Frühjahrsputz fürs Depot

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Nassie:

Frühjahrsputz fürs Depot

 
27.04.03 15:34
Wie fit sind Sie für das Comeback der Börsen? Viele Anleger haben überflüssige Risiken in ihren Depots – und ahnen nichts davon. Der EURO-Depot-Check deckt Schwächen auf und zeigt, wie es besser geht
von R. Rockenmaier und T. Schmidtutz, Euro am Sonntag 17/03

Wer Anleger nach dem Risiko ihres Portfolios fragt, erntet meist verständnislose Blicke. „Ich“, sagen viele dann selbstsicher, „habe verschiedene Aktien im Depot, das Risiko ist ordentlich gestreut.“

Schön wär’s. Die Praxis sieht anders aus. „Die meisten Anleger kaufen ihre Werte oft spontan. Das Ergebnis sind Zufallsportfolios“, sagt Andreas Beck, Vorstand der Unternehmensberatung Tetralog. Beck muss es wissen. Die Münchner haben in den vergangenen Jahren über 50000 Depots deutscher Anleger geprüft. Das Ergebnis: „Die meisten Privatanleger haben enorme Risiken angehäuft“ – ohne es zu ahnen.

Während etwa das Risiko, gemessen an der Schwankungsbreite von Aktienkursen, im DAX bei durchschnittlich 23 Prozent liegt, bringen es Depots deutscher Privatanleger in der Regel auf über 30 Prozent.

Das schwankungsfreudigere Depot berechtigt aber nicht automatisch zu einer höheren Renditeerwartung. Im Gegenteil: Viele Anleger nehmen unnötig hohe Verlustgefahren in Kauf, ohne dass sich die Renditechancen ihres Depots entsprechend verbessern. Wie das kommt? Durch „Klumpenbildung“, erläutert Hauke Hess, Portfolio-Manager bei der Hamburgischen Landesbank.

Vor allem Technologie-Werte haben es deutschen Privatanlegern angetan. Natürlich sind Siemens, SAP oder die Deutsche Telekom für sich genommen durchaus aussichtsreich. Aber gemeinsam werden sie gefährlich. Die Häufung von Werten aus einer Branche in einem Depot kann nämlich leicht eine explosive Mischung ergeben.

„Wir beobachten zum Beispiel bei Ingenieuren sehr häufig technologielastige Depots. Die kaufen diese Aktien, weil sie sich mit der Technologie auskennen“, berichtet Andreas Beck. Aber die einseitige Ausrichtung „ist eben ein Kardinalfehler. Denn wenn die Branche unter Druck gerät, trifft es diese Gruppe gleich doppelt: einmal über ihr Depot und zweitens, weil auch noch der Job häufig in Gefahr ist“.

Dabei lässt sich das Risiko des Depots als ganzes deutlich reduzieren – ohne Verzicht auf Ertrags-Chancen. Wie das geht? Mit dem EURO-Depot-Check. Gemeinsam mit dem Investment-Vermittler TopTen checken die Tetralog-Strategen Ihr Portfolio und liefern Ihnen Empfehlungen, wie Sie das Risiko zurückfahren und die Rendite-Erwartung dabei auch noch verbessern können. Produktpartner dabei ist die Fondsgesellschaft Franklin Templeton.

„Man sollte nicht nur ein Renditeziel, sondern auch ein Risikomaß definieren“, erklärt Reinhard Berben von Franklin Templeton. Die Überlegungen dahinter basieren auf der Nobelpreis-gekrönten Portfolio-Theorie von Harry M. Markowitz. Der US-Wirtschaftswissenschaftler hat gezeigt, dass eine reine Streuung des Anlagekapitals auf verschiedene Titel alleine noch nicht das Optimum aus Rendite und Risiko bringt. Das Beispiel der technologielastigen Depots zeigt: Bei der Aufnahme eines Wertes in ein Depot muss auch immer dessen Beitrag zum Gesamtrisiko des Depots betrachtet werden.

So kann ein riskanter Einzelwert das Depot-Risiko sogar mindern. Investoren sollten deshalb bei Neuaufnahmen strategisch vorgehen: „Anleger“, fasst Hauke Hess die Grundidee von Markowitz zusammen, „sollten neue Werte dann kaufen, wenn sie auf Konjunkturdaten anders reagieren als die anderen Aktien im Depot.“ Wenn sie also nicht oder fast gar nicht korrelieren, wie Fachleute sagen.

Haben zwei Werte einen Korrelationswert von 1 so marschieren sie im perfekten Gleichschritt. Ein Wert von minus 1 bedeutet eine perfekt entgegengesetzte Reaktion. Aktuelles Beispiel: der gegenläufige Einfluss der Euro-Entwicklung auf Gewinne und Kurse deutscher Unternehmen. Weil der Euro gegenüber dem Dollar steigt, wird es für exportorientierte Branchen wie die deutschen Auto-Bauer schwer. VW-Chef Bernd Pischetsrieder wies in der vergangenen Woche auf die sinkenden Gewinne seines Konzerns in den USA hin.

Dank des starken Euro werden aber Einfuhren günstiger. So wird Öl traditionell in Dollar abgerechnet. Für die Chemie-Gigangen wie BASF oder Bayer wird die Produktion tendenziell günstiger, die Gewinne steigen. Für Privatanleger wäre also eine sinnvolle Strategie, einen Autobauer mit einem Chemie-Wert zu koppeln. Dann könnte der günstige Ölpreis den Chemiewerten Auftrieb geben und das Risiko bei den Autowerten kompensieren.

