HANDELSBLATT, Montag, 02. Januar 2006, 14:00 Uhr
Ausblick auf 2006
Finanzinvestoren visieren Dax-Konzerne an
Von Peter Köhler
Private-Equity-Häuser haben mehr Geld als je zuvor in ihren Kriegskassen. Haben die Finanzinvestoren schon 2005 zig große Firmenübernahmen gestemmt, planen sie für das gerade angebrochene Jahr noch weitaus spektakulärere Käufe. Deutschland bleibt dabei ihr bevorzugtes Revier.
FRANKFURT. Kurz vor dem Jahreswechsel haben die Beteiligungsmanager der großen Private-Equity-Häuser noch einmal das Gaspedal bis zum Anschlag durchgetreten. Die im Einflussbereich der schwedischen Wallenberg-Familie angesiedelte EQT kaufte vom Daimler-Chrysler-Konzern den Dieselmotorenhersteller MTU Friedrichshafen für 1,6 Mrd. Euro, wenige Tage zuvor hatte Apax den Modehersteller Tommy Hilfiger für 1,5 Mrd. Dollar unter seine Fittiche genommen.
Was vor zehn Jahren noch Mega-Deals waren, sind heute Durchschnittsgrößen. Denn die Finanzinvestoren sitzen derzeit auf dem höchsten Geldberg, den die Branche jemals angehäuft hat. Alleine die auf Europa konzentrierten Fonds haben laut einer Analyse der US-Investmentbank Merrill Lynch im vergangenen Jahr 35 Mrd. Euro bei institutionellen Investoren eingesammelt. Rechnet man Kreditfinanzierungen hinzu, können die Fonds in den nächsten Jahren mindestens 140 Mrd. Euro für Käufe von Konzernteilen und Mittelständlern ausgeben.
Entsprechend positiv ist die Stimmung mit Blick auf 2006. „Das vergangene Jahr ist für unsere Branche sehr gut verlaufen. Der Markt wächst schrittweise weiter, auch 2006 dürfte wieder kein schlechter Jahrgang werden“, sagt Peter Gangsted, Geschäftsführer der Beteiligungsgesellschaft Cinven in Deutschland. Ein Grund für die ungeheuere Feuerkraft der Finanzinvestoren ist die günstige Versorgung mit Krediten seitens der Banken. Da die Zinsen in Europa voraussichtlich nur geringfügig anziehen, werden die „Akquisitionsmaschinen“ – wie sie jüngst ein Investmentbanker bezeichnete – auch in diesem Jahr rund laufen. Allerdings hat das billige Geld auch den Risikoappetit mancher Private-Equity-Häuser deutlich erhöht. Ob sich alle aggressiv finanzierten Deals auch wirklich rechnen, bleibt abzuwarten.
Der hiesige Markt wird in den kommenden Monaten nach Einschätzung fast aller Marktteilnehmer einer der attraktivsten in Europa bleiben. Denn bei aller Kritik am Standort Deutschland finden sich hier dennoch die meisten „Opportunitäten“, wie es im Fachjargon heißt. „2006 wird es in Deutschland wohl wieder rund acht größere Deals mit einem Transaktionswert von mindestens 500 Mill. Euro geben, dabei sind die Immobilienkäufe nicht mitgerechnet“, prognostiziert Gangsted, in dessen Portfolio sich unter anderem der Springer-Fachverlag und das Reisevertriebssystem Amadeus befindet. Ralf Huep, General Manager bei Advent International, erwartet bis zu 15 Deals in der Schwergewichtsklasse über einer Milliarde Euro. Auch Unternehmen aus dem Deutschen Aktienindex (Dax) seien jetzt in Reichweite gekommen, wenn sich drei oder vier international agierende Häuser zusammenfänden, so Advent-Manager Huep. „Die Private Equity-Häuser können heute Transaktionen stemmen, die vor einigen Jahren noch ausgeschlossen schienen“, erläutert Joachim Spill, Co-Leiter des Bereichs Transaction Support beim Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young. „Eine Transaktion auch im zweistelligen Milliardenbereich ist keineswegs mehr ausgeschlossen“.
Schon im vergangenen Jahr haben die Finanzinvestoren rund 25 Mrd. Euro hier zu Lande investiert, fast 30 Prozent mehr als 2004. Ernst & Young zählte alleine 17 Mega-Deals mit Transaktionswerten über der Marke von 500 Mill. Euro. Dabei dürfte die „Dunkelziffer“ weit höher liegen, weil nur bei rund der Hälfte der Transaktionen der Wert offiziell mitgeteilt worden war. Die größte Übernahme war dabei der Kauf der Eon-Tochter Viterra für sieben Mrd. Euro an den britischen Investor Terra Firma.
