Entlassungswelle in Europa
Von Rüdiger Köhn, Birgit Marschall und Maike Rademaker
Führende Technologiekonzerne in Europa haben den Abbau Zehntausender Arbeitsplätze bekannt gegeben und damit die Serie schlechter Nachrichten für den Arbeitsmarkt fortgesetzt. Die Angst vor Arbeitslosigkeit nimmt zu.
Das Ziel von Bundeskanzler Gerhard Schröder, die Zahl der Erwerbslosen bis zur Bundestagswahl im Herbst 2002 auf 3,5 Millionen zu drücken, rückt damit weiter in die Ferne.
Das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung erklärte am Donnerstag, der Anstieg der Arbeitslosenzahl werde sich fortsetzen. Im Jahresdurchschnitt werde die Zahl gegenüber dem Vorjahr nur geringfügig um 60.000 auf 3,83 Millionen abnehmen. 2002 könne sie auf 3,78 Millionen sinken - wenn die Konjunktur gegen Jahresende wieder anspringe.
Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, widersprach einer Stellungnahme seines Sprechers, wonach selbst die für 2001 erwartete Arbeitslosenzahl von 3,7 Millionen gefährdet sei. Diese pessimistische Einschätzung von Behördensprecher Eberhard Mann sei eine "freie Meinungsäußerung".
Nach Siemens kündigte am Donnerstag auch der deutsche Halbleiter-Hersteller Infineon Stellenstreichungen und Kurzarbeit an. Davon sind 5000 Mitarbeiter betroffen, 15 Prozent der Belegschaft.
Auch Epcos, einer der weltweit führenden Hersteller von elektronischen Bauelementen, will zusätzlich 750 Stellen abbauen. Bislang haben bei Epcos schon mehr als 600 Mitarbeiter und 830 Zeitarbeitskräfte ihren Arbeitsplatz verloren. Der französische Alcatel-Konzern kündigte den Abbau von weiteren 14.000 Arbeitsplätzen an, davon 4000 in Europa. British Telecom teilte in London mit, man werde in diesem Jahr 6000 statt der bisher geplanten 5000 Stellen streichen.
Die Pläne sind Teil einer breiten Entlassungswelle, die seit Jahresbeginn alle Branchen der europäischen Industrie erfasst. Auch DaimlerChrysler, Nokia, ABB und bis zu 100 weitere Industriekonzerne haben bereits massive Jobstreichungen angekündigt. Erst am Mittwoch hatte Siemens-Chef Heinrich von Pierer erklärt, der Münchner Elektronikkonzern müsse angesichts eines unerwartet hohen Konzernverlusts im dritten Quartal des Geschäftsjahrs 2000/2001 noch mehr Stellen streichen.
Die Entlassungswelle hat in Deutschland erhebliche Angst vor Arbeitslosigkeit ausgelöst. Nach einer repräsentativen Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der Financial Times Deutschland gaben zwölf Prozent der erwerbstätigen Deutschen an, konkrete Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes zu haben. Befragt wurden 748 Erwerbstätige.
Besonders viele Sorgen machen sich die Ostdeutschen: Jeder Vierte fürchtet dort akut um seinen Job. Im Westen sind es zehn Prozent. Zwischen Männern und Frauen sind keine statistischen Unterschiede feststellbar: Sie bewerten ihr Risiko in etwa gleich.
Hochgerechnet auf alle Erwerbstätigen fürchten rund 4,3 Millionen Menschen um ihren Arbeitsplatz. Diese Furcht dämpft die Konsumlust, löst Angstsparen aus und kann eine Volkswirtschaft in eine Abwärtsspirale werfen. Volkswirte messen dem "Angstfaktor" hohe Bedeutung zu. Konjunkturexperten sehen die Euro-Industrie ohnehin am Rande der Rezession. "Je länger der Abschwung dauert, desto größer wird der Zwang für die Unternehmen, den Konkurrenten beim Personalabbau zu folgen", sagte Christoph Kamps vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW).
Ökonomen gehen davon aus, dass die Industrieproduktion im Euro-Raum auch im zweiten Quartal des Jahres sank. Darauf deuteten zu Wochenbeginn schwache Produktionsdaten vom Mai. Sollte der Output zwei Quartale hintereinander gesunken sein, wäre das Kriterium einer technischen Rezession erfüllt.
