Die New Economy entlässt ihre Stiefkinder: In den letzten zwei Jahren wanderten etliche Studenten in Internetfirmen ab und kommen nun an die Hochschulen zurück. "Nie wieder Dotcom", schwören manche - und fühlen sich an der Uni wohler als zuvor.
Christoph Nagel ist so etwas wie ein "Zick-Zack-Student". Ständig wechselt er zwischen Uni und Arbeitswelt: In einem Semester sammelt er Scheine in Geschichte und Anglistik, im nächsten arbeitet er tage- und nächtelang am Computer und programmiert meist Webseiten. So hat der 28-jährige Hamburger alle Höhen und Tiefen der New Economy selbst miterlebt. Und dabei die Uni als Rückzugsraum schätzen gelernt. Doch bis dahin sind ein Dutzend Semester vergangen.
Im dritten Semester nahm Christoph Nagel erstmals Kurs in Richtung Job und bastelte bei Philips CD-ROMs. Dann schwenkte er zurück zur Uni, ging ein Jahr zum Studium nach England. Als er zurück kam, arbeitete er für einen Fernsehproduzenten und baute unter anderem den Web-Auftritt. Das Programmieren hatte sich der Geschichtsstudent selbst beigebracht.
Danach ging es wieder an die Uni, "die Gedanken reparieren", sagt Christoph Nagel. Im Sommer '98 holte ihn sein alter Chef von Philips in eine Beratungsfirma, für die der Student ebenfalls Webseiten aufbauen sollte. Später konzipierte und betrieb er vor allem Geschäftsmodelle fürs Internet.
Die Uni war nur noch "einer von fünf Kunden"
Mit dem Einstieg dort begann der Ausstieg aus der Uni. Christoph Nagel machte sich selbstständig, bald programmierte und designte er für weitere Kunden. Der Spagat wurde immer größer, die Uni war "einer von fünf Kunden", sagt der 28-Jährige heute. Die Arbeit war zwar "cool", aber sie drohte ihn "aufzufressen". Christoph Nagel hatte keine Zeit mehr für sich und für seine Freunde.
Und für die Uni schon gar nicht. Allenfalls freitags morgens um 9 Uhr hat er noch ein Seminar belegt. Hetzte mit Handy am Ohr auf den Campus, hielt in aller Eile ein Referat, dann schnell wieder in die Firma. Damals, sagt er, hat er seine Kommilitonen um ihre Zeit beneidet.
So wie Christoph Nagel erging es im vergangenen Jahr nicht wenigen Studenten, die zunächst nur ihr Bafög in Internetfirmen aufbessern wollten und dann ganz den Verlockungen von Geld, Verantwortung oder cooler Arbeitsatmosphäre erlagen. Sie kehrten ihrer Uni den Rücken und arbeiteten bisweilen bis zum Umfallen - ob für einen Urlaub in Thailand oder für einen guten Berufseinstieg.
Doch Christoph Nagel wurde es im letzten Sommer zu viel: "Ich hatte mich von der Uni entfernt, ohne das eigentlich zu wollen", sagt er rückblickend. Außerdem wollte die Firma maßgeschneiderte Luxusgüter übers Netz vertreiben, eine Idee, die Christoph Nagel "schwachsinnig" fand und wenig Erfolg versprechend. Im Juni, kurz vor dem Zusammenbruch der Firma, kündigte der Student seinen Job - und kehrte an die Uni zurück.
Eingesogen und wieder ausgespien
Als den Dotcoms der Atem ausging, wurden oft zuerst die Studenten an die Luft gesetzt - vor allem Geisteswissenschaftler. Oder sie gingen, bevor sie gegangen wurden. Und krochen vielfach wieder zurück in den warmen Schoß der Alma Mater. Und sie tun es sogar gern, weil sie erst im Kontrast zu den Arbeitsbedingungen in der New Economy die bewusste und intensive Auseinandersetzung mit einem Thema an der Uni schätzen lernten. Aber mit der Umstellung tun sich manche schwer.
Auch Christoph Nagel. Er sitzt jetzt wieder im "Philturm" der Hamburger Universität und erforscht die kaufmännische Ehre in der Frühen Neuzeit. Der Wechsel sei ihm anfangs nicht leicht gefallen, erzählt er. Er musste gleich mehrere Gänge runterschalten. Jetzt heißt es nicht mehr "Machen Sie das mal bis morgen", jetzt kann er sich in aller Ruhe mit einem Thema befassen. Bald wird er mit seiner Magisterarbeit anfangen. Und vielleicht sogar promovieren.
