Hülft das vielleicht?
Als wichtige individuelle Voraussetzung wird gemeinhin Intelligenz (intellektuelle und kognitive Leistungsfähigkeit) betrachtet - darin scheinen sich Wissenschaft und Alltagspsychologie einig (Sternberg, 1985a, 1985b). Die wissenschaftliche Definition bzw. Beschreibung der Intelligenz als Gesamtheit der einem Individuum verfügbaren Dispositionen für kognitive Prozesse, die es ermöglichen, die für das Leben des Individuums in einer Gesellschaft bedeutsamen Anforderungen geistig, aber auch praktisch zu beherrschen, folgt einer funktional-kontextuellen Konzeption (Dixon & Baltes, 1986). Diese kommt auch in der folgenden Definition zum Ausdruck: "Intelligence is not something which one has, but is instead an interpersonal judgement about the power of the way one does something" (Fisher, 1973, S. 16). Schon für die ersten Intelligenzuntersuchungen von Galton und Bindet war eine funktional-kontextuelle Konzeption charakteristisch.
In diesen Untersuchungen wurden zum Beispiel Beziehungen zwischen gesellschaftlichem Erfolg, Status und Prestige einerseits sowie Qualitätsmerkmalen des kognitiven Apparates (zum Beispiel sensorischen Diskriminationsleistungen) andererseits ermittelt. Die funktionalistisch-kontextuelle Sichtweise bezüglich Wissen und Kognition, Intelligenz und Lernen findet ihre Wurzeln in der anthroplogischen Grundannahme, daß zum Überleben des Menschen die (phylogenetische und ontogenetische) Entwicklung von Anpassungs- und Kontrollmechanismen bezüglich einer sich wandelnden Umgebung unabdingbar ist (Dixon & Baltes, 1986, Sansone & Berg, 1993). Werden erwachsene Laien darüber befragt, was intelligentes Verhalten ist, so lassen sich die Antworten in drei Bereiche unterteilen (vgl. Berg & Sternberg, 1992): (a) Interesse und Fähigkeit, mit neuen Situationen und Anforderungen umzugehen, (b) verbale Kompetenz, (c) Alltagskompetenz. Diese drei Bereiche und die darunter subsumierten Verhaltensweisen zeigen deutlich die Kontextualität intelligenten Verhaltens im Alltagsverständnis (vgl. Berg & Sternberg, 1992; Heckhausen & Krueger, 1993; Ryle, 1969).
Zu Beginn der Intelligenzforschung diente die Theorieentwicklung (zum Beispiel von Spearman und Binet) vor allem dem Ziel, die verschiedenen Arten von (kognitiven) Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Lösung diverser Aufgaben unter das Dach eines einheitlichen Intelligenzkonzeptes zu bringen. Die Grundidee war, daß aus einer Basiskapazität der Intelligenz die Vielfalt erschlossener Fähigkeiten und beobachtbarer Fertigkeiten in der Auseinandersetzung mit Umweltanforderungen erwächst. Stützung findet diese historische Annahme durch bis heute sich immer wieder einstellende Befunde, daß praktisch alle Fähigkeitsmessungen positiv miteinander korrelieren. Selbst solche basalen Parameter, wie einfache Reaktionszeiten, korrelieren positiv mit Verhaltensweisen, von denen wir annehmen, daß sie besonders repräsentativ für funktionelle und kontextuelle Intelligenz sind. Diese sogenannte positive Mannigfaltigkeit, die ja auch dem Alltagsverständnis von Intelligenz nicht widerspricht, stellt das überzeugendste Argument für ein einheitliches Konzept von Intelligenz dar. Ohne auf die Geschichte der Intelligenztheorien und Intelligenzmessung im einzelnen einzugehen (vgl. dazu Brody, 1994), sei angemerkt, daß in Konkurrenz zu eindimensionalen Konzeptualisierungen von Intelligenz Theorien entwickelt wurden, denen ein mehrdimensionales Verständnis von Intelligenz zugrundeliegt. Ein Beispiel für diese mehrdimensionalen Theorien sind die primary mental abilities von Thurstone (1938). Individuelle Differenzen im Paar-Assoziations-Lernen und im Gedächtnis, so die Annahme, sind zwar positiv, aber nicht notwendigerweise hoch korreliert mit Leistungen im Wortschatz, im verbalen Problemlösen oder in räumlicher Vorstellung. Mit Hilfe von Faktorenanalysen ließen sich die vorliegenden Operationalisierungen der Intelligenz durch ca. 50 primary mental abilities erklären (vgl. Carroll, 1993). Die primary mental abilities sind Gegenstand weiterer theoretischer Erwägungen, die in Facettentheorien der Intelligenz (Guilford) oder hierarchischen Intelligenztheorien (Cattell) ihren Ausdruck finden. Einflußreicher scheinen die hierarchischen Theorien zu sein. Sie beschreiben und erklären die Interrelationen zwischen den primary mental abilities durch übergeordnete Fähigkeitssysteme auf verschiedenen Ebenen.