Für die Ewigkeit
Centenary Diamant: Wurde im Jahr 1986 in der Premier Mine in Südafrika endeckt. Der Rohdiamant wog 599 Karat, nach Schleifen und Polieren nur noch 273 Karat.
Diamanten» Der weiße südafrikanische Söldner Danny Archer und der Schwarze Solomon Vandy vom Stamm der Mende haben eines gemeinsam: die Jagd nach einem verschwundenen riesigen rosa Rohdiamanten. Archer sitzt wegen Schmuggels im Gefängnis. Da erfährt er, dass Vandy den Stein besitzt und irgendwo versteckt. Er schließt sich dem Schwarzen an, der einst zur Arbeit in einer Diamantenmine verschleppt worden war und nun zu seiner Familie zurückkehren will.
Der Treck der beiden Kontrahenten durch den Dschungel wird zur brutalen Tortur. Und zur offenen Anklage blutrünstiger Geschäfte mit Diamanten. Denn in dem westafrikanischen Staat Sierra Leone tobt ein Bürgerkrieg. Die Revolutionäre Vereinigte Front ist berüchtigt für ihre Grausamkeiten, und auch die Regierung schickt Kinder in das Gemetzel. Das Geld für die Waffen stammt meist aus dem Verkauf von Diamanten, über die das Land verfügt. Wie die Expedition zu dem verschwundenen Riesenstein ausgeht, bleibt bis zum Schluss offen.
Die spannende Geschichte rund um die Diamanten, an denen so viel Blut klebt, ist erfunden. Sie kommt Anfang 2007 als „The Blood Diamond“ in die Kinos – mit Hollywood-Liebling Leonardo DiCaprio in der Rolle des Schmugglers Archer. Doch der Titel „Der Blutdiamant“ sorgt schon jetzt für Unruhe. Kago Moshashane, der Chef des so genannten Kimberly-Prozesses, einer Einrichtung zur Selbstkontrolle der Diamantenbranche, und Eli Izhakoff, Chef des World Diamond Council, haben bereits Kontakt zu Regisseur Edward Zwick aufgenommen: „Wir glauben, dass das eine Geschichte ist, die erzählt werden muss“, schrieben die beiden Lobbyisten im Februar an den Filmemacher. Aber es sei, fügten sie etwas dünnhäutig hinzu, „nicht die ganze Geschichte“. Das Geschäft mit den Diamanten habe sich gewandelt. Immer mehr der in Sierra Leone geschürften Diamanten wanderten in legale Kanäle. Das Geld komme dem Land zugute.
Das Action-Drama aus Hollywood trifft die Diamantenbranche in dem wohl tief greifendsten Wandel, den sie jemals durchmachte. Der Markt ist im Umbruch. Der südafrikanische Diamantenproduzent De Beers, der das Rohdiamantengeschäft fast ein Jahrhundert lang als Monopolist dominierte, muss um seine Macht fürchten. Menschenrechtsorganisationen machen Druck auf das Syndikat.
Die europäische Kartellbehörde ist dabei, den Markt völlig neu zu ordnen. Noch immer trauen sich De-Beers-Manager nicht in die USA – aus Angst, wegen Kartellverstößen verhaftet zu werden. Möglicherweise gibt es in diesem Jahr ein Ende des seit 1945 anhängigen Rechtsstreits.
Zugleich boomt das Geschäft wie kaum zuvor. Diamanten funkeln nicht mehr nur an den Fingern oder über dem Dekolletee von Berühmtheiten. Sie glitzern überall, an Bauchkettchen, Zehenringen und durchstochenen Bauchnabeln, verzieren Hosenknöpfe und Haarspangen fast schon von Otto-Normalverdienern. Strass, das Imitat aus Glas, ist out, der echte Brilli in. Vor allem Asiaten reißen den Juwelieren die Ware aus der Hand.
Vor zehn Jahren trug in der chinesischen Metropole Shanghai jede dritte Braut einen Diamantring, heute geht der Trend zum Zweitring. Obendrein profitieren weltweit führende Juweliere wie Cartier, Bulgari, Tiffany & Co. von den steigenden Ölpreisen und vagabundierenden Petrodollar. Inzwischen verkaufen sie weltweit Diamantschmuck für 62 Milliarden Dollar pro Jahr, gut zehn Prozent mehr als 1999.
Und zu allem Überfluss ist der König der Edelsteine inzwischen auch bei den Anlegern als Inflationsschutz wieder begehrt. Das weckt Erinnerungen an die Siebzigerjahre. Im Inflationsjahrzehnt stieg der Preis eines lupenreinen und gut geschliffenen Einkaräters von 5000 auf 70.000 Mark. Weil die Minengesellschaften – an erster Stelle De Beers – wegen des Überangebots in den Neunzigerjahren kaum in Minen und die Suche neuer Vorkommen investierten, droht am Diamantenmarkt eine Angebotslücke.
James Picton, Diamantenexperte beim britischen Broker WH Ireland, prognostiziert bis 2015 ein Defizit in Höhe von jährlich fünf bis sieben Milliarden Dollar, falls nicht rasch neue Diamantenvorkommen erschlossen werden. Die Tresore, mit deren wertvollem Inhalt De Beers über Jahrzehnte hinweg das Angebot und damit die Preise diktierte, sind mittlerweile leer geräumt. Rohdiamanten verteuerten sich in den vergangenen zwei Jahren um durchschnittlich 20 Prozent. In Großbritannien ist das Diamantenfieber so groß, dass die Insulaner neuerdings zehn Prozent ihrer Altersvorsorge in Diamanten anlegen dürfen – steuerbegünstigt, versteht sich.
Seinen Mythos trägt der Diamant allein schon im Namen. Das Wort kommt vom griechischen Adamantos und heißt so viel wie „Der Unbezwingbare“. Chemisch bestehen Diamanten eigentlich nur aus Kohlenstoff, wie reine Kohle oder Grafit. Doch im Gegensatz zur grauen Bleistiftmine, bei der die Atome immer nur eine Schicht bilden, ordnen sich diese beim Diamanten zu einem dreidimensionalen Gitter, in dem jedes Atom symmetrisch mit vier Nachbaratomen verbunden ist. Diese Molekularstruktur macht aus dem Allerweltselement Kohlenstoff das härteste Mineral der Welt.
Nur Diamant schleift Diamant. Mit einem Schmelzpunkt von 3547 Grad Celsius ist es auch das hitzebeständigste; Eisen schmilzt bei 1539 Grad. Auch das Funkeln verdankt der Stein der Steine seinem Aufbau, Diamanten spalten Licht in die Spektralfarben.