Mit ihrer Dissertation in Judaistik hatte auch Cordula Nützelmann gerade begonnen, als sie nach einem Nebenjob suchte und sofort eine feste Stelle als PR-Assistentin bei einem Kölner Start-up angeboten bekam - ohne einen Schimmer von PR. Das war den Gründern offenbar egal. Im Mai 2000, zur Hochzeit der New Economy, wurden "unglaublich viele Leute ganz schnell und fest eingestellt", erinnert sich Cordula Nötzelmann.
Der Bedarf war enorm, für die Judaistik-Absolventin mit unklaren Berufsaussichten war das die Chance, ein "Sprungbrett". Dass es ein Sprung zurück werden würde, konnte Cordula Nötzelmann noch nicht ahnen. Obwohl von Anfang an viel schief lief: Das Gehalt war mies, sie musste viele Überstunden machen, und anstatt der zwei versprochenen PR-Profis kam eine Praktikantin.
"Diese rücksichtlose Branche ist für mich gestorben"
Das alles hat die Branche für sie "entmystifiziert". Und als sie dann auch noch knapp ein Jahr später grundlos die Kündigung bekam, reichte es ihr. "Es ist eine bittere Erfahrung zu sehen, wie entbehrlich man sein kann", sagt die 30-Jährige.
An einen Wechsel in ein anderes Internet-Unternehmen hat sie nie gedacht: "Das ist eine rücksichtslose Branche, die ist für mich als Arbeitgeber gestorben." Nie wieder Dotcom, hat sie sich geschworen, dann promoviere sie eben wieder. Mit der Entscheidung kehrte sie "fast ein bisschen erleichtert" zurück an die Uni Köln und machte sich wieder an ihre Dissertation im Fach Judaistik, fand die Arbeit jedoch bald "zu einsam".
Jetzt beginnt sie zum Sommersemester an der FH einen Masterstudiengang in Bibliotheks- und Informationswissenschaften. Nach dem Studium will sie in einer Bibliothek arbeiten und macht gerade ein Praktikum bei der Kölner Stadtbibliothek. Doch der Öffentliche Dienst, sagt Cordula Nötzelmann, sei für sie schon "eine schwere Umgewöhnung", vor allem der Umgang mit Zeit.
Aber darüber muss sie jetzt selbst lachen.
Christoph Nagel ist so etwas wie ein "Zick-Zack-Student". Ständig wechselt er zwischen Uni und Arbeitswelt: In einem Semester sammelt er Scheine in Geschichte und Anglistik, im nächsten arbeitet er tage- und nächtelang am Computer und programmiert meist Webseiten. So hat der 28-jährige Hamburger alle Höhen und Tiefen der New Economy selbst miterlebt. Und dabei die Uni als Rückzugsraum schätzen gelernt. Doch bis dahin sind ein Dutzend Semester vergangen.
Im dritten Semester nahm Christoph Nagel erstmals Kurs in Richtung Job und bastelte bei Philips CD-ROMs. Dann schwenkte er zurück zur Uni, ging ein Jahr zum Studium nach England. Als er zurück kam, arbeitete er für einen Fernsehproduzenten und baute unter anderem den Web-Auftritt. Das Programmieren hatte sich der Geschichtsstudent selbst beigebracht.
Danach ging es wieder an die Uni, "die Gedanken reparieren", sagt Christoph Nagel. Im Sommer '98 holte ihn sein alter Chef von Philips in eine Beratungsfirma, für die der Student ebenfalls Webseiten aufbauen sollte. Später konzipierte und betrieb er vor allem Geschäftsmodelle fürs Internet.
Die Uni war nur noch "einer von fünf Kunden"
Mit dem Einstieg dort begann der Ausstieg aus der Uni. Christoph Nagel machte sich selbstständig, bald programmierte und designte er für weitere Kunden. Der Spagat wurde immer größer, die Uni war "einer von fünf Kunden", sagt der 28-Jährige heute. Die Arbeit war zwar "cool", aber sie drohte ihn "aufzufressen". Christoph Nagel hatte keine Zeit mehr für sich und für seine Freunde.
