Einsteigen, wenn Aktien wieder teurer sind

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Einsteigen, wenn Aktien wieder teurer sind

 
12.03.03 12:13
Drei Jahre nach seinem Rekordhoch am 7. März 2000 markiert der Dax ein Siebenjahrestief und fällt am Montag weiter. Der zäheste Bärenmarkt seit der Weltwirtschaftskrise hat viele Ursachen und lehrt Zurückhaltung: Tiefkurse reizen zum Einstieg, sind aber keine Kaufkurse.

Hamburg – Ein Tag aus einer anderen Zeitrechnung, dieser 7. März. An jenem Dienstag schloss der Dax bei 8064 Punkten, nachdem er im Handelsverlauf sogar die 8137 Punkte gekratzt hatte. Nichts schien den Höhenflug der Märkte zu stoppen: Allein die Aktie der Softwareschmiede SAP legte zwischen Januar und März 2000 rund 70 Prozent zu. Wer reich werden wollte, kaufte Aktien.

Heute sind die Aktionäre des Jahres 2000 zumindest reich an Erfahrung. Die zäheste Aktienbaisse seit 70 Jahren hat den Dax seitdem um rund 70 Prozent einbrechen lassen. Der "Wachstumsmarkt" Nemax 50 stürzte um 96 Prozent und in die Bedeutungslosigkeit.

Exakt drei Jahre, nachdem der Deutsche Aktienindex  die 8000 Punkte im Sturm genommen hatte, stürzte er am 7. März 2003 unter die 2400 Punkte und damit auf den tiefsten Stand seit sieben Jahren. Das Wochenende verschaffte nur eine Atempause: Am Montag gab der Index weitere 4,2 Prozent nach und näherte sich der Grenze von 2300 Punkten. Die Verluste einzelner Dax-Schwergewichte auf Dreijahressicht sind atemberaubend, doch von Einstiegskursen spricht kaum jemand. Willkommen in der neuen Zeit.

Die Flops im Dax seit März 2000
 
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Die Aktie des Finanzdienstleisters MLP ist erst im Juni 2001 in den Dax aufgerückt. Mit 94 Prozent Wertverlust gab die Aktie aber noch stärker ab als die T-Aktie. Die anhaltende Diskussion um die MLP-Bilanzen sorgten für den massiven Kursrutsch.

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T wie Totalverlust - Anleger, die Aktien der Deutschen Telekom im März 2000 zum Höchstkurs von 103 Euro gekauft haben, kommentieren den Verlust von 90 Prozent mit Zynismus. Kleiner Trost: Ihrem Emissionskurs von umgerechnet 14,57 Euro von November 1996 hat sich die Volksaktie im Januar 2003 kurzzeitig wieder angenähert.

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85 Prozent Verlust stehen bei der Aktie der Commerzbank auf Sicht von drei Jahren zu Buche. Das Papier ist damit drittschwächster Wert im Dax. Seit dem gescheiterten Fusionsversuch mit der Dresdner Bank im Herbst 2000 werden immer wieder neue Partner ins Gespräch gebracht - zuletzt die nicht minder krisengeschüttelte HypoVereinsbank.

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Ein Absturz um 85 Prozent: Der Aktie der HypoVereinsbank ist es ebenso ergangen wie dem vermeintlichen Partner Commerbank. Rückstellungen für Kredite lasten schwer auf der HVB, die sich ebenso wie die anderen deutschen Kreditinstitute einen strikten Sparkurs verordnet hat.

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Alle wollten diese Aktie haben. Unternehmenschef Ulrich Schumacher fuhr zum perfekt getimten Börsendebüt der Siemens-Halbleitertochter im März 2000 im Rennwagen vor. Trotz des stolzen Emissionspreises von 35 Euro war der Titel mehr als zehnfach überzeichnet. Für diesen Preis könnte man inzwischen fünf Infineon-Aktien bekommen - 82 Prozent Kursverlust seit Börsengang.

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82 Prozent Kursverlust der Allianz-Aktie stehen als Beispiel dafür, dass der Crash längst die Schwergewichte der "Old Economy" erwischt hat. Da der Finanzkonzern selbst Aktienpakete und Beteiligungen hält, ist er vom Kursrutsch doppelt betroffen. Entsprechend hoch ist aber auch das Potenzial, sollte sich der Dax wieder erholen.