Von den physikalischen und chemischen Superlativen ist es nur ein winziger Schritt zur wirtschaftlichen Ausnahmeerscheinung. Diamanten repräsentieren den größten Wert auf kleinstem Raum. Sie sind handlich und leicht zu verstecken. Kein Käufer wird registriert. Und der Besitzer bleibt mit mehrstelligem Vermögen am Hals oder Finger mobil. Im Volksmund heißt ein Diamant auch „Grundstück in der Westentasche“. Je seltener die Farbe, je aufwendiger der Schliff und je reiner die Substanz, desto wertvoller der Stein.
Treuer Begleiter der kleinen Stars ist die Angst. Aus Furcht vor organisierten Dieben endete in London Ende 2005 eine Diamantenausstellung drei Monate früher als geplant. Das Prunkstück der Schau im Natural History Museum war der berühmte 204 Karat (umgerechnet 40,6 Gramm) schwere Millennium Star mit einem Schätzwert von rund 300 Millionen Euro. Der letzte spektakuläre Raub ereignete sich erst vor einem Jahr auf dem Flughafen Schiphol bei Amsterdam. Von der Beute, Diamanten im Wert von 75 Millionen Euro, fehlt jede Spur.
Die dicksten Profite im ganz legalen Diamantengeschäft streichen die ein, die den Anfang und das Ende der Wertschöpfungskette kontrollieren. Das sind die Minenbetreiber vor allem in Afrika, Russland, Australien und Kanada sowie die großen Edeljuweliere. De Beers ist noch immer der größte Förderer von Rohdiamanten, gefolgt vom russischen Staatskonzern Alrosa. Dann kommen die britisch-australischen Bergbauriesen BHP Billiton und Rio Tinto sowie Aber Diamond aus Kanada.
Die Zwischenhändler und Schleifer dagegen sind stark zersplittert, entsprechend mager ihre Margen. In Indien werden heute mehr als die Hälfte der Rohdiamanten geschliffen. Thailand, Israel und New York sind weitere Schleifzentren. Aus Antwerpen sind die einst so zahlreichen Schleifer weit gehend verschwunden, doch die Expertise ist geblieben. Ihren Ruf, die Welthauptstadt der Diamanten zu sein, erwarb sich die belgische Hafenstadt im 16. Jahrhundert, sie war zu der Zeit das wirtschaftliche Herz Europas.
Noch immer wechseln in Antwerpen acht von zehn Rohdiamanten und die Hälfte der geschliffenen Steine ihren Besitzer. Es gibt dort vier Diamantenbörsen, eine von ihnen handelt ausschließlich mit Rohdiamanten. Die großen Deals gehen im Diamantenviertel über die Bühne. Dort sitzt der Hoge Raad voor Diamant (HRD), die Vereinigung von 200 Diamantenhändlern. Der Rat begutachtet die geschliffenen Steine, bewertet und zertifiziert sie, bevor sie an Händler oder Juweliere gehen.
Weltgrößter Diamantschmuckverkäufer ist Cartier, eine Tochter des Schweizer Luxusgüterkonzerns Richemont. Wichtigster Absatzmarkt für Diamanten sind die USA, wo trotz des Asienbooms noch die Hälfte aller geförderten Steine landet. Keine Oscar-Verleihung, zu der die Schönen und Reichen nicht mit dem Diamantschmuck des New Yorkers Harry Winston behängt sind.
Er ist der Juwelier der Stars, zu dessen Stammkundinnen Nicole Kidman gehört. Sein Unternehmen wird seit 2004 mehrheitlich vom Diamantenförderer Aber Diamond kontrolliert. Der Durchschnittspreis für ein Schmuckstück liegt jenseits von 10.000 Dollar. Tiffany, ein paar Straßenzüge weiter auf der Fifth Avenue, ist günstiger. Da gibt es Brillis schon für 300 Dollar.
Doch das Geschäft mit dem Endkunden verändert sich. Der Minenriese De Beers hat sich vor fünf Jahren mit dem französischen Luxuskonzern LVMH zum Juwelier-Joint-Venture De Beers LV zusammengetan. Gleichzeitig kündigt sich eine Revolution an: Denn acht Prozent der weltweiten Schmuckverkäufe laufen inzwischen über das Internet. Per Mausklick gibt es, etwa unter www.bluenile.com, hochwertigen Diamantschmuck bis zu 40 Prozent billiger als bei traditionellen Juwelieren.
Aber der Basispreis klettert scheinbar unaufhörlich. Der Preisanstieg bei Diamanten hat ähnliche Gründe wie die Hausse bei Gold und Silber: Die Nachfrage übersteigt die Minenproduktion. 2004 spuckten die Bergwerke Natursteine im Wert von 11,8 Milliarden Dollar aus, die Schleifereien verarbeiteten aber Steine im Wert von 12,1 Milliarden Dollar. Die Lücke schlossen Diamanten der vorangegangenen Jahre, die vor allem De Beers zurückgehalten hatte, um die Preise zu stützen.
So unterblieb die Suche nach neuen Vorkommen und die Eröffnung neuer Minen. Und das, obwohl vom ersten Fund bis zum Produktionsstart einer Diamantenmine bis zu zehn Jahre vergehen. Entsprechend angezogen haben bereits die Preise. „Geschliffene Steine über 1,5 Karat sind heute zwischen fünf und 50 Prozent teuerer als vor zwei Jahren“, berichtet Rolf Zibung, Diamanteneinkäufer der Schweizer Juwelierkette Bucherer.
Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Denn die Suche nach den seltenen Kohlenstoffbrocken ist schwierig und aufwendig. Diamanten liegen in vulkanischem Tuffgestein, dem so genannten Kimberlit, das vor vielen Millionen Jahren durch Schlote aus dem Erdinnern an die Oberfläche gedrückt wurde und erkaltete.
Der gewaltige Druck, die hohen Temperaturen und der fehlende Sauerstoff pressten den Kohlenstoff in Diamantstruktur. Bisher wurden 5000 Kimberlitröhren entdeckt, doch nur schätzungsweise 100 von ihnen enthalten genügend Diamanten, dass sich die Förderung zurzeit lohnt. Meist hat Regen die erloschenen Vulkane ausgewaschen und mancherorts Diamanten in Flüsse oder ins Meer gespült. Ohnehin eignet sich nur ein Fünftel der weltweit geförderten Diamanten, um daraus Schmuck herzustellen.
Da die einstigen Vulkanschlote schwer zu orten sind, laufen zurzeit groß angelegte Erkundungen. Der russische Diamantenkonzern Alrosa veranstaltet gerade eine der größten geologischen Expeditionen, die sein Heimatland je gesehen hat. Ein Heer von Geologen zieht durch die Mischwälder der Tundra, liest Steine und Mineralien auf, kartografiert alles und analysiert die Daten auf mögliche Vorkommen.
De Beers lässt über der Kalahari-Wüste in Botswana einen 75 Meter langen Zeppelin aufsteigen, um die wertvollen Steine aufzuspüren. Im heute wichtigsten Förderland von De Beers sind die Schlote aus Kimberlit von meterhohem Sand bedeckt. Das mit High Tech vollgestopfte Luftschiff aus Friedrichshafen am Bodensee soll die Röhren mit hochsensiblen Gravitationsmessinstrumenten orten.
