Ein Torwart-Ass für 100000 Mark
Von René Martens, Hamburg
30.07.2001
Aufforderung zum Tanz: Herthas Neuzugang reicht St. Paulis Mittelfeldspieler die
HandBongarts / Martin Rose
Ein Torwart-Ass für 100000 MarkVon René Martens, Hamburg
Wer ein Bild sucht, um das Image des FC St. Pauli zu beschreiben, der muss in dieser
Saison nur auf die Dächer der Trainerbänke im Millerntorstadion blicken. Nebeneinander
prangen da das Logo des Hauptsponsors, einer alternativen Krankenversicherungsfirma,
sowie jenes eines anderen neuen Werbepartners, einem nicht so alternativen
Männermagazin aus dem Axel-Springer-Verlag: Fortschrittlichkeit meets Schmuddel-Touch.
Auch zur Charakterisierung der Berliner Hertha in der Version von 2001 findet sich etwas in
der Stadionreklame: „Money, der Libero“ – so wirbt ein Online-Anbieter für Glücksspiele.
Die lebenden Geldanlagen des Berliner Clubs bestätigten gestern allerdings nicht die im
Vorfeld oft geäußerten euphorischen Erwartungen. „Kniet nieder, wenn die Hauptstadt
kommt“, hatten die Hertha-Fans auf einem Transparent von den Gastgebern gefordert, doch
diese taten genau das Gegenteil.
Die St.Paulianer gingen mit einem Elan zur Sache, den nach der schwachen Vorbereitung
kaum jemand erwartet hatte. Früh und resolut störten sie die Gäste, zudem auf eine derart
Energie raubende Weise, dass Fans befürchten mussten, die Kraft würde am Ende nicht
reichen. „Hertha ist nervös“, sangen die Zuschauer immer wieder, und tatsächlich waren die
Berliner sichtlich beeindruckt von dem Auftreten der optisch überlegenen Hamburger.
Dennoch: In manchen Aktionen der Röber-Elf schimmerte durch, dass sie im Prinzip
jederzeit eiskalt zuschlagen – und dem Drehbuch damit eine für einen Underdog typisch
unglückliche Wendung geben könnte.
Ihre besten Momente hatten die Berliner kurz vor und kurz nach der Pause, vor allem, wenn
Marcelinho und Michael Preetz miteinander kombinierten. Aber je länger das Spiel dauerte,
desto weniger hatte man den Eindruck, St. Pauli könne dieses Partie verlieren. Gewinnen
aber auch nicht, denn wenn es etwas zu kritisieren gab an den Demuth-Schützlingen, dann
das ungeschickte Spiel in den letzten 20 Metern der gegnerischen Hälfte. Das lag auch
daran, dass mit Matthias Cenci ein Akteur im Sturm stand, den der Verein erst im Laufe der
letzten Woche verpflichtet hatte. Es sprach für das Selbstbewusstsein der Hamburger, dass
Trainer Dietmar Demuth in der 71. Minute für Ugur Inceman mit Zlatan Bajramovic einen
frischen Offensivspieler brachte. „Wir haben keine zwingenden Torchancen erarbeitet.
Höchstens mit Glück hätte ein Ball reingehen könnte“, klagte Herthas Spielmacher
Sebastian Deisler nach dem Spiel.
In seiner Enttäuschung vergaß der Jungstar sogar, dass Alves in der ersten Halbzeit die
Latte getroffen hatte. Als Mann des Abends erwies sich Tihomir Bulat, der kroatische
Neuzugang im Tor von St. Pauli, 27 Jahre alt und gerade einmal 100000 Mark teuer. Früher
standen bei diesem Club Figuren im Tor, die aus unterschiedlichen Gründen Kult-Charakter
erlangten, doch Bulat – womöglich symptomatisch für den FC St. Pauli der Saison 01/02 –
ist mehr als nur Kult: Sein Stellungsspiel ist bestechend, und trotz seiner Größe (1,90 Meter)
ist er gewandt wie eine Katze – der beste St. Pauli-Torwart seit Fan-Gedenken.
Wenn er noch ein bisschen das Abschlagen übt, stößt er in die Top Ten der
Bundesliga-Torhüter vor. Auch der linke Außenbahnspieler Christian Rahn überzeugte. Der
U21-Nationalspieler leitete mit seinen Flanken und Freistößen alle gefährlichen Aktionen
der Hamburger ein. Wenn er noch lernt, gefährlich mit dem rechten Fuß zu schießen, wird er
St. Paulis nächster DFB-A-Auswahlspieler. Den letzten stellte der Verein vor 41 Jahren. Ingo
Porges hieß der Mann.
Aus der ftd von heute.
Die Abstöße sind zumindest recht kraftvoll - der erste landete fast direkt in den Armen von Kiraly.
Gruß Hans-Udo