Donnerstag, 02. August 2001 Berlin, 18:24 Uhr
Europas Online-Reisebüros erleben blaues Wunder
Die europäischen Anbieter bleiben bisher hinter den Erwartungen zurück. Die Kurse der US-Gesellschaften gehen dagegen auf Höhenflug
Berlin - Amerika ist zumindest für Online-Reisebüros das gelobte Land. Die Umsätze der beiden größten Spieler auf dem US-Markt, Travelocity und Expedia, wachsen rasant. Seit diesem Jahr schreiben beide Gesellschaften, die mehr als die Hälfte des Internet-Reisegeschäfts in den USA kontrollieren, sogar auf Pro-Forma-Basis schwarze Zahlen. Zuletzt überraschte Expedia Anfang der Woche mit einer Verdoppelung des Umsatzes im abgelaufenen Quartal.
Kein Wunder, dass auch die Aktienkurse der amerikanischen Web-Reisebüros von der fast schon euphorischen Stimmung profitieren. Der Kurs von Expedia hat sich in diesem Jahr verfünffacht. Auch Travelocity und die Aktien von Priceline, einem auf Billigtickets spezialisierten Anbieter, befinden sich auf einem Höhenflug. Und Analysten heizen die Stimmung weiter an. Der Online-Reisemarkt wird als "heißester Sektor" im E-Commerce gehandelt. Anthony Noto von Goldman Sachs überschüttete zuletzt Expedia mit Lob und bekräftigte seine Kaufempfehlung. Schon vorher hatte Goldman Sachs goldene Geschäftschancen bei Online-Reisebüros ausgemacht und prognostiziert, dass in zehn Jahren gut ein Fünftel des Reisegeschäfts im Internet abgewickelt wird. Bisher sind es noch rund sechs Prozent oder 14 Mrd. Dollar pro Jahr.
In Europa ist dagegen von Euphorie keine Spur. "Das Wachstum des Online-Reisemarktes blieb bisher hinter den Erwartungen zurück", meint Hans-Peter Muntzke von der Dresdner Bank. Auch die kommenden drei Jahren könnten wenig berauschend verlaufen. An seinem langfristigen Optimismus hält er aber fest: "Das Online-Geschäft kann mit Verzögerung immer noch zu einem Selbstläufer werden." Schließlich hätten die Amerikaner einen mehrjährigen Vorsprung.
Anzeichen für eine Aufholjagd fehlen aber bisher. Ablesbar ist dies an den drastisch gefallenen Aktienkursen fast aller europäischer Anbieter. Obgleich die Reise-Seiten zu den meistbesuchten Angeboten im Internet zählen, bleiben die Umsätze, gemessen am gesamten Touristikmarkt, gering. "Informieren im Internet, buchen im Reisebüro", beschreibt eine Studie der Internet-Marktforscher Fittkau&Maaß das Kundenverhalten. In Deutschland liegt der Anteil der Online-Buchungen am Gesamtumsatz bei weniger als einem Prozent. In anderen europäischen Ländern sieht es kaum besser aus. Die Konsequenz: Fast alle europäischen Online-Reisebüros - zusätzlich durch hohe Marketingausgaben belastet - schreiben tiefrote Zahlen.
Travel24.com aus München erwartet in diesem Jahr einen Fehlbetrag von knapp 18 Mio. Euro. Der britische Online-Reiseanbieter Ebookers meldete zu Wochenanfang für das erste Halbjahr einen Vorsteuerverlust von 28 Mio. Euro. Beim größten europäischen Anbieter lastminute.com gab es bereits Gerüchte, dass dem Unternehmen das Geld ausgehen könnte. "In den kommenden Jahren dürfte es zu einem starken Konzentrationsprozess kommen", meint Analyst Muntzke. Zudem drängen große Reiseveranstalter und Fluggesellschaften - trotz trüberer Aussichten - immer noch mit Macht ins Internet. "Der Konkurrenzdruck wird sich verschärfen", so Axel Hotze von der Commerzbank. So baut T-Online mit TUI und Thomas Cook ein Reiseportal auf. Ab Dezember wollen neun führende europäische Fluggesellschaften ein Internet-Reisebüro starten. "Den unabhängigen Anbietern bleibt dann nur ein Nischendasein oder die Übernahme", meint Hotze. Kleiner Trost. Auch die hochgelobten US-Anbieter bekommen Konkurrenz. Anfang Juni startete mit Orbitz.com das Online-Angebot fünf großer amerikanischer Fluggesellschaften. Marktforscher bescheinigten dem Neueinsteiger den besten Internet-Start seit Jahren.