Noch bis vor Kurzem kam niemand, der von Diamanten sprach, an De Beers vorbei. Zwar stammt der erste überlieferte Diamantfund aus dem vierten Jahrtausend vor Christus in Indien. Die Geschichte des modernen Diamantenhandels aber beginnt 1871 in Südafrika mit Johannes Nicolaas und Diederik Arnoldus de Beer. Die von holländischen Kalvinisten abstammenden Brüder erlaubten einem Diamantenjäger, ihr Land zu erkunden.
Die Nachricht, dass die Suche Erfolg hatte, ging wie ein Lauffeuer um die Welt. Die De-Beer-Brüder verkauften ihr Land zum 125-fachen des Preises, für den sie es erworben hatten. Cecil Rhodes, die Speerspitze des damaligen britischen Empires in Afrika, sowie seine Landsleute Harry und Barney Barnato kauften auf dem Land Schürfrechte und taten sich zusammen. Das neue Unternehmen erhielt den Namen der einstigen Farminhaber – der Mythos De Beers war geboren. Innerhalb weniger Jahre gewannen die Südafrikaner die Kontrolle über den weltweiten Rohdiamantenmarkt. Zeitweise kam De Beers auf einen Marktanteil von 90 Prozent und versorgte die Schleifereien nach Belieben mit Steinen – mal langsamer, mal schneller.
Der wichtigste Drahtzieher in dem weltweit tätigen Konzern ist die aus Friedberg bei Frankfurt stammende Familie Oppenheimer, die vor etwa 75 Jahren bei De Beers die Regie übernahm. Ernst Oppenheimer, Sohn eines Zigarrenhändlers, emigrierte mit Beginn des Ersten Weltkriegs zuerst nach England und wanderte 1916 nach Südafrika aus.
Dort macht er mit dem Rohstoffhandel ein Vermögen und kauft sich bei De Beers ein. Heute ist das Unternehmen Teil des ebenfalls von der Familie Oppenheimer gegründeten südafrikanischen Bergbauriesen Anglo American, der 45 Prozent der Anteile hält. Die Geschicke des Konzerns lenkt bis heute der Familien-Clan, der 40 Prozent der Anteile kontrolliert. Der Rest von De Beers gehört dem Staat Botswana.
Obwohl De Beers heute offensives Marketing betreibt und fast eine Viertel Milliarde Dollar pro Jahr in Kampagnen steckt, gilt das alte Prinzip: Nicht der Kunde ist König, sondern De Beers. Will ein Schleifer oder Händler bei De Beers Diamanten kaufen, muss er sich bei der Diamond Trading Company (DTC), der in London ansässigen Verkaufstochter des Konzerns, bewerben.
Nur ganz wenige schaffen es in den exklusiven Kundenkreis und dürfen sich Sightholder nennen. Die Bezeichnung beschreibt den Umstand, dass die De-Beers-Tochter DTC ihre Rohdiamanten in regelmäßigen Abständen im Rahmen so genannter Begutachtungsrunden („sights“) verkauft. Selbst die 95 Glücklichen, die zugelassen werden, müssen sich alle zweieinhalb Jahre neu bewerben. Wer dabei durchfällt, verliert nicht selten seine Geschäftsgrundlage. 2004 traf es eine ganze Reihe, darunter den New Yorker Diamantenhändler W. B. David & Co., der 30 Jahre lang De-Beers-Kunde war und nun von De Beers 100 Millionen Dollar Schadensersatz verlangt.
Ähnlich obskur wie das Auswahlverfahren der Sightholder läuft der eigentliche Verkauf der Rohdiamanten. De Beers lädt die akzeptierten Kunden – in erster Linie Inder, Israelis, Belgier und Amerikaner – alle fünf Wochen in die Verkaufszentrale nach London. Dort bekommen sie eine Box mit Rohdiamanten vorgesetzt. In einem speziell hergerichteten Raum mit besonderer Beleuchtung können sie die Steine auf Einschlüsse prüfen und Farbe, Größe und Form beurteilen.
Fantasie ist gefragt: Wie könnte der Diamant geschliffen aussehen? Wie groß wird er? Immerhin gehen beim Schliff bis zu 60 Prozent des Materials verloren. Trotz der schweren Entscheidung darf ein Interessent höchstens ein Zehntel der Rohsteine ablehnen, die De Beers ihm vorsetzt. „Wir wissen, was unsere Klienten wollen“, begründet ein Mitarbeiter von DTC das Prozedere.
Das Diktat zahlt sich aus. 2005 erhöhte DTC den Umsatz um 15 Prozent auf 6,54 Milliarden Dollar. Das entsprach etwa dem Wert der Hälfte aller weltweit geförderten Rohdiamanten. Allerdings erreichte der Marktanteil 1989 noch 80 Prozent. Ursache des Machtverlusts ist wachsender Widerstand an allen Fronten: bei Behörden, Rivalen und Menschenrechtsorganisationen.
Die Vorwürfe zum Beispiel, in illegale Geschäfte mit Diamanten aus afrikanischen Krisengebieten verstrickt zu sein, schadeten der gesamten Branche. Um das angekratzte Image zu polieren, vereinbarten zahlreiche Förderländer und Produzenten Mitte 2003 ein System der Selbstkontrolle, den so genannten Kimberley-Prozess. Seitdem gibt es für jeden ungeschliffenen Stein eine Herkunftsurkunde. Fehlt sie, dürfen ihn Händler und Schleifer nicht erwerben.
Die Wirksamkeit des Systems lässt sich schwer beurteilen. In der Praxis ist es nicht möglich, einem Diamanten seine genaue Herkunft anzusehen, und Zertifikate lassen sich fälschen. Immerhin flogen zuletzt nur wenige Geschäfte mit Blutdiamanten auf. Insider gehen davon aus, dass gegenwärtig noch etwa vier Prozent der Weltjahresförderung zur Finanzierung von Kriegen dienen.
De Beers selbst geriet in den vergangenen Jahren ins Fadenkreuz, als Menschenrechtsorganisationen zum Boykott aufriefen. Angeblich soll der Konzern gemeinsam mit der Regierung von Botswana die Zwangsumsiedlung tausender Buschmänner aus ihrem Reservat in der Kalahari betreiben, um dort nach Diamanten zu suchen. Das britische Supermodel Lily Cole weigerte sich daraufhin, weiter als „Gesicht von De Beers“ zu posieren.
Dennoch taugt Botswana nicht als abschreckendes Beispiel. In dem Land, wo De Beers seit 1967 Diamanten fördert, verschwanden die Einnahmen aus den Diamantenausfuhren nicht in dunklen Kanälen und auf Schweizer Nummernkonten. Mit dem Erlös aus den Steinen wurden Schulen und Krankenhäuser gebaut, für sauberes Wasser gesorgt.