Auffällig ist, dass sich die Investitionen zwar immer noch auf die Industrie konzentrieren, andere Branchen – vor allem Dienstleistungen und Immobilien – aber in der Gunst der Finanzinvestoren aufholen. Der gesamte Komplex „Health Care“, aber auch Einzelhandelsketten und industrienahe Dienstleister rücken verstärkt ins Visier der angelsächsischen Beteiligungshäuser. So erwarb zum Beispiel Advent in diesem Jahr die Casa Reha, einer der führenden privaten Träger von Einrichtungen der Seniorenpflege und Behindertenbetreuung in Deutschland. „Kliniken, Generika-Hersteller und Zulieferer für die Gesundheitsindustrie sind interessante Bereiche für die Beteiligungsbranche“, erklärt Advent-Manager Huep.
Der politische Druck auf die Branche wird 2006 voraussichtlich nachlassen. Denn das vom früheren SPD-Chef Franz Müntefering verpasste Schimpfwort der „Heuschrecken“, die über die Lande ziehen und Unternehmen ausplündern, ist längst zum neutralen Markenzeichen geworden. Im nächsten Jahr erwarte die Branche eine sachlichere Diskussion um die Rolle der Finanzinvestoren. Schließlich fänden nur wenige Landtagswahlen und keine Bundestagswahl statt, sagt Cinven-Chef Gangsted.
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Diskrete Macht im Markt
Hohe Rendite: Private-Equity-Häuser sind in der Regel nicht an der Börse notiert und scheuen Transparenz. Ihre Mittel erhalten sie von Stiftungen, Pensionsfonds, Versicherungen und reichen Familien. Sie versprechen, das ihnen überlassene Eigenkapital nach mehreren Jahren mit einer hohen zweistelligen Rendite zurückzuzahlen.
Briten dominieren: Im globalen Beteiligungsmarkt dominieren die britischen und amerikanischen Finanzinvestoren. Es gibt nur sehr wenige Fonds, die von Deutschland aus gesteuert werden. Auch unter den Geldgebern spielen deutsche Stiftungen und Versicherungen nur eine untergeordnete Rolle. Es hat aber ein Umdenken eingesetzt.
Risiken nehmen zu: Ein Problem in der Branche sind die Preise für die Übernahmeziele. Kaum ein Unternehmen geht heute noch ohne Auktion über den Tresen, was zu einer allgemeinen Verteuerung führt. Billige Kredite verstärken den Trend. Skeptiker befürchten daher, dass sich eine Blase am Markt für Beteiligungen bildet.
Ausblick auf 2006
Finanzinvestoren visieren Dax-Konzerne an
Von Peter Köhler
Private-Equity-Häuser haben mehr Geld als je zuvor in ihren Kriegskassen. Haben die Finanzinvestoren schon 2005 zig große Firmenübernahmen gestemmt, planen sie für das gerade angebrochene Jahr noch weitaus spektakulärere Käufe. Deutschland bleibt dabei ihr bevorzugtes Revier.
FRANKFURT. Kurz vor dem Jahreswechsel haben die Beteiligungsmanager der großen Private-Equity-Häuser noch einmal das Gaspedal bis zum Anschlag durchgetreten. Die im Einflussbereich der schwedischen Wallenberg-Familie angesiedelte EQT kaufte vom Daimler-Chrysler-Konzern den Dieselmotorenhersteller MTU Friedrichshafen für 1,6 Mrd. Euro, wenige Tage zuvor hatte Apax den Modehersteller Tommy Hilfiger für 1,5 Mrd. Dollar unter seine Fittiche genommen.
Was vor zehn Jahren noch Mega-Deals waren, sind heute Durchschnittsgrößen. Denn die Finanzinvestoren sitzen derzeit auf dem höchsten Geldberg, den die Branche jemals angehäuft hat. Alleine die auf Europa konzentrierten Fonds haben laut einer Analyse der US-Investmentbank Merrill Lynch im vergangenen Jahr 35 Mrd. Euro bei institutionellen Investoren eingesammelt. Rechnet man Kreditfinanzierungen hinzu, können die Fonds in den nächsten Jahren mindestens 140 Mrd. Euro für Käufe von Konzernteilen und Mittelständlern ausgeben.
Entsprechend positiv ist die Stimmung mit Blick auf 2006. „Das vergangene Jahr ist für unsere Branche sehr gut verlaufen. Der Markt wächst schrittweise weiter, auch 2006 dürfte wieder kein schlechter Jahrgang werden“, sagt Peter Gangsted, Geschäftsführer der Beteiligungsgesellschaft Cinven in Deutschland. Ein Grund für die ungeheuere Feuerkraft der Finanzinvestoren ist die günstige Versorgung mit Krediten seitens der Banken. Da die Zinsen in Europa voraussichtlich nur geringfügig anziehen, werden die „Akquisitionsmaschinen“ – wie sie jüngst ein Investmentbanker bezeichnete – auch in diesem Jahr rund laufen. Allerdings hat das billige Geld auch den Risikoappetit mancher Private-Equity-Häuser deutlich erhöht. Ob sich alle aggressiv finanzierten Deals auch wirklich rechnen, bleibt abzuwarten.
