Viva konsolidiert und träumt vom großen Wurf
"Joint Venture mit AOL Time Warner als Probe für USA denkbar" - Mit Lizenzen Werbeflaute auffangen
Von Heike Schmidt, Köln
Börsen-Zeitung, 15.12.2001
Viva Media im Qualitätstest:
Die Eckdaten
Als die Kölner Viva Media AG im September ihr Joint Venture mit dem amerikanischen Medienriesen AOL Time Warner bekannt gegeben hat, habe der Mitbewerber MTV eine für ihn ungewohnt heftige Reaktion gezeigt: Er habe eingeräumt, dass ihn der Schritt der Konkurrenz betreffen könnte. Für den Viva-Vorstandsvorsitzenden Dieter Gorny ist das ein Hinweis darauf, dass in der Zusammenarbeit mit den Amerikanern großes Potenzial liegt. Nach seiner Einschätzung liegt darin auch eine mögliche Eintrittskarte für Viva in die USA, dem heftig verteidigten Heimatland des Rivalen MTV.
Denn - so sein Argument - der US-Konzern stelle kein Joint Venture mit Viva auf die Beine, mit dem Zweck, einen dümpelnden Sender der Deutschen in die Gewinnzone zu hieven, alleine aus dem Grund, sich ein Standbein im deutschen Musik-TV zu verschaffen.
Der Sender Viva Zwei habe bislang die positiven Beiträge des Schwestersenders Viva Eins aufgezehrt, so Finanzvorstand Christian Gisy im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Der "fette Verlustbringer" sowie die Viva-Internet-Aktivitäten sind auf die Neugründung Viva Plus GmbH ausgelagert worden, an der sich AOL Time Warner mit 49 % beteiligen wolle.
"AOL-Strategie bleibt"
Der angekündigte Wechsel an der Spitze von AOL Time Warner ändere nichts an der Viva betreffenden Strategie des US-Partners, der über seine deutsche Tochter auch zu den Viva-Hauptaktionären gehört, sagte Gorny der Börsen-Zeitung. AOL-Chief Executive Gerald Levin setzt sich im Mai zur Ruhe und gibt den Stab an Richard Parsons, einen der beiden COOs. Einige Beobachter werten das Ausscheiden des 62-jährigen Levin, der als Chef von Time Warner der Übernahme durch America Online zugestimmt hatte, als ein Zeichen dafür, dass bei dem fusionierten Konzern nicht alles läuft wie erhofft.
Was die beiden Joint-Venture-Partner es sich kosten lassen, Viva Zwei nach einer Generalüberholung unter dem Namen Viva Plus wieder ins Rennen zu schicken, war nicht zu erfahren. Es wird kolportiert, es handele sich um einen "zweistelligen Millionen Euro-Betrag", den Viva und AOL Time Warner bis zum angepeilten Break-even von Viva Plus in drei Jahren zuschießen. Flüssige Mittel sind nach Darstellung von Gisy bei Viva nicht knapp: Vom Nettoemissionserlös von 72 Mill. Euro waren per Ende September noch rund 47 Mill. Euro übrig. Weitere 30 Mill. Euro sollen Viva im kommenden Jahr aus dem Joint Venture zufließen.
Der jüngste Zukauf - der Kölner TV-Produzent Brainpool - ist im Wege eines Aktientauschs bezahlt worden. Nach Ablauf der Umtauschfrist hat Viva nunmehr 96 % der Brainpool-Anteile eingesammelt. Nach Abschluss der Transaktion werden die Viva-Beteiligungen von AOL, EMI und Vivendi auf jeweils 15,2 % zurückfallen, die der Viva-Gründer auf 15,5 %. Die drei Brainpool-Vorstände werden mit 13 % ins Boot kommen.