Ein neues Kapitel im Diamantengeschäft schlägt derzeit der hohe Norden auf. Anfang der Neunzigerjahre entdeckten die kanadischen Geologen Charles Fipke und Stewart Blusson nördlich des Polarkreises in den Northwest Territories Kanadas ergiebige Diamantenvorkommen – eine Sensation. Gemessen am Wert der Steine ist Kanada heute das drittgrößte Förderland hinter Botswana und Russland, knapp vor Südafrika und Angola. Auch De Beers ist vor Ort. Im Örtchen Snap Lake baut der Konzern für über 600 Millionen Dollar seine erste Mine jenseits von Afrika, ein zweites Bergwerk in Ontario soll folgen.
Die wichtigsten Spieler im Norden sind jedoch die Bergbauriesen BHP Billiton und Rio Tinto – sowie Aber Diamond. Bei dem kanadischen Diamantenkonzern kauft Tiffany & Co. jährlich Rohsteine für 50 Millionen Dollar ein. Der Rest wandert nach Antwerpen, wo die Kanadier die Steine über ein eigenes Verkaufsbüro direkt an Schleifereien und Händler losschlagen. Diamanten mit Gütesiegel „Truly Canadian“ verkaufen sich gut, vor allem in den USA – an echt kanadischen Steinen klebt kein Blut.
Doch so einfach gibt De Beers seine Macht nicht auf. Der Marktführer schlug zurück und stieg selbst ins Endkundengeschäft ein. Im Juli des vergangenen Jahres eröffnete an der New Yorker Fifth Avenue die erste US-Filiale der Juwelierkette De Beers LV, des Gemeinschaftsunternehmens mit LVMH aus Frankreich. Zur Eröffnung ließen sich Hotelerbin Paris Hilton und Supermodel Naomi Campbell blicken.
Heute hat die Kette weltweit zehn Geschäfte, langfristig geplant sind 150 Läden. Das setzt vor allem Tiffany und Bulgari unter Druck – Cartier („der König der Juweliere“) ist eine Nummer zu groß. „Die bei Cartier haben sicher keine schlaflosen Nächte“, sagt Paul van Meurs, Analyst bei der Deutschen Bank in Johannesburg.
Doch aufpassen muss auch De Beers LV. Das Management der Juwelierkette betont nicht ohne Grund, dass es unabhängig von der Mutter agiert und sich alle Steine auf dem freien Markt besorgt. Denn De Beers selber darf seit mehr als 50 Jahren keine Edelsteine direkt an amerikanische Kunden verkaufen. Die US-Kartellbehörden werfen dem Konzern vor, die Preise für Diamanten künstlich hoch gehalten zu haben.
De Beers belieferte den US-Markt jahrzehntelang über Drittfirmen. Nun hofft De Beers, die Blockade durch einen Vergleich zu lösen, der auf Entschädigungszahlungen von 250 Millionen Dollar hinausläuft – ein preiswerter Freikauf. Eine Einigung könnte es noch in diesem Jahr geben. Dafür greift nun jedoch auch der staatliche russische Diamantenförderer Alrosa direkt ins Marktgeschehen ein. Die Russen agierten bisher im Verborgenen.
Noch deuten kein Firmenschild und kein Logo an der zartgelben Moskauer Villa zwei Kilometer südlich des Kremls auf den zweitgrößten Diamantenproduzenten hin. Nur Kameras rund um das Gebäude zeugen von Macht und Bedeutung. Doch das soll sich ändern. Denn die EU-Kommission hat Alrosa auserkoren, De Beers das Geschäft streitig zu machen.
Brüssel kritisiert schon länger, dass die Russen ihre Diamanten nicht selber auf den Weltmarkt bringen, sondern sie an De Beers verkaufen. Die Verbindungen gehen zurück auf die frühen Siebzigerjahre, als das damalige Diamantenkombinat mit De Beers ein erstes Handelsabkommen schloss. Auch nach der Umwandlung in Alrosa kaufte De Beers knapp die Hälfte der Förderung auf – der Rest blieb in Russland. 2001 nahm die EU-Kommission die Beziehung unter die Lupe mit dem Ziel, das Geflecht zu zerschlagen.
Im Februar dieses Jahres einigte sich Brüssel mit beiden Unternehmen auf einen Kompromiss. Alrosa wird das Liefervolumen an De Beers bis 2009 von zuletzt 800 Millionen Dollar auf null drosseln. Zudem bauen die Russen ein Vertriebsnetz auf. Seit 2005 verkauft Alrosa Diamanten direkt über Niederlassungen in Hongkong und Antwerpen – zum Teil per Auktionen, zum Teil bei Treffen mit ausgewählten Händlern.
Alrosa wird es aber trotz des gegenwärtigen Diamantenbooms nicht leicht haben, die Ware an De Beers vorbei in die Schleifereien zu drücken. „Kein Sightholder wird freiwillig ganz zu Alrosa wechseln“, sagt der israelische Branchenberater Chaim Even-Zohar. Dafür ist die Abhängigkeit von De Beers nach wie vor zu groß.
Wohl auch deshalb bemühen sich die Alrosa-Manager, nicht den Eindruck zu erwecken, als planten sie einen Frontalangriff auf den Marktführer. „Es wäre dumm, schon jetzt in einen offenen Kampf zu treten“, sagt Alrosa-Vice-President Dimitri Nowikow. So etwas brauche Zeit. Langfristig ausschließen will er die offene Konfrontation aber nicht.
Dabei hätte Alrosa wohl ganz gute Karten. Die Russen fördern jährlich 32 Millionen Karat, De Beers brachte es zuletzt auf 49 Millionen Karat. Und Alrosa fasste schon Ende der Neunzigerjahre in Angola, dem einstigen Bruderstaat der Sowjetunion, Fuß – De Beers hatte dort bisher keinen Erfolg. Angolas Linksregierung beschuldigte den Konzern, während des Bürgerkriegs die rechten Unita-Rebellen durch den Kauf von Diamanten gestützt zu haben.
Nicht nur vor diesem Hintergrund fällt der Reißer mit DiCaprio bei Protestgruppen sicher auf fruchtbaren Boden. Denn auch ohne blutige Kriege drohen schmutzige Geschäfte immer wieder das Image der Diamanten zu beschädigen. So ließen sich Gutachter des renommierten Gemological Institute of America unlängst schmieren, um Diamanten höher als zulässig zu bewerten.
Der Schwindel flog auf, als die Käufer der Steine, Mitglieder der saudischen Königsfamilie, die Diamanten noch einmal taxieren ließen. Die Steine waren deutlich weniger wert, als sie gezahlt hatten. Nun ermitteln US-Behörden gegen Gutachter und Händler in New York.
Überleben wird die Branche aber auch diesen Skandal. Schließlich sind Diamanten unbezwingbar – etwas für die Ewigkeit.
