Samstag, 15. September 2001 Berlin, 00:03 Uhr
"Der Terror wird von einem souveränen Staat unterstützt"
Ex-Mossad-Agent Gad Schimron vermutet eine Koalition von islamisch-fundamentalistischen Gruppen, die weltweit operieren
Die Terrorangriffe von New York und Washington zeigen, wie organisiert und erschreckend verzweigt die islamischen Terrornetzwerke operieren. Sophie Mühlmann sprach darüber mit dem ehemaligen Mossad-Agenten und Autor Gad Schimron.
DIE WELT: Die Schuldzuweisung wird immer konkreter, inzwischen bezeichnet US-Außenminister Powell Osama Bin Laden offiziell als Hauptverdächtigen. Glauben Sie auch, dass er hinter den Anschlägen steht?
Gad Schimron: Der Name Bin Laden ist wie ein Mantra, er ist der "übliche Verdächtige", wie Carlos in den siebziger Jahren. Soweit ich weiß, sitzt er irgendwo in Afghanistan - ein Land ohne jede Infrastruktur. Er hat ein Satellitenhandy, das von den Amerikanern abgehört wird. Vielleicht war diese Terroraktion seine Idee, aber die Ausführung, da bin ich sicher, wurde von anderen geleitet. Vielleicht von einer Koalition von Organisationen. Doch die müssen von einem souveränen Staat Unterstützung erhalten haben.
DIE WELT: Welchen Staat haben Sie in Verdacht?
Schimron: Meine Vermutung ist der Irak. Aber ich habe keine Beweise. Afghanistan kann es nicht sein, denn es ist kein souveräner Staat.
DIE WELT: Wenn es eine Koalition wäre, bedeutet das ja eine Art von Vernetzung, die mindestens ebenso bedrohlich wäre. Haben Sie darüber genauere Informationen?
Schimron: Die verschiedenen Gruppen sind in geheimdienstlicher Arbeit geübt. Alle Zellen arbeiten für sich selbst, ohne überflüssige Kontakte. Das kennen wir hier im Nahen Osten schon seit langem. Was neu ist: Die Organisation muss diesmal seit mindestens 18 Monaten im Gange sein. Es ist erstaunlich, dass nichts davon nach außen gedrungen ist. Ich bin zwar sicher, dass die NSA (National Security Agency) irgendetwas mitgehört hat, das Problem ist nur, dass diese Informationen nicht rechtzeitig in die richtigen Hände gelangt sind und man das Puzzle nicht zusammensetzen konnte.
DIE WELT: Wer sind diese Organisationen?
Schimron: Das sind Gruppen wie Islamic Dschihad, Hamas, die beiden Hisbollah-Gruppierungen im Libanon und in Kaschmir - Organisationen, deren Ideologie es ist, einen Heiligen Krieg gegen die westliche Welt zu führen. Sie werden von souveränen Regierungen entweder unterstützt oder genehmigt. Zum Beispiel lässt Damaskus den Islamic Dschihad von seinem Gebiet aus operieren oder Teheran die Hisbollah.
DIE WELT: Wie stehen sie miteinander in Kontakt?
Schimron: Sie wissen, dass die Amerikaner fast alles mithören. Das FBI hat sogar Zugriff auf E-Mails. Ich glaube, die Organisationen haben eine alternative Kommunikationsinfrastruktur aufgebaut, mit persönlichen Boten und kodierten Gesprächen. Außerdem haben sie die so genannten "sicheren Häfen": sie können sich in Damaskus treffen, in Teheran, im Sudan und natürlich in Bagdad: Es gibt genug Länder, die ihre Augen vor Personen verschließen, die von anderen Sicherheitsdiensten eindeutig als Terroristen identifiziert wurden.
DIE WELT: Wird es möglich sein, die Schuldigen bald zu finden?
