Vorwurf der Preisabsprachen
EU attackiert Deutsche Börse
Die Europäische Kommission vermutet Preisabsprachen unter den Börsen und dadurch überhöhte Gebühren. Sie fordert deshalb mehr Wettbewerb. Im schlimmsten Fall könnte das die Zerschlagung der Deutschen Börse AG bedeuten.
BRÜSSEL/FRANKFURT. EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy und EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes forderten die europäischen Börsenbetreiber gestern ultimativ auf, bis zum Sommer die Gebühren für grenzüberschreitende Transaktionen zu senken und mehr Wettbewerb bei der Abwicklung und Abrechnung des Wertpapierhandels (Clearing und Settlement) einzuführen. Ansonsten drohe eine Zwangsöffnung der Märkte für Wettbewerber. Auch Preisvorgaben durch Brüssel seien möglich, hieß es.
Die EU-Kommission hat den Verdacht, dass die Börsen ihre monopolähnliche Stellung missbrauchen, um bei Clearing und Settlement hohe Gebühren durchzusetzen. „Preisabsprachen sind nicht auszuschließen“, sagte ein Sprecher von EU-Wettbewerbskommissarin Kroes. Nach Angaben der Kommission liegen die Preise für grenzüberschreitende Transaktionen derzeit sechsmal so hoch wie beim inländischen Aktienhandel.
Der Vorstoß richtet sich vor allem gegen die so genannte Silo-Struktur einiger europäischer Aktienmarktplätze. Darunter versteht man Börsen, die alle Dienste rund um den Aktienhandel aus einer Hand anbieten. Betroffen ist vor allem die Frankfurter Börse mit ihrer Abwicklungstochter Clearstream und Eurex Clearing, aber auch die Börsen in Mailand und Madrid.
Die Brüsseler Pläne haben im Extremfall die gesetzliche Aufspaltung der Frankfurter Börse zur Folge. Für die Deutsche Börse könnte das bedeuten, dass sie bis zu einem Drittel ihrer Gewinne verlieren könnte. Die Dienstleistungen Abrechnung, Abwicklung und Wertpapierverwahrung sind bei der Deutschen Börse im Segment Clearstream gebündelt. Der Bereich hat 2005 rund 233 Mill. Euro oder 33 Prozent zum operativen Gewinn von 710 Mill. Euro beigetragen.
Brüsseler Finanzexperten warnen davor, die Börse zu einer Abgabe der Wertpapierabwicklung zu zwingen. „Ohne die Integration von Clearstream droht ein massiver Einbruch der Profitabilität“, so der FDP-Europaabgeordnete Wolf Klinz. Es sei „eigenartig“, so Klinz, dass die EU-Kommission derart hart reagiere. Die Behörde mache sich damit „zum Fürsprecher jener Kräfte, die den Marktwert der Deutschen Börse drücken wollen“.
Der aktuelle Vorstoß der Kommission geht zurück auf massive Beschwerden vor allem britischer, französischer und italienischer Bank- und Investmenthäuser. Sie kritisieren seit langem bereits das Preisgebaren an den Börsenplätzen mit integrierter Infrastruktur und fordern ein Aufbrechen der Silo-Struktur. Die Banken erhoffen sich vom Eingreifen der EU Preisvorteile im internationalen Aktienhandel und den Ausbau des eigenen Abwicklungsgeschäftes. Die Branche verweist auf das Vorbild USA, wo ein einziger landesweiter Abwicklungsanbieter existiert. In den USA betragen die Abwicklungskosten nur einen Bruchteil der europäischen Gebühren.
Eine Sprecherin der Deutschen Börse wies die Kritik der Kommission an der Silo-Struktur zurück. Ineffizienzen im grenzüberschreitenden Aktienhandel hätten andere Ursachen, hieß es in Frankfurt. „Die Effizienz könnte weiter verbessert werden, indem damit begonnen würde, die steuerlichen und rechtlichen Gegebenheiten in den europäischen Ländern zu harmonisieren“, sagte die Sprecherin.