Quelle: WiWo
...be invested
Der EinsameSamariter
Centenary Diamant: Wurde im Jahr 1986 in der Premier Mine in Südafrika endeckt. Der Rohdiamant wog 599 Karat, nach Schleifen und Polieren nur noch 273 Karat.
Diamanten» Der weiße südafrikanische Söldner Danny Archer und der Schwarze Solomon Vandy vom Stamm der Mende haben eines gemeinsam: die Jagd nach einem verschwundenen riesigen rosa Rohdiamanten. Archer sitzt wegen Schmuggels im Gefängnis. Da erfährt er, dass Vandy den Stein besitzt und irgendwo versteckt. Er schließt sich dem Schwarzen an, der einst zur Arbeit in einer Diamantenmine verschleppt worden war und nun zu seiner Familie zurückkehren will.
Der Treck der beiden Kontrahenten durch den Dschungel wird zur brutalen Tortur. Und zur offenen Anklage blutrünstiger Geschäfte mit Diamanten. Denn in dem westafrikanischen Staat Sierra Leone tobt ein Bürgerkrieg. Die Revolutionäre Vereinigte Front ist berüchtigt für ihre Grausamkeiten, und auch die Regierung schickt Kinder in das Gemetzel. Das Geld für die Waffen stammt meist aus dem Verkauf von Diamanten, über die das Land verfügt. Wie die Expedition zu dem verschwundenen Riesenstein ausgeht, bleibt bis zum Schluss offen.
Die spannende Geschichte rund um die Diamanten, an denen so viel Blut klebt, ist erfunden. Sie kommt Anfang 2007 als „The Blood Diamond“ in die Kinos – mit Hollywood-Liebling Leonardo DiCaprio in der Rolle des Schmugglers Archer. Doch der Titel „Der Blutdiamant“ sorgt schon jetzt für Unruhe. Kago Moshashane, der Chef des so genannten Kimberly-Prozesses, einer Einrichtung zur Selbstkontrolle der Diamantenbranche, und Eli Izhakoff, Chef des World Diamond Council, haben bereits Kontakt zu Regisseur Edward Zwick aufgenommen: „Wir glauben, dass das eine Geschichte ist, die erzählt werden muss“, schrieben die beiden Lobbyisten im Februar an den Filmemacher. Aber es sei, fügten sie etwas dünnhäutig hinzu, „nicht die ganze Geschichte“. Das Geschäft mit den Diamanten habe sich gewandelt. Immer mehr der in Sierra Leone geschürften Diamanten wanderten in legale Kanäle. Das Geld komme dem Land zugute.
Das Action-Drama aus Hollywood trifft die Diamantenbranche in dem wohl tief greifendsten Wandel, den sie jemals durchmachte. Der Markt ist im Umbruch. Der südafrikanische Diamantenproduzent De Beers, der das Rohdiamantengeschäft fast ein Jahrhundert lang als Monopolist dominierte, muss um seine Macht fürchten. Menschenrechtsorganisationen machen Druck auf das Syndikat.
Die europäische Kartellbehörde ist dabei, den Markt völlig neu zu ordnen. Noch immer trauen sich De-Beers-Manager nicht in die USA – aus Angst, wegen Kartellverstößen verhaftet zu werden. Möglicherweise gibt es in diesem Jahr ein Ende des seit 1945 anhängigen Rechtsstreits.
Zugleich boomt das Geschäft wie kaum zuvor. Diamanten funkeln nicht mehr nur an den Fingern oder über dem Dekolletee von Berühmtheiten. Sie glitzern überall, an Bauchkettchen, Zehenringen und durchstochenen Bauchnabeln, verzieren Hosenknöpfe und Haarspangen fast schon von Otto-Normalverdienern. Strass, das Imitat aus Glas, ist out, der echte Brilli in. Vor allem Asiaten reißen den Juwelieren die Ware aus der Hand.
Vor zehn Jahren trug in der chinesischen Metropole Shanghai jede dritte Braut einen Diamantring, heute geht der Trend zum Zweitring. Obendrein profitieren weltweit führende Juweliere wie Cartier, Bulgari, Tiffany & Co. von den steigenden Ölpreisen und vagabundierenden Petrodollar. Inzwischen verkaufen sie weltweit Diamantschmuck für 62 Milliarden Dollar pro Jahr, gut zehn Prozent mehr als 1999.
Und zu allem Überfluss ist der König der Edelsteine inzwischen auch bei den Anlegern als Inflationsschutz wieder begehrt. Das weckt Erinnerungen an die Siebzigerjahre. Im Inflationsjahrzehnt stieg der Preis eines lupenreinen und gut geschliffenen Einkaräters von 5000 auf 70.000 Mark. Weil die Minengesellschaften – an erster Stelle De Beers – wegen des Überangebots in den Neunzigerjahren kaum in Minen und die Suche neuer Vorkommen investierten, droht am Diamantenmarkt eine Angebotslücke.
James Picton, Diamantenexperte beim britischen Broker WH Ireland, prognostiziert bis 2015 ein Defizit in Höhe von jährlich fünf bis sieben Milliarden Dollar, falls nicht rasch neue Diamantenvorkommen erschlossen werden. Die Tresore, mit deren wertvollem Inhalt De Beers über Jahrzehnte hinweg das Angebot und damit die Preise diktierte, sind mittlerweile leer geräumt. Rohdiamanten verteuerten sich in den vergangenen zwei Jahren um durchschnittlich 20 Prozent. In Großbritannien ist das Diamantenfieber so groß, dass die Insulaner neuerdings zehn Prozent ihrer Altersvorsorge in Diamanten anlegen dürfen – steuerbegünstigt, versteht sich.
Seinen Mythos trägt der Diamant allein schon im Namen. Das Wort kommt vom griechischen Adamantos und heißt so viel wie „Der Unbezwingbare“. Chemisch bestehen Diamanten eigentlich nur aus Kohlenstoff, wie reine Kohle oder Grafit. Doch im Gegensatz zur grauen Bleistiftmine, bei der die Atome immer nur eine Schicht bilden, ordnen sich diese beim Diamanten zu einem dreidimensionalen Gitter, in dem jedes Atom symmetrisch mit vier Nachbaratomen verbunden ist. Diese Molekularstruktur macht aus dem Allerweltselement Kohlenstoff das härteste Mineral der Welt.
Nur Diamant schleift Diamant. Mit einem Schmelzpunkt von 3547 Grad Celsius ist es auch das hitzebeständigste; Eisen schmilzt bei 1539 Grad. Auch das Funkeln verdankt der Stein der Steine seinem Aufbau, Diamanten spalten Licht in die Spektralfarben.
