Europäische Aktien
- Totgesagte leben länger
Totgesagte leben länger. Warren Buffett, Amerikas berühmtester Investor und Anhänger konservativer Anlagestrategien, war in der ersten Hälfte 2000 das Gespött vieler Anlegermagazine. Der schon zu Lebzeiten legendäre Börsenguru schien den Aufbruch in das digitale Zeitalter verpasst zu haben. Er hatte nicht auf Technologiewerte gesetzt. Und der Börsenboom vom Jahresanfang ging an ihm vorbei ebenso wie die Traumrenditen - allerdings auch der Crash vom zweiten Halbjahr.
Buffett hatte für diese Abstinenz stets gute Gründe. Zum einen machte er nie einen Hehl daraus, dass er nur die Aktien solcher Unternehmen kauft, deren Geschäfte er auch versteht. Buffets Ruf an der Börse gründet sich auf seine erfolgreiche Strategie, die Papiere von Großunternehmen zu niedrigen Kursen zu kaufen. Zum anderen ist für ihn die Prognostizierbarkeit von Cashflow und Ertrag eine unabdingbare Voraussetzung für jedes Investment. Und gerade im noch jungen Technologiebereich ist die Prognostizierbarkeit weniger als in anderen Industrien gegeben.
Grund zur Schadenfreude
Buffett wurde während der Aktienmarkthausse als Investment-Fossil bezeichnet, das die Zeichen der Zeit einfach nicht erkannt hatte. Doch der Börsenfuchs sollte die richtige Spürnase besitzen.
Das Motto von Buffett lautet: Kaufe nur, was du verstehst. Getreu diesem Motto ist der Liebhaber von Coca Cola und Big Mac zugleich Großinvestor dieser "Old Economy" Unternehmen. Nichts ist dem Börsenguru suspekter als Firmen mit vagen Geschäftsideen. Bevor Buffett in eine Aktie investiert, untersucht er das Unternehmen penibel auf seine betriebswirtschaftlichen Fakten.
Vor kurzem legte der Chef der Holding Berkshire Hathaway eine beeindruckende Bilanz vor. Die Berkshire Hathaway-Aktie war und ist der Indikator für Buffetts Erfolg. Berkshire Hathaway (WKN 900 567) ist die börsennotierte Aktiengesellschaft der US-Investoren-Legende Warren Buffett. Noch in 2000 als nicht mehr "trendgemäß" abgeschrieben, hat die Entwicklung viele dot.com-Anleger erblassen lassen. Trotz weltweit rückläufiger Börsenkurse haben die Buffet-Jünger prächtig verdient.
Branchen statt Länder - die neuen Kriterien
Spätestens mit dem Euro gibt es neue Auswahlkriterien für Aktien. Bisher wurden die verschiedenen Aktien eines Landes verglichen. In unserer neuen Euro-Welt mit globalen Finanzmärkten werden es die Aktien verschiedener Länder einer Branche sein. Denn in Euroland sind die regionalen Anlagegrenzen bereits gefallen. Anleger sollten daher künftig nicht einzelne Aktienmärkte und ihre Aussichten vergleichen, sondern einzelne Werte innerhalb ihrer Branchen. Die Branchenbetrachtung löst also den früher vorherrschenden klassischen Länderansatz bei der Aktienauswahl ab.
Damit wird es wichtiger, sich mit der Positionierung eines Unternehmens innerhalb seiner Branche auseinander zusetzen als mit seiner Positionierung innerhalb seines Heimatlandes. Die unmittelbaren Konkurrenten um die Anlegergunst sind nicht mehr die anderen Unternehmen im Heimatland, sondern die Konkurrenten aus derselben Branche.
Die wichtigsten Branchen der nächsten Jahre dürften sein:
Chemie/Gesundheit/Pharma
Die Branche hat eine Restrukturierung hinter sich. Durch Abspaltungen und Fusionen entstanden aus ehemals gemischten Chemie- und Pharmakonzernen reine Chemie- oder so genannte Life Sciences-Unternehmen. Dabei hält der Trend zur Konzentration auf Kernbereiche wie Basischemie, Spezialitätenchemie, Pharma oder Pflanzenschutz unverändert an. Als klassischer Wachstumsbereich profitieren auch die Hersteller von Arzneimitteln - weltweit. Und das dürfte auch weiterhin so bleiben. Denn die zunehmende Weltbevölkerung, die steigenden Lebensalter in den großen Industrieländern, der höhere Lebensstandard in den Schwellenländern und die aktuell noch begrenzte Behandelbarkeit von Krankheiten treiben die Nachfrage.
