W A R T E S C H L E I F E
In den Fängen
der Telekom
2. April
Endlich bin ich in der neuen Wohnung. Alles ist super geschmackvoll eingerichtet; den Hausmeister habe ich direkt darauf hingewiesen, dass mir das Treppenhaus zu dreckig und die Mülltonnen zu klein sind (sowas kann man nie früh genug machen). Jetzt nur noch das Telefon anmelden.
Ich versuche bei der Telekom anzurufen, habe aber nur ein Besetztzeichen. Da ist wohl was kaputt. Von der Telefonzelle aus bei der Telekom angerufen; die sind nett da: Die labern einen nicht direkt voll, da wird erstmal lange schöne Musik gespielt. Und die Nummer ist sogar umsonst! Wenn ich da eine Frau kennenlerne, dann kann ich immer umsonst mit der telefonieren.
Schade - ist ein Mann dran. Aber der ist auch sehr nett. Er sagt mir, dass ich einen Antrag ausfüllen muss; den bekomme ich in einem Tee-Punkt-Laden.
4. April
Ich habe trotz intensiver Suche keinen Laden gefunden, der Tee-Punkte verkauft. Ich weiß auch gar nicht, was das sein soll. Im einzigen Laden, wo ich drin war, weil da so viele Telefone im Fenster standen, wollte man mir ein Händi verkaufen. Das war auch total billig; nur eine Mark. Aber ich habs dann nicht genommen, weil das war so klein. Das sieht auf der Kommode bestimmt nicht gut aus.
Aber in diesem Laden haben die mir gesagt, dass das eigentlich T-Punkt heißt. Das verstehe ich nicht, aber ich wurde dann da hin geschickt.
In dem T-Punkt-Laden haben die mir dann so einen Zettel gegeben. Den sollte ich ausfüllen, und dann hätte ich nach zwei Wochen einen Anschluss für mein Telefon.
Ich habe denen dann erstmal erklärt, dass ich zu Hause schon einen Anschluss habe (sonst würde ja auch mein Telefon gar nicht in die Wand zu stöpseln gehen - sind die doof). Der Mann dort hat, nachdem ich ihm das etwa fünf Mal erklärt habe, dann wohl eingesehen, dass ich Recht habe - er hat auch ganz schwer geseufzt (wohl, weil er erkannt hat, dass er so dumm ist). Dann wollte ich ihm einen Gefallen tun, und habe den Zettel trotzdem ausgefüllt.
Die wollten mir auch noch eine "Gesprächsauflistung" andrehen; aber ich bin ja nicht verrückt - das sind ja Stasi-Methoden. Das geht keinen etwas an, was ich da so sage am Telefon - das habe ich denen auch mitgeteilt.
Sie haben sich offensichtlich sehr über meine ehrliche Einstellung gefreut, denn sie lachten noch herzlich, als ich den Laden verlassen habe.
10. April
Ich versuche jetzt jeden Tag, zu telefonieren. Vielleicht sind die ja doch schneller als die zwei Wochen.
Sie haben mir auch ganz viele Zettel zugeschickt, dass ich mit ganz vielen unterschiedlichen "Tarifen" telefonieren könne. Gewerkschaften fand ich schon immer gut; also wollte ich alles nehmen, aber mein Telefon geht noch nicht und bei der Nummer, die kostenlos war, ging jemand anders dran.
Ich habe aufgelegt. Die sind bestimmt umgezogen.
20. April
Mein Telefon geht immer noch nicht. Vielleicht haben die mich ja vergessen. Ich rufe doch nochmal die Nummer an. Da ist schon wieder jemand anderes dran. Ich frage ihn, wo ich die Telekom erreichen könne. Der Mann ist auch sehr nett, und lacht mich an.
Dann will er sich um mein Problem kümmern, aber dafür ist er nicht zuständig - das wäre eine andere Nummer. Also rufe ich dort an (die ist auch umsonst - so kann doch die Telekom gar kein Geld verdienen).
Auch auf der zweiten Nummer wird schöne Musik gespielt, und dann geht eine junge Frau ans Telefon. Als ich ihr mein Problem erklären will, sagt sie mir sehr schnell, dass ich woanders anrufen muss. Das ist nett, dass sie mich nicht mit überflüssigen Informationen belasten will.
Bei der dritten Nummer geht erst lange gar keiner dran. Die spielen da auch keine schöne Musik. Das gefällt mir nicht. Da sagt nur andauernd jemand, dass man jetzt gleich verbinden werden wird. Ich versuche ihn anzusprechen, aber er reagiert gar nicht auf mich. Das finde ich unverschämt.
Als dann ein anderer Mann rangeht, möchte ich mich über den unverschämten Kolegen beschweren; er lacht mich freundlich an. Das reduziert meinen Groll sehr schnell. Als ich ihn frage, warum mein Telefon nicht funktioniert, gibt er mir eine andere Nummer, die ich anrufen möge.
Als ich da anrufe, merke ich, dass das die Nummer ist, die ich beim ersten Mal angewählt hatte. Ich kichere vor mich hin, weil die Frau am anderen Ende gar nicht merkt, dass ich heute schon einmal angerufen habe.
Die Frau wirkt etwas übermüdet (sie war bestimmt krank), als ich ihr genaustens mein Problem schildere. Sie spricht mit mir im Telegram-Stil, dass erspart viele überflüssige Nebensätze.