Schimron: Jetzt wartet alle Welt darauf, dass die USA im Stil von Hollywood-Filmen in 90 Minuten alles beenden. Aber es wird lange dauern. Und leider werden die Ziele mit der Zeit mehr und mehr werden. Es ist nicht wie bei normalen Polizeiermittlungen, man wird die Kreise nicht enger ziehen können, sondern man wird auf immer mehr Drahtzieher und Täter stoßen.
www.welt.de/daten/2001/09/15/0915pte282193.htx
"Der Terror wird von einem souveränen Staat unterstützt"
Ex-Mossad-Agent Gad Schimron vermutet eine Koalition von islamisch-fundamentalistischen Gruppen, die weltweit operieren
Die Terrorangriffe von New York und Washington zeigen, wie organisiert und erschreckend verzweigt die islamischen Terrornetzwerke operieren. Sophie Mühlmann sprach darüber mit dem ehemaligen Mossad-Agenten und Autor Gad Schimron.
DIE WELT: Die Schuldzuweisung wird immer konkreter, inzwischen bezeichnet US-Außenminister Powell Osama Bin Laden offiziell als Hauptverdächtigen. Glauben Sie auch, dass er hinter den Anschlägen steht?
Gad Schimron: Der Name Bin Laden ist wie ein Mantra, er ist der "übliche Verdächtige", wie Carlos in den siebziger Jahren. Soweit ich weiß, sitzt er irgendwo in Afghanistan - ein Land ohne jede Infrastruktur. Er hat ein Satellitenhandy, das von den Amerikanern abgehört wird. Vielleicht war diese Terroraktion seine Idee, aber die Ausführung, da bin ich sicher, wurde von anderen geleitet. Vielleicht von einer Koalition von Organisationen. Doch die müssen von einem souveränen Staat Unterstützung erhalten haben.
DIE WELT: Welchen Staat haben Sie in Verdacht?
Schimron: Meine Vermutung ist der Irak. Aber ich habe keine Beweise. Afghanistan kann es nicht sein, denn es ist kein souveräner Staat.
DIE WELT: Wenn es eine Koalition wäre, bedeutet das ja eine Art von Vernetzung, die mindestens ebenso bedrohlich wäre. Haben Sie darüber genauere Informationen?
Schimron: Die verschiedenen Gruppen sind in geheimdienstlicher Arbeit geübt. Alle Zellen arbeiten für sich selbst, ohne überflüssige Kontakte. Das kennen wir hier im Nahen Osten schon seit langem. Was neu ist: Die Organisation muss diesmal seit mindestens 18 Monaten im Gange sein. Es ist erstaunlich, dass nichts davon nach außen gedrungen ist. Ich bin zwar sicher, dass die NSA (National Security Agency) irgendetwas mitgehört hat, das Problem ist nur, dass diese Informationen nicht rechtzeitig in die richtigen Hände gelangt sind und man das Puzzle nicht zusammensetzen konnte.
DIE WELT: Wer sind diese Organisationen?
Schimron: Das sind Gruppen wie Islamic Dschihad, Hamas, die beiden Hisbollah-Gruppierungen im Libanon und in Kaschmir - Organisationen, deren Ideologie es ist, einen Heiligen Krieg gegen die westliche Welt zu führen. Sie werden von souveränen Regierungen entweder unterstützt oder genehmigt. Zum Beispiel lässt Damaskus den Islamic Dschihad von seinem Gebiet aus operieren oder Teheran die Hisbollah.
DIE WELT: Wie stehen sie miteinander in Kontakt?
Schimron: Sie wissen, dass die Amerikaner fast alles mithören. Das FBI hat sogar Zugriff auf E-Mails. Ich glaube, die Organisationen haben eine alternative Kommunikationsinfrastruktur aufgebaut, mit persönlichen Boten und kodierten Gesprächen. Außerdem haben sie die so genannten "sicheren Häfen": sie können sich in Damaskus treffen, in Teheran, im Sudan und natürlich in Bagdad: Es gibt genug Länder, die ihre Augen vor Personen verschließen, die von anderen Sicherheitsdiensten eindeutig als Terroristen identifiziert wurden.
DIE WELT: Wird es möglich sein, die Schuldigen bald zu finden?
Schimron: Jetzt wartet alle Welt darauf, dass die USA im Stil von Hollywood-Filmen in 90 Minuten alles beenden. Aber es wird lange dauern. Und leider werden die Ziele mit der Zeit mehr und mehr werden. Es ist nicht wie bei normalen Polizeiermittlungen, man wird die Kreise nicht enger ziehen können, sondern man wird auf immer mehr Drahtzieher und Täter stoßen.
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