Schwarze Zahlen 2002
Mit der Verbannung von Viva Zwei aus dem Konsolidierungskreis und dem Beitrag des Neuzugangs Brainpool will die neu formierte Viva-Gruppe im kommenden Jahr schwarze Zahlen schreiben. Im zu Ende gehenden Jahr werden allerdings tiefrote Zahlen präsentiert: 2001 soll der Verlust beim Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) auf 17 (1,6) Mill. Euro anschwellen. Das kräftige Minus schreibt der Musiksenderbetreiber unter anderem den Abschreibungen auf die ausgegliederten Sparten Internet und Viva Zwei zu. Darüber hinaus habe die Astra-Aufschaltung beider Sender eine Verdoppelung der Programmverbreitungskosten nach sich gezogen.
Zwar schießen die Kölner mit ihrem Defizit in dieser Periode weit über den anlässlich des Börsengangs prognostizierten Wert von gut 7 Mill. Euro hinaus. Mit einem für 2002 angekündigten Ebit von plus 40 Mill. Euro würde der Musik-TV-Spezialist aber ein Jahr früher in der Gewinnzone einlaufen, als die zum Emissionskonsortium gehörende Commerzbank beim IPO veranschlagt hatte. Auf der Ertragsseite von Brainpool sieht es 2001 auch trübe aus (prognostiziertes Ebit: - 11,7 Mill. Euro). Die Ertragssituation sei aber von Sonderbelastungen geprägt.
Zum einen spiegele das Ergebnis noch den missglückten Ausflug Brainpools in die Print-Welt wider, der mit einem Verlust von 25 Mill. DM endete. Zum anderen habe Viva Brainpool vor der Übernahme bereinigt und Wertberichtigungen von knapp 8 Mill. Euro vorgenommen.
Keine Integrationskosten
2002 soll sich die Brainpool-Ebit-Marge auf 12 % (Standalone-Basis) erholen. Viva alleine rechnet sich in der nächsten Periode eine Ebit-Marge von 57 % aus, die Gesamtgruppe soll bei einem Umsatz von 126 Mill. Euro auf eine Marge von 33 % kommen. Integrationskosten werde die Eingliederung des TV-Produzenten so gut wie keine verursachen, sind sich Gisy und Gorny sicher. Mit dem geplanten Delisting von Brainpool fallen nach Schätzung des Vorstands jährlich Kosten von 350 000 Euro weg.
Nach den Worten des Finanzchefs hat Viva Brainpool nicht in den Konzern geholt, um TV-Formate für den Musiksender zu produzieren. Viva will sich mit den Rechten an den Brainpool-Produktionen eine Einnahmenquelle neben der Werbung erschließen. Angesichts der wenig hoffnungsvollen Prognosen für den Werbemarkt ein ratsamer Schritt: Für 2002 stehen die Prognosen für den TV-Werbemarkt auf minus 2 %. Das werde Viva in vollem Umfang spüren, so Gisy.
Lizenzen als Standbein
Die Erlöse, die sich bislang zu fast 90 % aus Werbung speisten, sollen nach der Fusion zu gut einem Drittel aus der Lizenzvergabe generiert werden. Weniger als die Hälfte (47 %) des Umsatzes der Viva-Gruppe soll über die Werbung hereinkommen. Der Anteil des Rechteverkaufs soll in den kommenden Jahren weiter expandieren.
Die größten Abnehmer der Brainpool-Formate waren in den vergangenen Jahren Sat 1 und ProSieben. Der fusionierte Sender ProSiebenSat.1 gehört zur finanziell klammen Kirch-Gruppe, die aktuellen Spekulationen zufolge Gegenstand eines Frontalangriffs des australischen Mediengiganten Rupert Murdoch werden könnte. Die Sorge, dass seine Pläne durchkreuzt werden könnten, wenn aus dieser Ecke Bewegung in den Medienmarkt kommt, plagt den Viva-Vorstand nach eigenem Bekunden nicht.
Nemax 50 im Visier
Die Aufnahme der Viva-Aktie in den Nemax 50 hält Gisy für gerechtfertigt. Auch wenn sie bei einem Börsenwert von rund 180 Mill. Euro ein geringes Handelsvolumen aufweist. Als eine Ursache dafür vermutet er die relative Marktenge. Zudem liegen Teile des Streubesitzes in festen Händen, woran auch ein nach der Brainpool-Transaktion verbreiterter Free Float (von 23,5 auf 25,5 %) wenig ändern dürfte.