Analysten rechnen jedoch nicht damit, dass die EU-Kommission schnell und mit einschneidenden Maßnahmen ins Geschäft der Deutschen Börse eingreifen wird. „Es wird jetzt erst einmal Verhandlungen geben müssen. Wenn die nicht zu einem befriedigenden Ergebnis für alle Seiten führen, kann es zu einer langwierigen juristischen Auseinandersetzung kommen“, sagte Heiko Frantzen, Börsenanalyst beim Bankhaus Sal. Oppenheim.
Die Experten verwiesen darauf, dass Börsen-Chef Reto Francioni zuletzt bereits eine Kompromisslinie angedeutet hatte. So hatte er angekündigt, sich an der Diskussion über die Bildung eines europäischen Clearinghauses zu beteiligen. Eine solche Abspaltung beträfe jedoch nur den Teilbereich des Abrechnungsgeschäfts für Aktien. Auf diesen entfiel 2005 ein Umsatz von rund 60 Mill. Euro und damit nur ein Bruchteil der Gesamteinnahmen des Konzerns von 1,6 Mrd Euro im vergangenen Jahr.
Brisant könnte die Diskussion über die Wertpapierabwicklung werden, wenn die Deutsche Börse einen erneuten Versuch unternimmt, mit der Vier-Länder-Börse Euronext zu fusionieren. Branchen-Experten vermuten, dass die EU-Kommission dann als Voraussetzung für eine Genehmigung fordern würde, Clearstream abzuspalten.
Lukratives Nebengeschäft
Das Prinzip: Hinter jedem Börsengeschäft verbirgt sich ein aufwendiges Procedere. So muss das Geld vom Konto des Käufers auf das des Verkäufers gebucht werden (Clearing). Zugleich muss die Aktie aus dem einen Konto aus- und beim anderen eingebucht werden (Settlement).
Die Monopole: In Europa gibt es 30 Dienstleister für Clearing und Settlement. Die meisten davon agieren ohne echte Konkurrenz in abgeschotteten Märkten. In Deutschland verdient an dem Geschäft die Deutsche Börse mit ihrem Bereich Clearstream, der knapp ein Drittel zum Gewinn beiträgt.
Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 08. März 2006, 07:31 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
EU attackiert Deutsche Börse
Die Europäische Kommission vermutet Preisabsprachen unter den Börsen und dadurch überhöhte Gebühren. Sie fordert deshalb mehr Wettbewerb. Im schlimmsten Fall könnte das die Zerschlagung der Deutschen Börse AG bedeuten.
BRÜSSEL/FRANKFURT. EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy und EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes forderten die europäischen Börsenbetreiber gestern ultimativ auf, bis zum Sommer die Gebühren für grenzüberschreitende Transaktionen zu senken und mehr Wettbewerb bei der Abwicklung und Abrechnung des Wertpapierhandels (Clearing und Settlement) einzuführen. Ansonsten drohe eine Zwangsöffnung der Märkte für Wettbewerber. Auch Preisvorgaben durch Brüssel seien möglich, hieß es.
Die EU-Kommission hat den Verdacht, dass die Börsen ihre monopolähnliche Stellung missbrauchen, um bei Clearing und Settlement hohe Gebühren durchzusetzen. „Preisabsprachen sind nicht auszuschließen“, sagte ein Sprecher von EU-Wettbewerbskommissarin Kroes. Nach Angaben der Kommission liegen die Preise für grenzüberschreitende Transaktionen derzeit sechsmal so hoch wie beim inländischen Aktienhandel.
Der Vorstoß richtet sich vor allem gegen die so genannte Silo-Struktur einiger europäischer Aktienmarktplätze. Darunter versteht man Börsen, die alle Dienste rund um den Aktienhandel aus einer Hand anbieten. Betroffen ist vor allem die Frankfurter Börse mit ihrer Abwicklungstochter Clearstream und Eurex Clearing, aber auch die Börsen in Mailand und Madrid.
Die Brüsseler Pläne haben im Extremfall die gesetzliche Aufspaltung der Frankfurter Börse zur Folge. Für die Deutsche Börse könnte das bedeuten, dass sie bis zu einem Drittel ihrer Gewinne verlieren könnte. Die Dienstleistungen Abrechnung, Abwicklung und Wertpapierverwahrung sind bei der Deutschen Börse im Segment Clearstream gebündelt. Der Bereich hat 2005 rund 233 Mill. Euro oder 33 Prozent zum operativen Gewinn von 710 Mill. Euro beigetragen.