Zur vernünftigen Risikominderung gehört auch, ausländische Werte ins Depot zu nehmen – und zwar am besten nicht nur aus den USA. „Die Korrelation zwischen der Nasdaq und dem DAX liegt bei 0,87“, so Martin Wanders, Vorstand und Investmentberater von Top Ten. Im Klartext: Jede Bewegung des US-Marktes wird fast deckungsgleich vom DAX nachvollzogen. Das Risiko bleibt bei einer Neuaufnahme also fast gleich.

Anders ist das bei Märkten, die sich weitgehend unabhängig von Deutschland entwickeln. Dazu gehört etwa Osteuropa. Da liegt die Korrelation bei 0,3. Wenn der russische Leitindex RTX steigt, hat das praktisch keine Auswirkung auf den DAX. „Exoten gehören eben auch ins Depot“, so Beck.

Zudem können Anleger ihr Risiko über Fonds und über ganze Anlageklassen streuen. „Ein großer Schritt ist schon getan, wenn zu Aktien auch Anleihen hinzukommen“, rät Hauke Hess. Dazu könne man sich Zertifikate auf Öl oder Gold ins Depot legen. Auch das minimiere das Risiko, ohne die Ertrags-Chancen zu verringern.

Hört sich in der Theorie alles gut an. Aber klappt’s auch in der Praxis? „Ja“, sagt Beck. Um „durchschnittlich rund neun Prozentpunkte“ schneiden von Tetralog optimierte Portfolios besser ab als unstrukturierte Vergleichsportfolios. Das zeigt ein Vergleichstest.

Im Dezember 2001 stellte EURO seinen Lesern erstmals die Grundidee von Markowitz vor und lud Leser zum Depot-Check ein. Auch damals gab’s ein Beispieldepot. Darin waren insgesamt 14 Werte, von Aixtron über Thiel bis Boss. Der Gesamtwert betrug 84130 Euro. Nach der Analyse empfahl Tetralog den Verkauf von Werten wie Aixtron oder DaimlerChrysler. Gleichzeitig sollten Porsche, Stada oder Aktien der US-Rüstungsschmiede Northrop Grumman deutlich aufgestockt werden. Hätte der Beispiel-Anleger nichts getan, wäre sein Depot Ende März 2003 noch 62800 Euro wert gewesen. Wäre er den Empfehlungen dagegen gefolgt, hätte das Depot einen Wert von 68800 Euro. Statt 25 Prozent wäre es nur 18 Prozent bergab gegangen (Siehe Tabelle Seite 10). Das ist angesichts des Verlusts nur ein schwacher Trost. Aber: Die bessere Rendite bringt auch in steigenden Märkten eine Outperformance.

Daher bietet EURO Anlegern auch in diesem Jahr wieder einen Depot-Check. Auch ein neues Muster-Portfolio gibt es. Es streut das Risiko diesmal noch breiter. Denn nun werden neben Aktien auch Fonds berücksichtigt und das über verschiedene Anlageklassen und Regionen. So wird das Portfolio um den Unternehmensanleihe-Fonds von Threadneedle ergänzt. Außerdem kommen mit dem Templeton Growth Fund Class A und dem Eastern Europe Fund Class A zwei Aktienfonds hinzu, die in Osteuropa beziehungsweise in aller Welt investieren. Ergebnis: Das Risiko wird um rund zehn Prozentpunkte gesenkt. Gleichzeitig liegt die erwartete Performance um rund einen halben Prozentpunkt über dem unstrukturierten Depot. Im Klartext: identische Gewinnchancen mit deutlich geringerem Risiko.

Natürlich ist auch Markowitz’ Ansatz nicht frei von Schwächen. „In einem Bärenmarkt gibt es keine defensiven Werte“, so Hauke Hess von der Hamburgischen Landesbank. Das hat das Musterdepot aus dem ersten Depot-Check gezeigt. Auch, „dass Investoren für eingegangene höhere Risiken entsprechend belohnt werden, ist nicht immer der Fall“, so Hess. Und die Schätzung künftiger Renditen, wie sie Markowitz unterstellt, sei „zumindest schwierig“, gesteht Hess.

Bei Tetralog haben sie deshalb Markowitz’ Ansatz optimiert. Das mathematische Verfahren namens Fame basiert – vereinfacht ausgedrückt – auf zwei Kenngrößen. Einmal wird untersucht, wie sich ein Wertpapier im Verhältnis zum Gesamtmarkt und zu Aktien mit einer vergleichbaren Volatilität in den vergangenen vier Jahren entwickelt hat. Außerdem wird in den Berechnungen eine Risikoprämie unterstellt. „Das ist die Rendite, die in rationalen Märkten bezahlt würde“, so Beck. Ihre Höhe hängt davon ab, wie stark ein Markt schwankt. Gemeinsam mit der Auswertung von Korrelationen der Wertpapiere in einem Depot lässt sich so das Risiko verringern. Gleichzeitig bleiben die Renditechancen unverändert.

Anleger sollten sich zumindest ein Mal im Jahr mit ihrer Depot-Struktur beschäftigen. „Besser alle sechs Monate“, rät Reinhard Berben von Templeton. Bei Handlungsbedarf sollte die Hilfe professioneller, vor allem unabhängiger Berater gesucht werden. „Banken sind oft zyklisch und empfehlen in erster Linie Fonds, die sich gerade gut verkaufen“, kritisiert Berben. Anleger sollten selbst aktiv werden – und dabei ruhig auf den alten Markowitz hören. Dann kann man die Frage nach dem Depot-Risiko mit gutem Gewissen beantworten: „Risiko? Hab’ ich ordentlich gestreut.“
 
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