Erste Geier umkreisen angeschlagene Worldcom
Von Ulrike Sosalla, New York
Die ersten Kaufinteressenten beginnen, den angeschlagenen Telefonkonzern Worldcom zu umkreisen. Am Wochenende meldete IDT, ein Aufkäufer von in Schwierigkeiten geratenen Telekommunikationsfirmen, Interesse an einem Teil von Worldcom an.
IDT wolle 3 bis 4 Mrd. $ für die Worldcom-Tochter MFS bieten. IDT-Chairman Howard Jonas sagte, für diese Woche seien erste Gespräche geplant. MFS betreibt lokale Telefonanschlüsse für Firmenkunden. Die Offerte bezeichnet den ersten Schritt zu der erwarteten Konsolidierung im US-Telefonmarkt, die der Worldcom-Skandal mit sich bringen könnte. Das Unternehmen hatte vergangene Woche im bisher größten Bilanzskandal zugegeben, 3,9 Mrd. $ an Ausgaben fälschlich als Investitionen verbucht und so aus einem Verlust einen Gewinn gemacht zu haben.
Worldcom-Chef John Sidgmore setzte am Freitag den ersten Schritt seiner Ankündigungen um und startete die erste Entlassungswelle. Insgesamt sollen 17.000 der 78.000 Angestellten gehen. Zudem sollen mehrere Firmenteile verkauft werden. Um seinen Willen zur Aufklärung des Falls zu unterstreichen, beauftragte Sidgmore einen früheren Ermittlungschef der US-Börsenaufsicht SEC, William McLucas, mit der internen Aufarbeitung der Bilanzmanipulationen. McLucas soll feststellen, wie weit der Betrug zurückreiche und ob alle Facetten aufgedeckt seien. Das werde etwa zwei bis drei Monate dauern, sagte ein Worldcom-Sprecher.
Beobachter gehen davon aus, dass die Bilanzen bereits vor 2001 gefälscht wurden. In der internen Untersuchung, die zur Aufdeckung des Betrugs führte, hatten die Prüfer nur die Bücher ab Anfang 2001 untersucht. "Wir sind drei Jahre zurückgegangen und stellten fest, dass die Kosten als Anteil am Umsatz sich nicht bedeutend verändert hatten. Das wirft die Frage auf, wie lange das bereits lief", schrieb Analystin Carol Levenson von Gimme Credit in einem Bericht.
Am Montag muss Worldcom der Börsenaufsicht einen ersten Bericht über die Verfehlungen vorlegen. Die SEC hatte am Mittwoch Zivilklage wegen Betrugs gegen das Unternehmen eingereicht. Ein Bundesrichter untersagte Worldcom daraufhin am Freitag die Vernichtung von Akten oder Dateien.
Geldknappheit könnte weitere Firmenverkäufe erforderlich machen
Worldcom-Chef Sidgmore spricht unterdessen weiter mit seinen großen Kunden, unter ihnen AOL Time Warner und Exxon Mobil, um sie bei der Stange zu halten, und nach eigenen Angabe auch mit den Banken, um sie doch noch zur Vergabe eines Milliardenkredits zu bewegen. Diese Gespräche sind offenbar sehr schwierig. Die Kreditinstitute sperren sich, Worldcom die gewünschte Kreditlinie über 5 Mrd. $ zu bewilligen. Stattdessen prüfen sie, ob sie einen bereits in Anspruch genommenen Kredit über 2,65 Mrd. $ zurückfordern können, den Worldcom im Mai überraschend ausgeschöpft hatte. Das würde Worldcom schneller in die Zahlungsunfähigkeit zwingen. Derzeit schätzen Analysten, dass das Unternehmen noch bis Jahresende genug Bargeldreserven hat. Die Geldknappheit könnte Worldcom zwingen, einen größeren Teil des Unternehmens zu verkaufen als geplant. Nach Informationen der Financial Times hat der Konzern einen Verkauf seines europäischen Netzes ernsthaft geprüft. Als Interessenten sollen mehrere Finanzinvestoren und British Telecom in Frage kommen. Worldcom bedient in Europa nur Firmenkunden und macht hier einen Umsatz von etwa 2 Mrd. $.Als weitere potenzielle Käufer von Teilen des Unternehmens in den USA werden die regionalen Telefongesellschaften gehandelt, die so genannten Baby Bells. Den drei großen Baby Bells Verizon, SBC und Bell South trauen Analysten vor allem ein Gebot für die Worldcom-Tochter Uunet zu. Auch die Worldcom-Tochter, MCI, der zweitgrößte Ferngesprächsanbieter der USA für Privatkunden, könnte Interessenten anziehen. Worldcom versucht jedoch vor allem, seine beiden lateinamerikanischen Töchter abzustoßen: Den Ex-Monopolisten Embratel in Brasilien und die zweitgrößte mexikanische Telefongesellschaft Avantel.