www.welt.de/daten/2001/08/02/0802fi271919.htx
Europas Online-Reisebüros erleben blaues Wunder
Die europäischen Anbieter bleiben bisher hinter den Erwartungen zurück. Die Kurse der US-Gesellschaften gehen dagegen auf Höhenflug
Berlin - Amerika ist zumindest für Online-Reisebüros das gelobte Land. Die Umsätze der beiden größten Spieler auf dem US-Markt, Travelocity und Expedia, wachsen rasant. Seit diesem Jahr schreiben beide Gesellschaften, die mehr als die Hälfte des Internet-Reisegeschäfts in den USA kontrollieren, sogar auf Pro-Forma-Basis schwarze Zahlen. Zuletzt überraschte Expedia Anfang der Woche mit einer Verdoppelung des Umsatzes im abgelaufenen Quartal.
Kein Wunder, dass auch die Aktienkurse der amerikanischen Web-Reisebüros von der fast schon euphorischen Stimmung profitieren. Der Kurs von Expedia hat sich in diesem Jahr verfünffacht. Auch Travelocity und die Aktien von Priceline, einem auf Billigtickets spezialisierten Anbieter, befinden sich auf einem Höhenflug. Und Analysten heizen die Stimmung weiter an. Der Online-Reisemarkt wird als "heißester Sektor" im E-Commerce gehandelt. Anthony Noto von Goldman Sachs überschüttete zuletzt Expedia mit Lob und bekräftigte seine Kaufempfehlung. Schon vorher hatte Goldman Sachs goldene Geschäftschancen bei Online-Reisebüros ausgemacht und prognostiziert, dass in zehn Jahren gut ein Fünftel des Reisegeschäfts im Internet abgewickelt wird. Bisher sind es noch rund sechs Prozent oder 14 Mrd. Dollar pro Jahr.
In Europa ist dagegen von Euphorie keine Spur. "Das Wachstum des Online-Reisemarktes blieb bisher hinter den Erwartungen zurück", meint Hans-Peter Muntzke von der Dresdner Bank. Auch die kommenden drei Jahren könnten wenig berauschend verlaufen. An seinem langfristigen Optimismus hält er aber fest: "Das Online-Geschäft kann mit Verzögerung immer noch zu einem Selbstläufer werden." Schließlich hätten die Amerikaner einen mehrjährigen Vorsprung.
Anzeichen für eine Aufholjagd fehlen aber bisher. Ablesbar ist dies an den drastisch gefallenen Aktienkursen fast aller europäischer Anbieter. Obgleich die Reise-Seiten zu den meistbesuchten Angeboten im Internet zählen, bleiben die Umsätze, gemessen am gesamten Touristikmarkt, gering. "Informieren im Internet, buchen im Reisebüro", beschreibt eine Studie der Internet-Marktforscher Fittkau&Maaß das Kundenverhalten. In Deutschland liegt der Anteil der Online-Buchungen am Gesamtumsatz bei weniger als einem Prozent. In anderen europäischen Ländern sieht es kaum besser aus. Die Konsequenz: Fast alle europäischen Online-Reisebüros - zusätzlich durch hohe Marketingausgaben belastet - schreiben tiefrote Zahlen.
Travel24.com aus München erwartet in diesem Jahr einen Fehlbetrag von knapp 18 Mio. Euro. Der britische Online-Reiseanbieter Ebookers meldete zu Wochenanfang für das erste Halbjahr einen Vorsteuerverlust von 28 Mio. Euro. Beim größten europäischen Anbieter lastminute.com gab es bereits Gerüchte, dass dem Unternehmen das Geld ausgehen könnte. "In den kommenden Jahren dürfte es zu einem starken Konzentrationsprozess kommen", meint Analyst Muntzke. Zudem drängen große Reiseveranstalter und Fluggesellschaften - trotz trüberer Aussichten - immer noch mit Macht ins Internet. "Der Konkurrenzdruck wird sich verschärfen", so Axel Hotze von der Commerzbank. So baut T-Online mit TUI und Thomas Cook ein Reiseportal auf. Ab Dezember wollen neun führende europäische Fluggesellschaften ein Internet-Reisebüro starten. "Den unabhängigen Anbietern bleibt dann nur ein Nischendasein oder die Übernahme", meint Hotze. Kleiner Trost. Auch die hochgelobten US-Anbieter bekommen Konkurrenz. Anfang Juni startete mit Orbitz.com das Online-Angebot fünf großer amerikanischer Fluggesellschaften. Marktforscher bescheinigten dem Neueinsteiger den besten Internet-Start seit Jahren.
www.welt.de/daten/2001/08/02/0802fi271919.htx