Ich bin beruhigt, als sie mir sagt, dass das mit meinem Telefon bestimmt in den nächsten Tagen klappen wird - die werden einen ja nicht anlügen, die von der Telekom.
24. April
Ich gehe jetzt erstmal nicht arbeiten - meinem Chef habe ich erklärt, dass ich warten möchte, bis mein Telefon funktioniert. Wenn ich da nicht zu Hause wäre, würde ich ja wertvolle Zeit verschwenden, in der ich auch schon telefonieren könnte. Mein Chef hat das sofort verstanden; er sagte mir am Ende unseres Gespräches, dass ich noch von ihm hören würde. Damit ich dies auch nicht überhöre, hat er es direkt mehrmals und sehr laut gesagt.
Auf dem Nachhauseweg habe ich nochmals von der Telefonzelle aus die Telekom informiert, dass ich jetzt durchgehend zu Hause sein werde; damit sie nicht erst warten, bis jemand da ist.
Da muss gerade viel los gewesen sein bei der Telekom. Die konnten mir gar nicht richtig zuhören. Die tun mir richtig leid.
28. April
Ich beginne jetzt damit, kleine private Fotos in der Telefonzelle an der Ecke aufzuhängen, da ich dort jeden Tag mit der Telekom telefoniere. Das wird auch nie langweilig, weil dort immer andere Leute rangehen, denen man jedesmal sein Problem neu schildern kann - und das alles kostet mich nichts.
Ich beginne langsam, ein schlechtes Gewissen zu haben: Mein Nachbar muss für seine Telefonate von zu Hause aus viel Geld bezahlen.
1. Mai
Ich schäme mich so. Heute habe ich bei der Telekom angerufen und gefragt, wann denn mein Telefon gehen würde. Die haben mir dann erklärt, dass sie sowas am Feiertag nicht bearbeiten würden. Das hätte ich mir aber auch selber denken können.
Ich beschließe, zum Ausgleich jetzt Feiertags zwei Mal täglich dort anzurufen und etwas zu plaudern, damit sich die Mitarbeiter dort nicht so sehr langweilen müssen.
4. Mai
Heute hatte ich ein sehr unangenehmes Erlebnis. Von meiner Telefonzelle aus habe ich die Telekom angerufen, weil mein Telefon immer noch nicht geht. Ich gebe zu, dass ich wohl etwas ungeduldig in der Sache bin - der Mitarbeiter, der mich wohl schon kannte, sagte mir, dass ich in Zukunft bei einer Störungsstelle anrufen solle.
Das macht mich traurig, da ich inzwischen zu vielen der Telekom-Mitarbeiter ein persönliches Verhältnis entwickelt habe.
Außerdem verstehe ich das mit der Störungs-Stelle nicht ganz. Wenn doch mein Telefon kaputt ist, möchte ich nicht die Telekom mit diesem persönlichen Problem belästigen.
Ich beschließe, mir einen neuen Apparat zu kaufen. Auch werde ich mich bei der Telekom entschuldigen.
10. Mai
Mein Chef hat mir heute schriftlich mitgeteilt, dass ich nicht mehr zur Arbeit zu kommen brauche.
Das finde ich sehr nett von ihm; er weiß anscheinend, dass mein Telefon zur Zeit nicht funktioniert. Er will mir wohl Zeit geben, bis das Problem behoben ist.
13. Mai
Habe heute erneut bei der Störungsstelle angerufen, da auch mein neues Telefon nicht funktioniert. Der Mann am Telefon will mir einen Kollegen vorbei schicken; aber wenn der Fehler bei mir liegen würde, müsste ich das alles bezahlen.
Da ich mir sicher bin, dass ich etwas falsch mache mit meinem Telefon, sage ich den Termin ab - wegen meiner Dummheit soll doch nicht jemand extra zu mir kommen; zumal es heute regnet.
19. Mai
Heute habe ich Geburtstag. Ich rufe meine Freunde von der Telekom an, um sie zu einer kleinen Feier einzuladen.
Inzwischen sind die netten Leute bei der Telekom meine einzigen sozialen Kontakte. Da mein Chef diesen Monat wohl vergessen hat, mein Gehalt zu überweisen, bin ich froh, dass ich eine Menge Geld spare, da ich meine Freunde immer umsonst anrufen kann.
Leider hat keiner meiner Freunde Zeit für die Feier; aber ich höre im Hintergrund viele von ihnen sich lachend über meinen Geburtstag freuen. In dieser Firma steckt noch Herz!
22. Mai
Heute kam ein Brief von der Telekom, in dem sie mich zur Zahlung von einer Grundgebühr und einer "Einrichtungs-Gebühr" auffordert. Ich freue mich sehr, da ich glaube, dass ja jetzt mein Telefon funktionieren muss. Aber leider scheint auch der dritte Apparat, den ich jetzt gekauft habe, defekt zu sein.
Man sollte sich eben doch nur auf Qualitätsfirmen wie die Telekom verlassen, und direkt dort seine Telefone kaufen.
28. Mai
Mein Problem ist gelöst! Ich habe vorgestern meine Wohnung gekündigt, und bin in die Telefonzelle umgezogen. Hier kann ich jederzeit (und immer noch umsonst! Das nenne ich mal Kundenservice) mit meinen Freunden telefonieren.
Gestern war ich bei der Meldestelle, um meinen neuen Wohnort anzugeben. Sie gaben mir dort so einen Zettel, den solle ich erstmal ausfüllen...