Experten liegen bei Anlagetipps oft daneben
THOMAS LUTHER
Bei der Treffsicherheit von Ergebnisprognosen zeigen ein paar kleine Institute der Konkurrenz die Rücklichter.
Bei der britischen Post ist Graham Field wahrscheinlich als guter Kunde bekannt. Denn Post bekommt der ehemalige Journalist der BBC in seinem Londoner Büro reichlich. Der Chef und Gründer des Informationsdienstes AQ Publications beschäftigt sich professionell mit Bankstudien und Analystenreports – und davon gibt es eine ganze Menge.
Field geht der Frage nach, die die meisten Anleger interessiert: Welchem der Börsenprofis kann man trauen? Wer liefert die zuverlässigsten Tipps, und wer liegt eher daneben? Nach der aktuellen Untersuchung von AQ Publications sind das nicht unbedingt die klangvollen Namen der Geldbranche.
Bei den Prognosen für europäische wie auch speziell für deutsche Werte landeteten zum Beispiel Credit Suisse First Boston und Morgan Stanley auf den hinteren Plätzen. Dagegen düpierten bei den deutschen Titeln mit M.M. Warburg (Platz 2) und der Baden-Württembergische Bank (Platz 3) zwei kleinere Häuser die übermächtige Konkurrenz – was beweist, dass mehr Analysten, größere Datenbanken und bessere Kontakte zu Fondsmanagern und Unternehmensvorständen nicht unbedingt zu besseren Prognosen führen.
Am treffsichersten erwies sich bei den europäischen Aktien die Fortis Bank und bei den deutschen Titeln ABN Amro (für Europa Platz 3). Den größten Sprung gegenüber der letzten Erhebung hat allerdings Schroder Salomon Smith Barney (SSSB) geschafft. Die Citigroup-Tochter landete auf Platz 2 (für Europa) beziehungsweise Rang 4 (Deutschland).
Zeiten des Bärenmarktes vorbei?
Für Aktienanleger wird es da Balsam auf die Wunden der letzten Monate sein, dass die SSSB-Experten endlich Licht am Ende des Tunnels sehen. Europa-Stratege Mark Howdle glaubt, dass die Zeiten des Bärenmarktes in Europa vorbei sind. In seinem jüngsten Report weist das Investmenthaus darauf hin, dass die Bewertungen der meisten Titel mittlerweile ein Niveau erreicht haben, das die Kurse stützt und eine Basis für einen Aufschwung darstellt. Dazu werde die Europäische Notenbank vor dem Hintergrund der schwächelnden Konjunktur die Zinsen nochmals senken.
In den nächsten zwölf Monaten haben die wichtigsten europäischen Indizes nach Ansicht der SSSB-Strategen ein Aufwärtspotenzial von 25 Prozent. Dabei bevorzugen sie Werte aus dem Bereich Telekommunikation, Technologie, Medien und Banken – wie zum Beispiel die Bankengruppe Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA), die seit Anfang Mai auf der Recommended List mit den Top-Empfehlungen steht.
Treffsichere zeigen sich optimistisch
Auch Gunter Eckner von der Baden-Württembergischen Bank (BW-Bank) ist optimistisch, dass der Dax zum Jahresende hin Boden findet. „Wir sind zuversichtlich, dass die konjunkurelle Abkühlung in Euroland bis zu diesem Zeitpunkt gestoppt ist“, meint der Leiter des BW-Research. „Allerdings gibt es genügend Stolpersteine, die dieses Bild kurzfristig negativ beeinflussen können“, sagt Eckner und verweist auf die gesamtwirtschaftliche Situation in den USA. Dort haben die Verschuldung von Unternehmen und privaten Haushalten ebenso Rekordniveau erreicht wie die Auslandsverbindlichkeiten.