Der hiesige Markt wird in den kommenden Monaten nach Einschätzung fast aller Marktteilnehmer einer der attraktivsten in Europa bleiben. Denn bei aller Kritik am Standort Deutschland finden sich hier dennoch die meisten „Opportunitäten“, wie es im Fachjargon heißt. „2006 wird es in Deutschland wohl wieder rund acht größere Deals mit einem Transaktionswert von mindestens 500 Mill. Euro geben, dabei sind die Immobilienkäufe nicht mitgerechnet“, prognostiziert Gangsted, in dessen Portfolio sich unter anderem der Springer-Fachverlag und das Reisevertriebssystem Amadeus befindet. Ralf Huep, General Manager bei Advent International, erwartet bis zu 15 Deals in der Schwergewichtsklasse über einer Milliarde Euro. Auch Unternehmen aus dem Deutschen Aktienindex (Dax) seien jetzt in Reichweite gekommen, wenn sich drei oder vier international agierende Häuser zusammenfänden, so Advent-Manager Huep. „Die Private Equity-Häuser können heute Transaktionen stemmen, die vor einigen Jahren noch ausgeschlossen schienen“, erläutert Joachim Spill, Co-Leiter des Bereichs Transaction Support beim Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young. „Eine Transaktion auch im zweistelligen Milliardenbereich ist keineswegs mehr ausgeschlossen“.
Schon im vergangenen Jahr haben die Finanzinvestoren rund 25 Mrd. Euro hier zu Lande investiert, fast 30 Prozent mehr als 2004. Ernst & Young zählte alleine 17 Mega-Deals mit Transaktionswerten über der Marke von 500 Mill. Euro. Dabei dürfte die „Dunkelziffer“ weit höher liegen, weil nur bei rund der Hälfte der Transaktionen der Wert offiziell mitgeteilt worden war. Die größte Übernahme war dabei der Kauf der Eon-Tochter Viterra für sieben Mrd. Euro an den britischen Investor Terra Firma.
Auffällig ist, dass sich die Investitionen zwar immer noch auf die Industrie konzentrieren, andere Branchen – vor allem Dienstleistungen und Immobilien – aber in der Gunst der Finanzinvestoren aufholen. Der gesamte Komplex „Health Care“, aber auch Einzelhandelsketten und industrienahe Dienstleister rücken verstärkt ins Visier der angelsächsischen Beteiligungshäuser. So erwarb zum Beispiel Advent in diesem Jahr die Casa Reha, einer der führenden privaten Träger von Einrichtungen der Seniorenpflege und Behindertenbetreuung in Deutschland. „Kliniken, Generika-Hersteller und Zulieferer für die Gesundheitsindustrie sind interessante Bereiche für die Beteiligungsbranche“, erklärt Advent-Manager Huep.
Der politische Druck auf die Branche wird 2006 voraussichtlich nachlassen. Denn das vom früheren SPD-Chef Franz Müntefering verpasste Schimpfwort der „Heuschrecken“, die über die Lande ziehen und Unternehmen ausplündern, ist längst zum neutralen Markenzeichen geworden. Im nächsten Jahr erwarte die Branche eine sachlichere Diskussion um die Rolle der Finanzinvestoren. Schließlich fänden nur wenige Landtagswahlen und keine Bundestagswahl statt, sagt Cinven-Chef Gangsted.
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Diskrete Macht im Markt
Hohe Rendite: Private-Equity-Häuser sind in der Regel nicht an der Börse notiert und scheuen Transparenz. Ihre Mittel erhalten sie von Stiftungen, Pensionsfonds, Versicherungen und reichen Familien. Sie versprechen, das ihnen überlassene Eigenkapital nach mehreren Jahren mit einer hohen zweistelligen Rendite zurückzuzahlen.
Briten dominieren: Im globalen Beteiligungsmarkt dominieren die britischen und amerikanischen Finanzinvestoren. Es gibt nur sehr wenige Fonds, die von Deutschland aus gesteuert werden. Auch unter den Geldgebern spielen deutsche Stiftungen und Versicherungen nur eine untergeordnete Rolle. Es hat aber ein Umdenken eingesetzt.
Risiken nehmen zu: Ein Problem in der Branche sind die Preise für die Übernahmeziele. Kaum ein Unternehmen geht heute noch ohne Auktion über den Tresen, was zu einer allgemeinen Verteuerung führt. Billige Kredite verstärken den Trend. Skeptiker befürchten daher, dass sich eine Blase am Markt für Beteiligungen bildet.