu tun“, sagte Wermuth gestern. Denn die Aktienkurse seien über viele Jahre weit stärker gestiegen, als es die wirtschaftliche Entwicklung rechtfertigte. „Die Korrektur ist meiner Ansicht nach keineswegs beendet“, sagt Wermuth. Die Technologiebörse Nasdaq könne dieses Jahr durchaus um 50 Prozent abstürzen.

Stefan Bergheim, Volkswirt der US-Investmentbank JP Morgan in Frankfurt, äußert sich optimistisch zur Konjunktur, aber pessimistisch zu den Aktienkursen: „Der Aufschwung hat bereits begonnen.“ Angesichts der äußerst niedrigen Gewinnmargen vieler Unternehmen seien die Aktienmärkte aber bereits sehr stark gestiegen. JP Morgan erwartet daher für den breiten US-Aktienindex S&P 500 ein Minus von mehr als 15 Prozent bis Jahresende, während Europas Börsen nur leicht zulegen sollten.

Korrektur an den Börsen durchaus möglich

„In den nächsten Wochen ist eine Korrektur an den Börsen durchaus möglich“, glaubt auch der Europastratege des Investmenthauses Merrill Lynch, Peter Saacke. Das gelte besonders für die Gewinnerbranchen der vergangenen Monate wie Industrie- und Technologie-Aktien. Bei Konjunktur sensitiven Branchen der „Old Economy“ – Luftfahrt und Automobil – ist Saacke dennoch auf Sicht der nächsten zwölf Monate optimistisch.

Auch Sal. Oppenheim mahnt bei Technologieaktien – mit Ausnahme Halbleiter – zur Vorsicht und verweist auf die hohe Bewertung vieler Titel. Künftige Gewinner seien eher in der Finanzbranche und bei Touristik/Fluglinien zu finden. Für Chipaktien spreche der Wendepunkt im Lagerzyklus, für die Banken, Fluggesellschaften und Touristikbranche die Konsolidierungsanstrengungen der Unternehmen.

HANDELSBLATT, Mittwoch, 16. Januar 2002, 19:17 Uhr

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