Gerade Letzteres kann zum Problem werden, wenn sich die internationalen Zahlungsströme umkehren sollten. Dazu hat die Industrie in den letzten Jahren Überkapazitäten aufgebaut. Das drückt auf die Margen und senkt die Gewinnerwartungen für die kommenden Jahre. Und nicht zuletzt widerspricht nach Meinung Eckners der Trend bei den Preisen hüben und drüben des Atlantiks der momentanen Zinssenkungspolitik der Notenbanken. „Dadurch wird Inflationspotenzial aufgebaut“, glaubt der BW-Bank-Experte.
Für den Dax sieht er nach Abschluss der aktuellen Konsolidierung Kurspotenzial bis 6 500 Punkte. Steigt er weiter, würde er den mittelfristigen Abwärtstrend verlassen, was einer Trendwende gleichkäme. Angesichts der fundamentalen Rahmendaten hält Eckner dieses Szenario allerdings derzeit für eher unwahrscheinlich.
Dieser groben Marschrichtung folgt auch die Hamburger Privatbank M.M. Warburg. „Wir sehen den Dax bis zum Jahresende in einer Bandbreite zwischen 5 800 und 6 800 Punkten“, erläutert Aktien-Stratege Helmut Seidenstücker. „Die kurzfristigen Zinsen werden weiter sinken, und verschiedene Indikatoren deuten darauf hin, dass sich die konjunkturelle Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte verbessert. Davon werden auch die Aktien profitieren“, sagt Seidenstücker.
Neben der Deutschen Bank und dem MDax-Wert Krones hat es den Hanseaten vor allem Schering angetan. Das Unternehmen besetzt eine am Weltmarkt führende Position in Nischenmärkten. Derzeit wird mit hohen Investitionen der Onkologiebereich Erfolg versprechend ausgebaut, was die operativen Zahlen zunächst belastet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist im langfristigen Vergleich relativ hoch. Aber auf Basis des Unternehmenswerts zu Ebitda beziehungsweise Umsatz sei Schering auch im internationalen Vergleich günstig bewertet, sagt Seidenstücker.
HANDELSBLATT, Freitag, 18. Mai 2001
THOMAS LUTHER
Bei der Treffsicherheit von Ergebnisprognosen zeigen ein paar kleine Institute der Konkurrenz die Rücklichter.
Bei der britischen Post ist Graham Field wahrscheinlich als guter Kunde bekannt. Denn Post bekommt der ehemalige Journalist der BBC in seinem Londoner Büro reichlich. Der Chef und Gründer des Informationsdienstes AQ Publications beschäftigt sich professionell mit Bankstudien und Analystenreports – und davon gibt es eine ganze Menge.
Field geht der Frage nach, die die meisten Anleger interessiert: Welchem der Börsenprofis kann man trauen? Wer liefert die zuverlässigsten Tipps, und wer liegt eher daneben? Nach der aktuellen Untersuchung von AQ Publications sind das nicht unbedingt die klangvollen Namen der Geldbranche.
Bei den Prognosen für europäische wie auch speziell für deutsche Werte landeteten zum Beispiel Credit Suisse First Boston und Morgan Stanley auf den hinteren Plätzen. Dagegen düpierten bei den deutschen Titeln mit M.M. Warburg (Platz 2) und der Baden-Württembergische Bank (Platz 3) zwei kleinere Häuser die übermächtige Konkurrenz – was beweist, dass mehr Analysten, größere Datenbanken und bessere Kontakte zu Fondsmanagern und Unternehmensvorständen nicht unbedingt zu besseren Prognosen führen.
Am treffsichersten erwies sich bei den europäischen Aktien die Fortis Bank und bei den deutschen Titeln ABN Amro (für Europa Platz 3). Den größten Sprung gegenüber der letzten Erhebung hat allerdings Schroder Salomon Smith Barney (SSSB) geschafft. Die Citigroup-Tochter landete auf Platz 2 (für Europa) beziehungsweise Rang 4 (Deutschland).
Zeiten des Bärenmarktes vorbei?