Börsen-Zeitung, 15.12.2001
"Joint Venture mit AOL Time Warner als Probe für USA denkbar" - Mit Lizenzen Werbeflaute auffangen
Von Heike Schmidt, Köln
Börsen-Zeitung, 15.12.2001
Viva Media im Qualitätstest:
Die Eckdaten
Als die Kölner Viva Media AG im September ihr Joint Venture mit dem amerikanischen Medienriesen AOL Time Warner bekannt gegeben hat, habe der Mitbewerber MTV eine für ihn ungewohnt heftige Reaktion gezeigt: Er habe eingeräumt, dass ihn der Schritt der Konkurrenz betreffen könnte. Für den Viva-Vorstandsvorsitzenden Dieter Gorny ist das ein Hinweis darauf, dass in der Zusammenarbeit mit den Amerikanern großes Potenzial liegt. Nach seiner Einschätzung liegt darin auch eine mögliche Eintrittskarte für Viva in die USA, dem heftig verteidigten Heimatland des Rivalen MTV.
Denn - so sein Argument - der US-Konzern stelle kein Joint Venture mit Viva auf die Beine, mit dem Zweck, einen dümpelnden Sender der Deutschen in die Gewinnzone zu hieven, alleine aus dem Grund, sich ein Standbein im deutschen Musik-TV zu verschaffen.
Der Sender Viva Zwei habe bislang die positiven Beiträge des Schwestersenders Viva Eins aufgezehrt, so Finanzvorstand Christian Gisy im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Der "fette Verlustbringer" sowie die Viva-Internet-Aktivitäten sind auf die Neugründung Viva Plus GmbH ausgelagert worden, an der sich AOL Time Warner mit 49 % beteiligen wolle.
"AOL-Strategie bleibt"
Der angekündigte Wechsel an der Spitze von AOL Time Warner ändere nichts an der Viva betreffenden Strategie des US-Partners, der über seine deutsche Tochter auch zu den Viva-Hauptaktionären gehört, sagte Gorny der Börsen-Zeitung. AOL-Chief Executive Gerald Levin setzt sich im Mai zur Ruhe und gibt den Stab an Richard Parsons, einen der beiden COOs. Einige Beobachter werten das Ausscheiden des 62-jährigen Levin, der als Chef von Time Warner der Übernahme durch America Online zugestimmt hatte, als ein Zeichen dafür, dass bei dem fusionierten Konzern nicht alles läuft wie erhofft.
Was die beiden Joint-Venture-Partner es sich kosten lassen, Viva Zwei nach einer Generalüberholung unter dem Namen Viva Plus wieder ins Rennen zu schicken, war nicht zu erfahren. Es wird kolportiert, es handele sich um einen "zweistelligen Millionen Euro-Betrag", den Viva und AOL Time Warner bis zum angepeilten Break-even von Viva Plus in drei Jahren zuschießen. Flüssige Mittel sind nach Darstellung von Gisy bei Viva nicht knapp: Vom Nettoemissionserlös von 72 Mill. Euro waren per Ende September noch rund 47 Mill. Euro übrig. Weitere 30 Mill. Euro sollen Viva im kommenden Jahr aus dem Joint Venture zufließen.
Der jüngste Zukauf - der Kölner TV-Produzent Brainpool - ist im Wege eines Aktientauschs bezahlt worden. Nach Ablauf der Umtauschfrist hat Viva nunmehr 96 % der Brainpool-Anteile eingesammelt. Nach Abschluss der Transaktion werden die Viva-Beteiligungen von AOL, EMI und Vivendi auf jeweils 15,2 % zurückfallen, die der Viva-Gründer auf 15,5 %. Die drei Brainpool-Vorstände werden mit 13 % ins Boot kommen.
Schwarze Zahlen 2002
Mit der Verbannung von Viva Zwei aus dem Konsolidierungskreis und dem Beitrag des Neuzugangs Brainpool will die neu formierte Viva-Gruppe im kommenden Jahr schwarze Zahlen schreiben. Im zu Ende gehenden Jahr werden allerdings tiefrote Zahlen präsentiert: 2001 soll der Verlust beim Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) auf 17 (1,6) Mill. Euro anschwellen. Das kräftige Minus schreibt der Musiksenderbetreiber unter anderem den Abschreibungen auf die ausgegliederten Sparten Internet und Viva Zwei zu. Darüber hinaus habe die Astra-Aufschaltung beider Sender eine Verdoppelung der Programmverbreitungskosten nach sich gezogen.