Banken
Es wird zu einem Konzentrationsprozess im europäischen Bankgewerbe kommen, bei dem nur die großen Finanzinstitute überleben werden. Bislang fand diese Konsolidierung hauptsächlich auf nationaler Ebene statt. Am Ende der Fusionen werden sich nur wenige Banken als Global Player positionieren können. Solche grenzübergreifenden Zusammenschlüsse sind aber auch in Euroland aufgrund der nationalen Interessen schwierig umzusetzen. Daher ist oftmals zunächst eine Zusammenarbeit in technischen Bereichen wie etwa dem Zahlungsverkehr, in der Wertpapierverwahrung, -abwicklung oder auch der Informationstechnologie zu erwarten.
Versorger
Mehr Liberalisierung der europäischen Strommärkte (Ausnahme: Frankreich) bedeutet mehr Wettbewerb. Überkapazitäten sorgen dafür, dass die operativen Ergebnisse aus dem Stromgeschäft zurückgehen. Dies wollen die Versorger mit einer Multi-Utility-Strategie ändern. Das bedeutet: Alle Versorgungsdienstleistungen sollen den Kunden aus einer Hand angeboten werden. Das Kerngeschäft Strom wird dann um Gas, Wasser und Entsorgungsdienste ergänzt. Der Erfolg wird auch davon abhängen, wie schnell Marktanteile im In- und Ausland, fehlende Aktivitäten und Kompetenzen dazugekauft werden können.
Versicherungen
Die Versicherungsbranche steht am Beginn eines umfangreichen europäischen Konzentrationsprozesses, wie er in anderen Branchen schon weit fortgeschritten ist. Hier gab es noch keine spektakuläre vollendeten oder gescheiterten Fusionen oder Übernahmen. Bestimmend im Wettbewerb dürfte das sich verändernde Kundenbewusstsein beim Preis-Leistungs-Verhältnis und der Rendite sein. Einzig Lebensversicherer und Krankenversicherer dürfen auf Neugeschäft hoffen. Deswegen steigen manche Gesellschaften in die ertragsstarke Vermögensverwaltung ein, was allerdings die teure Akquisition eines etablierten Asset-Managers bedeutet. Großschäden, wie durch Naturkatastrophen, treffen dagegen die Sach- und Rückversicherer.
Technologie
Im Bereich der Steuerungs- und Automatisierungstechnik sind einzig Produktivitätsfortschritte die Chance, Margen zu erhalten oder gar zu steigern. Deswegen weist die Automatisierungstechnik eine besondere Wachstumsdynamik auf. Die Halbleiterindustrie profitiert dabei generell von einem zunehmenden Halbleitergehalt in nahezu allen Endmärkten. Das sind die großen Trends der Digitalisierung des Haushalts, des explosionsartigen Anstiegs der weltweiten Kommunikation, sowie Mobilität und eCommerce.
Automobil
Die gesamte Autobranche ist in einer Konsolidierungsphase. Zudem kämpfen manche Unternehmen mit hausgemachten Problemen. Trotzdem bieten sich einzelne Werte als Kauf an. Das Entstehen von DaimlerChrysler in 1998 gab den Anstoß zu weltweiten Übernahmeaktivitäten. Langfristig werden weltweit keine zehn Autohersteller übrigbleiben. Grund sind die durch Fusionen immer erhofften hohe Synergieeffekte und die Ergänzung des Angebots, beispielsweise bei der Modell- und Markenpalette und der geografischen Ergänzung der Absatzgebiete. Doch die gestiegenen Ansprüche der Kunden bei Modellwechsel, Ausstattung, Umweltverträglichkeit und Sicherheit machen immer höhere Entwicklungskosten nötig. Nur große Automobilkonzerne werden dem langfristig gewachsen sein.
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