Die Daten aus drei Jahren Aktienbaisse sind nicht nur etwas für Statistiker und Masochisten. Mehr als zwölf Billionen Dollar Vermögen sind seit März 2000 weltweit verbrannt. Der Ausverkauf grenzt ebenso an Hysterie wie der Kaufrausch vor drei Jahren, sagen Analysten.

Tiefkurse sind nicht gleich Kaufkurse

Doch Tiefkurse sind nicht gleich Kaufkurse. Wer sich angesichts des dramatischen Ausverkaufs und der scheinbar günstigen Bewertung vieler Aktien wieder an den Markt, muss die Gründe für den Kurssturz richtig einschätzen. Die Gründe für den Absturz liegen nicht nur in dem Ende der New-Economy-Hysterie. Auf das Platzen der Hightechblase im Frühjahr 2000 folgten weitere Nackenschläge, deren Folgen die Märkte noch heute beschäftigen.

Immerhin wurden nicht alle Märkte zerzaust. In den aufstrebenden Märkten China (plus 125 Prozent) und Russland (plus 115 Prozent) haben Anleger ihr Geld seit 2000 mehr als verdoppelt. Nemax (minus 96 Prozent), Dax und die US-Technologiebörse Nasdaq (jeweils minus 70 Prozent) rangieren dagegen auf Dreijahressicht unter den fünf schwächsten Märkten weltweit. Der US-Industrieindex Dow Jones hielt sich dagegen mit einem Verlust von "nur" 32 Prozent vergleichsweise stabil.

Der Dax geriet nicht nur wegen der schwachen Konjunktur in Deutschland, sondern auch wegen der hohen Gewichtung von Technologie- und Finanztiteln zum Prügelknaben. Doch selbst mit Dax-Werten konnten Anleger zwischen März 2000 und März 2003 Gewinne einstreichen. Der Pharma- und Chemiekonzern Altana, dessen Börsenwert sich fast verdoppelte, steht mit Abstand an der Spitze der Krisengewinner im Dax 30.

Die Tops im Dax seit März 2000
 
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Der Pharma- und Chemiekonzern Altana ist erst im Herbst 2002 in den Dax aufgestiegen. Der Erfolg des Magen-Darm-Präparates Pantoprazol bescherte dem Bad Homburger Unternehmen steigende Umsätze und Gewinne. Das zum Quant-Imperium (BMW) gehörende Unternehmen bescherte seinen Aktionären seit März 2000 einen Gewinn von 97 Prozent.

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Sport macht glücklich. Der Sportartikelhersteller Adidas-Salomon belegt mit einem Kurszuwachs von 44 Prozent den zweiten Platz hinter dem Dax-Neuling Altana. Im Jahr 2002 war Adidas der solideste Dax-Wert. Auch der Dax-100-Gewinner der Jahre 2000 bis 2003 ist ein Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach: Puma ist mit einem Kurszuwachs von mehr als 200 Prozent bester Wert inmitten des Bärenmarktes.

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Henkel gilt bei vielen Anlegern als langweilig. Der Konsumgüterhersteller (Persil) hat seit März 2000 die hochgejubelten TMT-Werte jedoch weit hinter sich gelassen. Mit 15 Prozent Kursgewinn bereitet die "Langweileraktie" ihren Anlegern viel Freude und ist drittstärkster Wert im Dax.

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Auch wenn Aktien fallen, verdient die Deutsche Börse Geld. Die Flaute am Markt konnte der Deutschen Börse AG nichts anhaben: Vor allem die deutlich gestiegenen Umsätze an der Eurex verschönern die Bilanz. Mit acht Prozent Kursanstieg findet sich der Handelsplatzbetrieber auf Dreijahressicht unter den Top Five im Dax.

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Die Gewinne bei BMW haben sich seit 2000 nahezu verdoppelt. Die Börse belohnte dies mit einem Kursanstieg von vier Prozent. Der gute Ruf des bayerischen Autobauers und der große Erfolg des Mini haben die Aktie auf hohem Niveau gehalten - erst seit kurzer Zeit drücken Absatzsorgen in den USA auf den Kurs.