Zwar schießen die Kölner mit ihrem Defizit in dieser Periode weit über den anlässlich des Börsengangs prognostizierten Wert von gut 7 Mill. Euro hinaus. Mit einem für 2002 angekündigten Ebit von plus 40 Mill. Euro würde der Musik-TV-Spezialist aber ein Jahr früher in der Gewinnzone einlaufen, als die zum Emissionskonsortium gehörende Commerzbank beim IPO veranschlagt hatte. Auf der Ertragsseite von Brainpool sieht es 2001 auch trübe aus (prognostiziertes Ebit: - 11,7 Mill. Euro). Die Ertragssituation sei aber von Sonderbelastungen geprägt.
Zum einen spiegele das Ergebnis noch den missglückten Ausflug Brainpools in die Print-Welt wider, der mit einem Verlust von 25 Mill. DM endete. Zum anderen habe Viva Brainpool vor der Übernahme bereinigt und Wertberichtigungen von knapp 8 Mill. Euro vorgenommen.
Keine Integrationskosten
2002 soll sich die Brainpool-Ebit-Marge auf 12 % (Standalone-Basis) erholen. Viva alleine rechnet sich in der nächsten Periode eine Ebit-Marge von 57 % aus, die Gesamtgruppe soll bei einem Umsatz von 126 Mill. Euro auf eine Marge von 33 % kommen. Integrationskosten werde die Eingliederung des TV-Produzenten so gut wie keine verursachen, sind sich Gisy und Gorny sicher. Mit dem geplanten Delisting von Brainpool fallen nach Schätzung des Vorstands jährlich Kosten von 350 000 Euro weg.
Nach den Worten des Finanzchefs hat Viva Brainpool nicht in den Konzern geholt, um TV-Formate für den Musiksender zu produzieren. Viva will sich mit den Rechten an den Brainpool-Produktionen eine Einnahmenquelle neben der Werbung erschließen. Angesichts der wenig hoffnungsvollen Prognosen für den Werbemarkt ein ratsamer Schritt: Für 2002 stehen die Prognosen für den TV-Werbemarkt auf minus 2 %. Das werde Viva in vollem Umfang spüren, so Gisy.
Lizenzen als Standbein
Die Erlöse, die sich bislang zu fast 90 % aus Werbung speisten, sollen nach der Fusion zu gut einem Drittel aus der Lizenzvergabe generiert werden. Weniger als die Hälfte (47 %) des Umsatzes der Viva-Gruppe soll über die Werbung hereinkommen. Der Anteil des Rechteverkaufs soll in den kommenden Jahren weiter expandieren.
Die größten Abnehmer der Brainpool-Formate waren in den vergangenen Jahren Sat 1 und ProSieben. Der fusionierte Sender ProSiebenSat.1 gehört zur finanziell klammen Kirch-Gruppe, die aktuellen Spekulationen zufolge Gegenstand eines Frontalangriffs des australischen Mediengiganten Rupert Murdoch werden könnte. Die Sorge, dass seine Pläne durchkreuzt werden könnten, wenn aus dieser Ecke Bewegung in den Medienmarkt kommt, plagt den Viva-Vorstand nach eigenem Bekunden nicht.
Nemax 50 im Visier
Die Aufnahme der Viva-Aktie in den Nemax 50 hält Gisy für gerechtfertigt. Auch wenn sie bei einem Börsenwert von rund 180 Mill. Euro ein geringes Handelsvolumen aufweist. Als eine Ursache dafür vermutet er die relative Marktenge. Zudem liegen Teile des Streubesitzes in festen Händen, woran auch ein nach der Brainpool-Transaktion verbreiterter Free Float (von 23,5 auf 25,5 %) wenig ändern dürfte.
Börsen-Zeitung, 15.12.2001