© 2001 Financial Times Deutschland
Von Rüdiger Köhn, Birgit Marschall und Maike Rademaker
Führende Technologiekonzerne in Europa haben den Abbau Zehntausender Arbeitsplätze bekannt gegeben und damit die Serie schlechter Nachrichten für den Arbeitsmarkt fortgesetzt. Die Angst vor Arbeitslosigkeit nimmt zu.
Das Ziel von Bundeskanzler Gerhard Schröder, die Zahl der Erwerbslosen bis zur Bundestagswahl im Herbst 2002 auf 3,5 Millionen zu drücken, rückt damit weiter in die Ferne.
Das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung erklärte am Donnerstag, der Anstieg der Arbeitslosenzahl werde sich fortsetzen. Im Jahresdurchschnitt werde die Zahl gegenüber dem Vorjahr nur geringfügig um 60.000 auf 3,83 Millionen abnehmen. 2002 könne sie auf 3,78 Millionen sinken - wenn die Konjunktur gegen Jahresende wieder anspringe.
Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, widersprach einer Stellungnahme seines Sprechers, wonach selbst die für 2001 erwartete Arbeitslosenzahl von 3,7 Millionen gefährdet sei. Diese pessimistische Einschätzung von Behördensprecher Eberhard Mann sei eine "freie Meinungsäußerung".
Nach Siemens kündigte am Donnerstag auch der deutsche Halbleiter-Hersteller Infineon Stellenstreichungen und Kurzarbeit an. Davon sind 5000 Mitarbeiter betroffen, 15 Prozent der Belegschaft.
Auch Epcos, einer der weltweit führenden Hersteller von elektronischen Bauelementen, will zusätzlich 750 Stellen abbauen. Bislang haben bei Epcos schon mehr als 600 Mitarbeiter und 830 Zeitarbeitskräfte ihren Arbeitsplatz verloren. Der französische Alcatel-Konzern kündigte den Abbau von weiteren 14.000 Arbeitsplätzen an, davon 4000 in Europa. British Telecom teilte in London mit, man werde in diesem Jahr 6000 statt der bisher geplanten 5000 Stellen streichen.
Die Pläne sind Teil einer breiten Entlassungswelle, die seit Jahresbeginn alle Branchen der europäischen Industrie erfasst. Auch DaimlerChrysler, Nokia, ABB und bis zu 100 weitere Industriekonzerne haben bereits massive Jobstreichungen angekündigt. Erst am Mittwoch hatte Siemens-Chef Heinrich von Pierer erklärt, der Münchner Elektronikkonzern müsse angesichts eines unerwartet hohen Konzernverlusts im dritten Quartal des Geschäftsjahrs 2000/2001 noch mehr Stellen streichen.
Die Entlassungswelle hat in Deutschland erhebliche Angst vor Arbeitslosigkeit ausgelöst. Nach einer repräsentativen Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der Financial Times Deutschland gaben zwölf Prozent der erwerbstätigen Deutschen an, konkrete Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes zu haben. Befragt wurden 748 Erwerbstätige.
Besonders viele Sorgen machen sich die Ostdeutschen: Jeder Vierte fürchtet dort akut um seinen Job. Im Westen sind es zehn Prozent. Zwischen Männern und Frauen sind keine statistischen Unterschiede feststellbar: Sie bewerten ihr Risiko in etwa gleich.
Hochgerechnet auf alle Erwerbstätigen fürchten rund 4,3 Millionen Menschen um ihren Arbeitsplatz. Diese Furcht dämpft die Konsumlust, löst Angstsparen aus und kann eine Volkswirtschaft in eine Abwärtsspirale werfen. Volkswirte messen dem "Angstfaktor" hohe Bedeutung zu. Konjunkturexperten sehen die Euro-Industrie ohnehin am Rande der Rezession. "Je länger der Abschwung dauert, desto größer wird der Zwang für die Unternehmen, den Konkurrenten beim Personalabbau zu folgen", sagte Christoph Kamps vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW).
Ökonomen gehen davon aus, dass die Industrieproduktion im Euro-Raum auch im zweiten Quartal des Jahres sank. Darauf deuteten zu Wochenbeginn schwache Produktionsdaten vom Mai. Sollte der Output zwei Quartale hintereinander gesunken sein, wäre das Kriterium einer technischen Rezession erfüllt.
© 2001 Financial Times Deutschland