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Mit einem Verlust von lediglich sieben Prozent seit März 2000 ist auch der Autobauer Volkswagen ein Beispiel für Stabilität im Bärenmarkt. DaimlerChrysler-Aktionäre können von der Kursperformance bei BMW und Volkswagen nur träumen. Ein Fall des VW-Gesetzes dürfte die Attraktivität der Aktie für ausländische Investoren erhöhen.

Bei den Nebenwerten setzte der Kursrutsch mit Verzögerung ein. Erst als sich der Konjunkturabschwung beschleunigte, ging auch der Nebenwerteindex MDax  in die Knie. Die Konsequenz: Unter den im Dax 100 versammelten Werten schafften es mit Puma , Stada , Drägerwerk , Wella , Vossloh  und Schwarz Pharma  sechs weitere Werte, die Performance des Dax-Gewinners Altana  zu übertreffen.

Glücklich, wer die kleine Zahl der Kursgewinner im Depot hat. Für die Mehrzahl der Aktionäre ist es jedoch wichtiger, aus drei Jahren Bärenmarkt die Konsequenzen zu ziehen. Die Aktie ist auch nach drei Jahren Bärenmarkt nicht tot. Der Treppensturz seit 2000 hat verschiedene Stufen: Wenn die Stolpersteine aus dem Weg geräumt sind, gibt es Chancen auf Erholung.

Das Ende der Party, der 11. September und die Mini-Rezession
Zehn Jahre lang waren die Kurse an den internationalen Aktienmärkten rasant gestiegen. Im März 2000 ging diese Mega-Hausse mit einem finalen Kaufrausch zu Ende. Die zusätzliche heiße Luft am Neuen Markt brachte den Ballon zum Platzen.

Da Werte der "New Economy" scheinbar keine Grenzen kannten, kletterten auch die im Dax notierten Werte aus Technologie, Medien und Telekommunikation (TMT) auf ungeahnte Fallhöhen.

Allein zwischen Januar und März 2000, in den letzten drei Monaten der zehnjährigen Börsenparty, stiegen Dax-Dickschiffe wie Siemens , T-Aktie  und SAP  jeweils um mehr als 50 Prozent. Auch aus diesem Grund fällt der prozentuale Kursverlust der TMT-Titel bis heute so dramatisch aus.

Mit den Überbewertungen der hochgepushten TMT-Werte ist die dreijährige Talfahrt nicht allein zu erklären. Dass Analysten und Anleger nicht mehr nur von Wachstumshoffnungen und künftigen Umsätzen schwärmen, sondern auch wieder auf reale Geschäftszahlen schauen, rechtfertigt nicht das Ausmaß des Kurssturzes seit dem Jahr 2000.

Auch schon damals profitable Old-Economy-Unternehmen wie DaimlerChrysler  oder Fresenius Medical Care  haben seit März 2000 jeweils rund 50 Prozent an Marktkapitalisierung eingebüßt, obwohl sie inzwischen deutlich höhere Gewinne erwirtschaften.

Ein Abschwung der US-Konjunktur im Jahr 2001 war nach zehn Jahren Boom für viele Beobachter noch kein Grund zur Unruhe. Gesunde Abkühlung, Abbau von Überkapazitäten, hieß es. Mit den Terroranschlägen auf New York und Washington am 11. September 2001 veränderte sich die Welt jedoch politisch wie ökonomisch: Das Gefühl von Sicherheit und die Friedensdividende auf Aktie waren dahin. Die Menschen zeigten sich tief verunsichert, und die US-Wirtschaft glitt in eine kurze Rezession.

2002: Enron, Worldcom und die Folgen
Die US-Konjunktur hatte sich nach dem Einbruch im Herbst 2001 bemerkenswert rasch erholt, da sorgten die Bilanzskandale bei Enron, Worldcom & Co. für einen neuen Kurssturz. Was den Terrorpiloten nicht gelang, schaffte eine Gruppe geldgieriger Manager: Das Vertrauen in Corporate America zu erschüttern. Mit schärferen Bilanzierungsregeln steuert die Finanzwelt inzwischen dagegen, doch die Skepsis bleibt groß, nicht nur wegen des jüngsten Skandals beim niederländischen Einzelhandelskonzern Ahold.