Von den physikalischen und chemischen Superlativen ist es nur ein winziger Schritt zur wirtschaftlichen Ausnahmeerscheinung. Diamanten repräsentieren den größten Wert auf kleinstem Raum. Sie sind handlich und leicht zu verstecken. Kein Käufer wird registriert. Und der Besitzer bleibt mit mehrstelligem Vermögen am Hals oder Finger mobil. Im Volksmund heißt ein Diamant auch „Grundstück in der Westentasche“. Je seltener die Farbe, je aufwendiger der Schliff und je reiner die Substanz, desto wertvoller der Stein.
Treuer Begleiter der kleinen Stars ist die Angst. Aus Furcht vor organisierten Dieben endete in London Ende 2005 eine Diamantenausstellung drei Monate früher als geplant. Das Prunkstück der Schau im Natural History Museum war der berühmte 204 Karat (umgerechnet 40,6 Gramm) schwere Millennium Star mit einem Schätzwert von rund 300 Millionen Euro. Der letzte spektakuläre Raub ereignete sich erst vor einem Jahr auf dem Flughafen Schiphol bei Amsterdam. Von der Beute, Diamanten im Wert von 75 Millionen Euro, fehlt jede Spur.
Die dicksten Profite im ganz legalen Diamantengeschäft streichen die ein, die den Anfang und das Ende der Wertschöpfungskette kontrollieren. Das sind die Minenbetreiber vor allem in Afrika, Russland, Australien und Kanada sowie die großen Edeljuweliere. De Beers ist noch immer der größte Förderer von Rohdiamanten, gefolgt vom russischen Staatskonzern Alrosa. Dann kommen die britisch-australischen Bergbauriesen BHP Billiton und Rio Tinto sowie Aber Diamond aus Kanada.
Die Zwischenhändler und Schleifer dagegen sind stark zersplittert, entsprechend mager ihre Margen. In Indien werden heute mehr als die Hälfte der Rohdiamanten geschliffen. Thailand, Israel und New York sind weitere Schleifzentren. Aus Antwerpen sind die einst so zahlreichen Schleifer weit gehend verschwunden, doch die Expertise ist geblieben. Ihren Ruf, die Welthauptstadt der Diamanten zu sein, erwarb sich die belgische Hafenstadt im 16. Jahrhundert, sie war zu der Zeit das wirtschaftliche Herz Europas.
Noch immer wechseln in Antwerpen acht von zehn Rohdiamanten und die Hälfte der geschliffenen Steine ihren Besitzer. Es gibt dort vier Diamantenbörsen, eine von ihnen handelt ausschließlich mit Rohdiamanten. Die großen Deals gehen im Diamantenviertel über die Bühne. Dort sitzt der Hoge Raad voor Diamant (HRD), die Vereinigung von 200 Diamantenhändlern. Der Rat begutachtet die geschliffenen Steine, bewertet und zertifiziert sie, bevor sie an Händler oder Juweliere gehen.
Weltgrößter Diamantschmuckverkäufer ist Cartier, eine Tochter des Schweizer Luxusgüterkonzerns Richemont. Wichtigster Absatzmarkt für Diamanten sind die USA, wo trotz des Asienbooms noch die Hälfte aller geförderten Steine landet. Keine Oscar-Verleihung, zu der die Schönen und Reichen nicht mit dem Diamantschmuck des New Yorkers Harry Winston behängt sind.
Er ist der Juwelier der Stars, zu dessen Stammkundinnen Nicole Kidman gehört. Sein Unternehmen wird seit 2004 mehrheitlich vom Diamantenförderer Aber Diamond kontrolliert. Der Durchschnittspreis für ein Schmuckstück liegt jenseits von 10.000 Dollar. Tiffany, ein paar Straßenzüge weiter auf der Fifth Avenue, ist günstiger. Da gibt es Brillis schon für 300 Dollar.
Doch das Geschäft mit dem Endkunden verändert sich. Der Minenriese De Beers hat sich vor fünf Jahren mit dem französischen Luxuskonzern LVMH zum Juwelier-Joint-Venture De Beers LV zusammengetan. Gleichzeitig kündigt sich eine Revolution an: Denn acht Prozent der weltweiten Schmuckverkäufe laufen inzwischen über das Internet. Per Mausklick gibt es, etwa unter www.bluenile.com, hochwertigen Diamantschmuck bis zu 40 Prozent billiger als bei traditionellen Juwelieren.
Aber der Basispreis klettert scheinbar unaufhörlich. Der Preisanstieg bei Diamanten hat ähnliche Gründe wie die Hausse bei Gold und Silber: Die Nachfrage übersteigt die Minenproduktion. 2004 spuckten die Bergwerke Natursteine im Wert von 11,8 Milliarden Dollar aus, die Schleifereien verarbeiteten aber Steine im Wert von 12,1 Milliarden Dollar. Die Lücke schlossen Diamanten der vorangegangenen Jahre, die vor allem De Beers zurückgehalten hatte, um die Preise zu stützen.
So unterblieb die Suche nach neuen Vorkommen und die Eröffnung neuer Minen. Und das, obwohl vom ersten Fund bis zum Produktionsstart einer Diamantenmine bis zu zehn Jahre vergehen. Entsprechend angezogen haben bereits die Preise. „Geschliffene Steine über 1,5 Karat sind heute zwischen fünf und 50 Prozent teuerer als vor zwei Jahren“, berichtet Rolf Zibung, Diamanteneinkäufer der Schweizer Juwelierkette Bucherer.
Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Denn die Suche nach den seltenen Kohlenstoffbrocken ist schwierig und aufwendig. Diamanten liegen in vulkanischem Tuffgestein, dem so genannten Kimberlit, das vor vielen Millionen Jahren durch Schlote aus dem Erdinnern an die Oberfläche gedrückt wurde und erkaltete.
Der gewaltige Druck, die hohen Temperaturen und der fehlende Sauerstoff pressten den Kohlenstoff in Diamantstruktur. Bisher wurden 5000 Kimberlitröhren entdeckt, doch nur schätzungsweise 100 von ihnen enthalten genügend Diamanten, dass sich die Förderung zurzeit lohnt. Meist hat Regen die erloschenen Vulkane ausgewaschen und mancherorts Diamanten in Flüsse oder ins Meer gespült. Ohnehin eignet sich nur ein Fünftel der weltweit geförderten Diamanten, um daraus Schmuck herzustellen.
Da die einstigen Vulkanschlote schwer zu orten sind, laufen zurzeit groß angelegte Erkundungen. Der russische Diamantenkonzern Alrosa veranstaltet gerade eine der größten geologischen Expeditionen, die sein Heimatland je gesehen hat. Ein Heer von Geologen zieht durch die Mischwälder der Tundra, liest Steine und Mineralien auf, kartografiert alles und analysiert die Daten auf mögliche Vorkommen.
De Beers lässt über der Kalahari-Wüste in Botswana einen 75 Meter langen Zeppelin aufsteigen, um die wertvollen Steine aufzuspüren. Im heute wichtigsten Förderland von De Beers sind die Schlote aus Kimberlit von meterhohem Sand bedeckt. Das mit High Tech vollgestopfte Luftschiff aus Friedrichshafen am Bodensee soll die Röhren mit hochsensiblen Gravitationsmessinstrumenten orten.