Für Aktienanleger wird es da Balsam auf die Wunden der letzten Monate sein, dass die SSSB-Experten endlich Licht am Ende des Tunnels sehen. Europa-Stratege Mark Howdle glaubt, dass die Zeiten des Bärenmarktes in Europa vorbei sind. In seinem jüngsten Report weist das Investmenthaus darauf hin, dass die Bewertungen der meisten Titel mittlerweile ein Niveau erreicht haben, das die Kurse stützt und eine Basis für einen Aufschwung darstellt. Dazu werde die Europäische Notenbank vor dem Hintergrund der schwächelnden Konjunktur die Zinsen nochmals senken.
In den nächsten zwölf Monaten haben die wichtigsten europäischen Indizes nach Ansicht der SSSB-Strategen ein Aufwärtspotenzial von 25 Prozent. Dabei bevorzugen sie Werte aus dem Bereich Telekommunikation, Technologie, Medien und Banken – wie zum Beispiel die Bankengruppe Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA), die seit Anfang Mai auf der Recommended List mit den Top-Empfehlungen steht.
Treffsichere zeigen sich optimistisch
Auch Gunter Eckner von der Baden-Württembergischen Bank (BW-Bank) ist optimistisch, dass der Dax zum Jahresende hin Boden findet. „Wir sind zuversichtlich, dass die konjunkurelle Abkühlung in Euroland bis zu diesem Zeitpunkt gestoppt ist“, meint der Leiter des BW-Research. „Allerdings gibt es genügend Stolpersteine, die dieses Bild kurzfristig negativ beeinflussen können“, sagt Eckner und verweist auf die gesamtwirtschaftliche Situation in den USA. Dort haben die Verschuldung von Unternehmen und privaten Haushalten ebenso Rekordniveau erreicht wie die Auslandsverbindlichkeiten.
Gerade Letzteres kann zum Problem werden, wenn sich die internationalen Zahlungsströme umkehren sollten. Dazu hat die Industrie in den letzten Jahren Überkapazitäten aufgebaut. Das drückt auf die Margen und senkt die Gewinnerwartungen für die kommenden Jahre. Und nicht zuletzt widerspricht nach Meinung Eckners der Trend bei den Preisen hüben und drüben des Atlantiks der momentanen Zinssenkungspolitik der Notenbanken. „Dadurch wird Inflationspotenzial aufgebaut“, glaubt der BW-Bank-Experte.
Für den Dax sieht er nach Abschluss der aktuellen Konsolidierung Kurspotenzial bis 6 500 Punkte. Steigt er weiter, würde er den mittelfristigen Abwärtstrend verlassen, was einer Trendwende gleichkäme. Angesichts der fundamentalen Rahmendaten hält Eckner dieses Szenario allerdings derzeit für eher unwahrscheinlich.
Dieser groben Marschrichtung folgt auch die Hamburger Privatbank M.M. Warburg. „Wir sehen den Dax bis zum Jahresende in einer Bandbreite zwischen 5 800 und 6 800 Punkten“, erläutert Aktien-Stratege Helmut Seidenstücker. „Die kurzfristigen Zinsen werden weiter sinken, und verschiedene Indikatoren deuten darauf hin, dass sich die konjunkturelle Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte verbessert. Davon werden auch die Aktien profitieren“, sagt Seidenstücker.
Neben der Deutschen Bank und dem MDax-Wert Krones hat es den Hanseaten vor allem Schering angetan. Das Unternehmen besetzt eine am Weltmarkt führende Position in Nischenmärkten. Derzeit wird mit hohen Investitionen der Onkologiebereich Erfolg versprechend ausgebaut, was die operativen Zahlen zunächst belastet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist im langfristigen Vergleich relativ hoch. Aber auf Basis des Unternehmenswerts zu Ebitda beziehungsweise Umsatz sei Schering auch im internationalen Vergleich günstig bewertet, sagt Seidenstücker.
HANDELSBLATT, Freitag, 18. Mai 2001