Bilanzskandale, Terrorangst und die sich zuspitzende Irak-Krise sorgten dafür, dass sich neben den Anlegern auch die Verbraucher zurück hielten und die Gewinne der Unternehmen weit hinter den Erwartungen blieben.

Der private Konsum ist jedoch die wichtigste Stütze der US-Wirtschaft: Hält sich der Konsument zurück, kommt die Konjunktur nicht in Schwung.

2003: Ölpreisschock und drohender Krieg
Die Weltwirtschaft wackelt weiter. Wegen des drohenden Krieges im Irak ist der Ölpreis im Frühjahr 2003 auf 40 Dollar pro Barrel gestiegen und notiert mehr als 15 Dollar über dem normalen Niveau.

Das ist Gift für die Börsen und für die Konjunktur: Niemand mag für Aktien oder Konsumgüter Geld ausgeben, so dass auch die Unternehmen weiterhin auf die Bremse treten.

Der stete Abwärtstrend an den Börsen zwingt Versicherungen und Pensionsfonds, ihre Aktienquoten trotz niedriger Bewertungen weiter zu reduzieren. Vor allem die angeschlagenen Finanz- und Technologiekonzerne haben sich einen eisernen Sparkurs verordnet, entlassen Mitarbeiter und schlagen Beteiligungen los. Inzwischen nährt die Baisse die Baisse.

USA droht erneute Rezession
Ölpreis-Schock und die wachsende Zurückhaltung der Konsumenten könnten dafür sorgen, dass die wichtigste Volkswirtschaft der Welt nach ihrer Mini-Rezession 2001 in diesem Jahr erneut in die Rezession abrutscht, fürchtet Stephen Roach, Chefökonom der Investmentbank Morgan Stanley. Da die USA derzeit die einzige Antriebskraft für die globale Konjunktur ist, dürfte ein neuer Rückschlag auch die anderen großen Volkswirtschaften empfindlich treffen.

Auch ein rascher militärischer Erfolg der USA im Irak wird die Schieflage der Weltwirtschaft nicht verändern. Im Jahr 1991, während des ersten Golfkrieges, erzielten neben den USA auch Europa, Japan und Ostasien deutliche Wachstumsraten. Heute ist Japan in der Deflation gefangen, und Deutschland steht kurz davor. Die globalen Indizes steigen und fallen mit den US-Märkten, sie sind im Bann des Konjunkturmotors USA.

Warum sich das Abwarten lohnt
Daher ist es riskant, auch im Fall eines schnellen Sieges der US-Truppen im Irak auf eine nachhaltige Erholung an den Börsen zu setzen. Eine kurze und kräftige Rallye an den Börsen halten zwar die meisten Analysten für wahrscheinlich, sobald das Thema Krieg vom Tisch ist. "Von der Nachkriegs-Euphorie des Jahres 1991 sind wir schmerzhaft weit entfernt", sagt Roach. Statt von einer gradlinigen Erholungen gehen Beobachter auch für die kommenden Jahre von hohen Schwankungen an den Märkten aus.

Deshalb macht es durchaus Sinn, erst einzusteigen, wenn Aktien wieder teurer geworden sind. Das Rezessionsrisiko bleibt für dieses Jahr bestehen: "An Tiefständen zu kaufen ist historisch immer ein schlechter Rat gewesen", sagt Joachim Goldberg, Analyst beim Frankfurter Institut Cognitrend. Erst wenn der Dax wieder über die Marke von 2700 steige, könne man wieder zum Einstieg raten.

Für den Anleger mag es widersinnig sein, zum Beispiel eine Aktie der Allianz  erst zum Preis von 75 Euro zu kaufen, wenn man sie dieser Tage auch für 65 Euro haben kann. Die Gefahr weiterer Rückschläge ist jedoch noch immer groß. Die wenigen spekulativen Anleger, die mit mutigen Investitionen und hohem Risiko den Tiefpunkt erwischen, werden mit hohen Gewinnen belohnt werden.

Doch für das Gros dürfte sich Zurückhaltung und Gelassenheit auszahlen, auch wenn man dadurch die ersten Phase einer Erholung verpasst: Auch dies ist eine Lehre aus drei Jahren Bärenmarkt.
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