Noch bis vor Kurzem kam niemand, der von Diamanten sprach, an De Beers vorbei. Zwar stammt der erste überlieferte Diamantfund aus dem vierten Jahrtausend vor Christus in Indien. Die Geschichte des modernen Diamantenhandels aber beginnt 1871 in Südafrika mit Johannes Nicolaas und Diederik Arnoldus de Beer. Die von holländischen Kalvinisten abstammenden Brüder erlaubten einem Diamantenjäger, ihr Land zu erkunden.
Die Nachricht, dass die Suche Erfolg hatte, ging wie ein Lauffeuer um die Welt. Die De-Beer-Brüder verkauften ihr Land zum 125-fachen des Preises, für den sie es erworben hatten. Cecil Rhodes, die Speerspitze des damaligen britischen Empires in Afrika, sowie seine Landsleute Harry und Barney Barnato kauften auf dem Land Schürfrechte und taten sich zusammen. Das neue Unternehmen erhielt den Namen der einstigen Farminhaber – der Mythos De Beers war geboren. Innerhalb weniger Jahre gewannen die Südafrikaner die Kontrolle über den weltweiten Rohdiamantenmarkt. Zeitweise kam De Beers auf einen Marktanteil von 90 Prozent und versorgte die Schleifereien nach Belieben mit Steinen – mal langsamer, mal schneller.
Der wichtigste Drahtzieher in dem weltweit tätigen Konzern ist die aus Friedberg bei Frankfurt stammende Familie Oppenheimer, die vor etwa 75 Jahren bei De Beers die Regie übernahm. Ernst Oppenheimer, Sohn eines Zigarrenhändlers, emigrierte mit Beginn des Ersten Weltkriegs zuerst nach England und wanderte 1916 nach Südafrika aus.
Dort macht er mit dem Rohstoffhandel ein Vermögen und kauft sich bei De Beers ein. Heute ist das Unternehmen Teil des ebenfalls von der Familie Oppenheimer gegründeten südafrikanischen Bergbauriesen Anglo American, der 45 Prozent der Anteile hält. Die Geschicke des Konzerns lenkt bis heute der Familien-Clan, der 40 Prozent der Anteile kontrolliert. Der Rest von De Beers gehört dem Staat Botswana.
Obwohl De Beers heute offensives Marketing betreibt und fast eine Viertel Milliarde Dollar pro Jahr in Kampagnen steckt, gilt das alte Prinzip: Nicht der Kunde ist König, sondern De Beers. Will ein Schleifer oder Händler bei De Beers Diamanten kaufen, muss er sich bei der Diamond Trading Company (DTC), der in London ansässigen Verkaufstochter des Konzerns, bewerben.
Nur ganz wenige schaffen es in den exklusiven Kundenkreis und dürfen sich Sightholder nennen. Die Bezeichnung beschreibt den Umstand, dass die De-Beers-Tochter DTC ihre Rohdiamanten in regelmäßigen Abständen im Rahmen so genannter Begutachtungsrunden („sights“) verkauft. Selbst die 95 Glücklichen, die zugelassen werden, müssen sich alle zweieinhalb Jahre neu bewerben. Wer dabei durchfällt, verliert nicht selten seine Geschäftsgrundlage. 2004 traf es eine ganze Reihe, darunter den New Yorker Diamantenhändler W. B. David & Co., der 30 Jahre lang De-Beers-Kunde war und nun von De Beers 100 Millionen Dollar Schadensersatz verlangt.
Ähnlich obskur wie das Auswahlverfahren der Sightholder läuft der eigentliche Verkauf der Rohdiamanten. De Beers lädt die akzeptierten Kunden – in erster Linie Inder, Israelis, Belgier und Amerikaner – alle fünf Wochen in die Verkaufszentrale nach London. Dort bekommen sie eine Box mit Rohdiamanten vorgesetzt. In einem speziell hergerichteten Raum mit besonderer Beleuchtung können sie die Steine auf Einschlüsse prüfen und Farbe, Größe und Form beurteilen.
Fantasie ist gefragt: Wie könnte der Diamant geschliffen aussehen? Wie groß wird er? Immerhin gehen beim Schliff bis zu 60 Prozent des Materials verloren. Trotz der schweren Entscheidung darf ein Interessent höchstens ein Zehntel der Rohsteine ablehnen, die De Beers ihm vorsetzt. „Wir wissen, was unsere Klienten wollen“, begründet ein Mitarbeiter von DTC das Prozedere.
Das Diktat zahlt sich aus. 2005 erhöhte DTC den Umsatz um 15 Prozent auf 6,54 Milliarden Dollar. Das entsprach etwa dem Wert der Hälfte aller weltweit geförderten Rohdiamanten. Allerdings erreichte der Marktanteil 1989 noch 80 Prozent. Ursache des Machtverlusts ist wachsender Widerstand an allen Fronten: bei Behörden, Rivalen und Menschenrechtsorganisationen.
Die Vorwürfe zum Beispiel, in illegale Geschäfte mit Diamanten aus afrikanischen Krisengebieten verstrickt zu sein, schadeten der gesamten Branche. Um das angekratzte Image zu polieren, vereinbarten zahlreiche Förderländer und Produzenten Mitte 2003 ein System der Selbstkontrolle, den so genannten Kimberley-Prozess. Seitdem gibt es für jeden ungeschliffenen Stein eine Herkunftsurkunde. Fehlt sie, dürfen ihn Händler und Schleifer nicht erwerben.
Die Wirksamkeit des Systems lässt sich schwer beurteilen. In der Praxis ist es nicht möglich, einem Diamanten seine genaue Herkunft anzusehen, und Zertifikate lassen sich fälschen. Immerhin flogen zuletzt nur wenige Geschäfte mit Blutdiamanten auf. Insider gehen davon aus, dass gegenwärtig noch etwa vier Prozent der Weltjahresförderung zur Finanzierung von Kriegen dienen.
De Beers selbst geriet in den vergangenen Jahren ins Fadenkreuz, als Menschenrechtsorganisationen zum Boykott aufriefen. Angeblich soll der Konzern gemeinsam mit der Regierung von Botswana die Zwangsumsiedlung tausender Buschmänner aus ihrem Reservat in der Kalahari betreiben, um dort nach Diamanten zu suchen. Das britische Supermodel Lily Cole weigerte sich daraufhin, weiter als „Gesicht von De Beers“ zu posieren.
Dennoch taugt Botswana nicht als abschreckendes Beispiel. In dem Land, wo De Beers seit 1967 Diamanten fördert, verschwanden die Einnahmen aus den Diamantenausfuhren nicht in dunklen Kanälen und auf Schweizer Nummernkonten. Mit dem Erlös aus den Steinen wurden Schulen und Krankenhäuser gebaut, für sauberes Wasser gesorgt.