Brüsseler Finanzexperten warnen davor, die Börse zu einer Abgabe der Wertpapierabwicklung zu zwingen. „Ohne die Integration von Clearstream droht ein massiver Einbruch der Profitabilität“, so der FDP-Europaabgeordnete Wolf Klinz. Es sei „eigenartig“, so Klinz, dass die EU-Kommission derart hart reagiere. Die Behörde mache sich damit „zum Fürsprecher jener Kräfte, die den Marktwert der Deutschen Börse drücken wollen“.
Der aktuelle Vorstoß der Kommission geht zurück auf massive Beschwerden vor allem britischer, französischer und italienischer Bank- und Investmenthäuser. Sie kritisieren seit langem bereits das Preisgebaren an den Börsenplätzen mit integrierter Infrastruktur und fordern ein Aufbrechen der Silo-Struktur. Die Banken erhoffen sich vom Eingreifen der EU Preisvorteile im internationalen Aktienhandel und den Ausbau des eigenen Abwicklungsgeschäftes. Die Branche verweist auf das Vorbild USA, wo ein einziger landesweiter Abwicklungsanbieter existiert. In den USA betragen die Abwicklungskosten nur einen Bruchteil der europäischen Gebühren.
Eine Sprecherin der Deutschen Börse wies die Kritik der Kommission an der Silo-Struktur zurück. Ineffizienzen im grenzüberschreitenden Aktienhandel hätten andere Ursachen, hieß es in Frankfurt. „Die Effizienz könnte weiter verbessert werden, indem damit begonnen würde, die steuerlichen und rechtlichen Gegebenheiten in den europäischen Ländern zu harmonisieren“, sagte die Sprecherin.
Analysten rechnen jedoch nicht damit, dass die EU-Kommission schnell und mit einschneidenden Maßnahmen ins Geschäft der Deutschen Börse eingreifen wird. „Es wird jetzt erst einmal Verhandlungen geben müssen. Wenn die nicht zu einem befriedigenden Ergebnis für alle Seiten führen, kann es zu einer langwierigen juristischen Auseinandersetzung kommen“, sagte Heiko Frantzen, Börsenanalyst beim Bankhaus Sal. Oppenheim.
Die Experten verwiesen darauf, dass Börsen-Chef Reto Francioni zuletzt bereits eine Kompromisslinie angedeutet hatte. So hatte er angekündigt, sich an der Diskussion über die Bildung eines europäischen Clearinghauses zu beteiligen. Eine solche Abspaltung beträfe jedoch nur den Teilbereich des Abrechnungsgeschäfts für Aktien. Auf diesen entfiel 2005 ein Umsatz von rund 60 Mill. Euro und damit nur ein Bruchteil der Gesamteinnahmen des Konzerns von 1,6 Mrd Euro im vergangenen Jahr.
Brisant könnte die Diskussion über die Wertpapierabwicklung werden, wenn die Deutsche Börse einen erneuten Versuch unternimmt, mit der Vier-Länder-Börse Euronext zu fusionieren. Branchen-Experten vermuten, dass die EU-Kommission dann als Voraussetzung für eine Genehmigung fordern würde, Clearstream abzuspalten.
Lukratives Nebengeschäft
Das Prinzip: Hinter jedem Börsengeschäft verbirgt sich ein aufwendiges Procedere. So muss das Geld vom Konto des Käufers auf das des Verkäufers gebucht werden (Clearing). Zugleich muss die Aktie aus dem einen Konto aus- und beim anderen eingebucht werden (Settlement).
Die Monopole: In Europa gibt es 30 Dienstleister für Clearing und Settlement. Die meisten davon agieren ohne echte Konkurrenz in abgeschotteten Märkten. In Deutschland verdient an dem Geschäft die Deutsche Börse mit ihrem Bereich Clearstream, der knapp ein Drittel zum Gewinn beiträgt.
Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 08. März 2006, 07:31 Uhr
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Der Einsame Samariter