Ein neues Kapitel im Diamantengeschäft schlägt derzeit der hohe Norden auf. Anfang der Neunzigerjahre entdeckten die kanadischen Geologen Charles Fipke und Stewart Blusson nördlich des Polarkreises in den Northwest Territories Kanadas ergiebige Diamantenvorkommen – eine Sensation. Gemessen am Wert der Steine ist Kanada heute das drittgrößte Förderland hinter Botswana und Russland, knapp vor Südafrika und Angola. Auch De Beers ist vor Ort. Im Örtchen Snap Lake baut der Konzern für über 600 Millionen Dollar seine erste Mine jenseits von Afrika, ein zweites Bergwerk in Ontario soll folgen.
Die wichtigsten Spieler im Norden sind jedoch die Bergbauriesen BHP Billiton und Rio Tinto – sowie Aber Diamond. Bei dem kanadischen Diamantenkonzern kauft Tiffany & Co. jährlich Rohsteine für 50 Millionen Dollar ein. Der Rest wandert nach Antwerpen, wo die Kanadier die Steine über ein eigenes Verkaufsbüro direkt an Schleifereien und Händler losschlagen. Diamanten mit Gütesiegel „Truly Canadian“ verkaufen sich gut, vor allem in den USA – an echt kanadischen Steinen klebt kein Blut.
Doch so einfach gibt De Beers seine Macht nicht auf. Der Marktführer schlug zurück und stieg selbst ins Endkundengeschäft ein. Im Juli des vergangenen Jahres eröffnete an der New Yorker Fifth Avenue die erste US-Filiale der Juwelierkette De Beers LV, des Gemeinschaftsunternehmens mit LVMH aus Frankreich. Zur Eröffnung ließen sich Hotelerbin Paris Hilton und Supermodel Naomi Campbell blicken.
Heute hat die Kette weltweit zehn Geschäfte, langfristig geplant sind 150 Läden. Das setzt vor allem Tiffany und Bulgari unter Druck – Cartier („der König der Juweliere“) ist eine Nummer zu groß. „Die bei Cartier haben sicher keine schlaflosen Nächte“, sagt Paul van Meurs, Analyst bei der Deutschen Bank in Johannesburg.
Doch aufpassen muss auch De Beers LV. Das Management der Juwelierkette betont nicht ohne Grund, dass es unabhängig von der Mutter agiert und sich alle Steine auf dem freien Markt besorgt. Denn De Beers selber darf seit mehr als 50 Jahren keine Edelsteine direkt an amerikanische Kunden verkaufen. Die US-Kartellbehörden werfen dem Konzern vor, die Preise für Diamanten künstlich hoch gehalten zu haben.
De Beers belieferte den US-Markt jahrzehntelang über Drittfirmen. Nun hofft De Beers, die Blockade durch einen Vergleich zu lösen, der auf Entschädigungszahlungen von 250 Millionen Dollar hinausläuft – ein preiswerter Freikauf. Eine Einigung könnte es noch in diesem Jahr geben. Dafür greift nun jedoch auch der staatliche russische Diamantenförderer Alrosa direkt ins Marktgeschehen ein. Die Russen agierten bisher im Verborgenen.
Noch deuten kein Firmenschild und kein Logo an der zartgelben Moskauer Villa zwei Kilometer südlich des Kremls auf den zweitgrößten Diamantenproduzenten hin. Nur Kameras rund um das Gebäude zeugen von Macht und Bedeutung. Doch das soll sich ändern. Denn die EU-Kommission hat Alrosa auserkoren, De Beers das Geschäft streitig zu machen.
Brüssel kritisiert schon länger, dass die Russen ihre Diamanten nicht selber auf den Weltmarkt bringen, sondern sie an De Beers verkaufen. Die Verbindungen gehen zurück auf die frühen Siebzigerjahre, als das damalige Diamantenkombinat mit De Beers ein erstes Handelsabkommen schloss. Auch nach der Umwandlung in Alrosa kaufte De Beers knapp die Hälfte der Förderung auf – der Rest blieb in Russland. 2001 nahm die EU-Kommission die Beziehung unter die Lupe mit dem Ziel, das Geflecht zu zerschlagen.
Im Februar dieses Jahres einigte sich Brüssel mit beiden Unternehmen auf einen Kompromiss. Alrosa wird das Liefervolumen an De Beers bis 2009 von zuletzt 800 Millionen Dollar auf null drosseln. Zudem bauen die Russen ein Vertriebsnetz auf. Seit 2005 verkauft Alrosa Diamanten direkt über Niederlassungen in Hongkong und Antwerpen – zum Teil per Auktionen, zum Teil bei Treffen mit ausgewählten Händlern.
Alrosa wird es aber trotz des gegenwärtigen Diamantenbooms nicht leicht haben, die Ware an De Beers vorbei in die Schleifereien zu drücken. „Kein Sightholder wird freiwillig ganz zu Alrosa wechseln“, sagt der israelische Branchenberater Chaim Even-Zohar. Dafür ist die Abhängigkeit von De Beers nach wie vor zu groß.
Wohl auch deshalb bemühen sich die Alrosa-Manager, nicht den Eindruck zu erwecken, als planten sie einen Frontalangriff auf den Marktführer. „Es wäre dumm, schon jetzt in einen offenen Kampf zu treten“, sagt Alrosa-Vice-President Dimitri Nowikow. So etwas brauche Zeit. Langfristig ausschließen will er die offene Konfrontation aber nicht.
Dabei hätte Alrosa wohl ganz gute Karten. Die Russen fördern jährlich 32 Millionen Karat, De Beers brachte es zuletzt auf 49 Millionen Karat. Und Alrosa fasste schon Ende der Neunzigerjahre in Angola, dem einstigen Bruderstaat der Sowjetunion, Fuß – De Beers hatte dort bisher keinen Erfolg. Angolas Linksregierung beschuldigte den Konzern, während des Bürgerkriegs die rechten Unita-Rebellen durch den Kauf von Diamanten gestützt zu haben.
Nicht nur vor diesem Hintergrund fällt der Reißer mit DiCaprio bei Protestgruppen sicher auf fruchtbaren Boden. Denn auch ohne blutige Kriege drohen schmutzige Geschäfte immer wieder das Image der Diamanten zu beschädigen. So ließen sich Gutachter des renommierten Gemological Institute of America unlängst schmieren, um Diamanten höher als zulässig zu bewerten.
Der Schwindel flog auf, als die Käufer der Steine, Mitglieder der saudischen Königsfamilie, die Diamanten noch einmal taxieren ließen. Die Steine waren deutlich weniger wert, als sie gezahlt hatten. Nun ermitteln US-Behörden gegen Gutachter und Händler in New York.
Überleben wird die Branche aber auch diesen Skandal. Schließlich sind Diamanten unbezwingbar – etwas für die Ewigkeit.
Quelle: WiWo
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