Und für die Uni schon gar nicht. Allenfalls freitags morgens um 9 Uhr hat er noch ein Seminar belegt. Hetzte mit Handy am Ohr auf den Campus, hielt in aller Eile ein Referat, dann schnell wieder in die Firma. Damals, sagt er, hat er seine Kommilitonen um ihre Zeit beneidet.
So wie Christoph Nagel erging es im vergangenen Jahr nicht wenigen Studenten, die zunächst nur ihr Bafög in Internetfirmen aufbessern wollten und dann ganz den Verlockungen von Geld, Verantwortung oder cooler Arbeitsatmosphäre erlagen. Sie kehrten ihrer Uni den Rücken und arbeiteten bisweilen bis zum Umfallen - ob für einen Urlaub in Thailand oder für einen guten Berufseinstieg.
Doch Christoph Nagel wurde es im letzten Sommer zu viel: "Ich hatte mich von der Uni entfernt, ohne das eigentlich zu wollen", sagt er rückblickend. Außerdem wollte die Firma maßgeschneiderte Luxusgüter übers Netz vertreiben, eine Idee, die Christoph Nagel "schwachsinnig" fand und wenig Erfolg versprechend. Im Juni, kurz vor dem Zusammenbruch der Firma, kündigte der Student seinen Job - und kehrte an die Uni zurück.
Eingesogen und wieder ausgespien
Als den Dotcoms der Atem ausging, wurden oft zuerst die Studenten an die Luft gesetzt - vor allem Geisteswissenschaftler. Oder sie gingen, bevor sie gegangen wurden. Und krochen vielfach wieder zurück in den warmen Schoß der Alma Mater. Und sie tun es sogar gern, weil sie erst im Kontrast zu den Arbeitsbedingungen in der New Economy die bewusste und intensive Auseinandersetzung mit einem Thema an der Uni schätzen lernten. Aber mit der Umstellung tun sich manche schwer.
Auch Christoph Nagel. Er sitzt jetzt wieder im "Philturm" der Hamburger Universität und erforscht die kaufmännische Ehre in der Frühen Neuzeit. Der Wechsel sei ihm anfangs nicht leicht gefallen, erzählt er. Er musste gleich mehrere Gänge runterschalten. Jetzt heißt es nicht mehr "Machen Sie das mal bis morgen", jetzt kann er sich in aller Ruhe mit einem Thema befassen. Bald wird er mit seiner Magisterarbeit anfangen. Und vielleicht sogar promovieren.
Mit ihrer Dissertation in Judaistik hatte auch Cordula Nützelmann gerade begonnen, als sie nach einem Nebenjob suchte und sofort eine feste Stelle als PR-Assistentin bei einem Kölner Start-up angeboten bekam - ohne einen Schimmer von PR. Das war den Gründern offenbar egal. Im Mai 2000, zur Hochzeit der New Economy, wurden "unglaublich viele Leute ganz schnell und fest eingestellt", erinnert sich Cordula Nötzelmann.
Der Bedarf war enorm, für die Judaistik-Absolventin mit unklaren Berufsaussichten war das die Chance, ein "Sprungbrett". Dass es ein Sprung zurück werden würde, konnte Cordula Nötzelmann noch nicht ahnen. Obwohl von Anfang an viel schief lief: Das Gehalt war mies, sie musste viele Überstunden machen, und anstatt der zwei versprochenen PR-Profis kam eine Praktikantin.
"Diese rücksichtlose Branche ist für mich gestorben"
Das alles hat die Branche für sie "entmystifiziert". Und als sie dann auch noch knapp ein Jahr später grundlos die Kündigung bekam, reichte es ihr. "Es ist eine bittere Erfahrung zu sehen, wie entbehrlich man sein kann", sagt die 30-Jährige.
An einen Wechsel in ein anderes Internet-Unternehmen hat sie nie gedacht: "Das ist eine rücksichtslose Branche, die ist für mich als Arbeitgeber gestorben." Nie wieder Dotcom, hat sie sich geschworen, dann promoviere sie eben wieder. Mit der Entscheidung kehrte sie "fast ein bisschen erleichtert" zurück an die Uni Köln und machte sich wieder an ihre Dissertation im Fach Judaistik, fand die Arbeit jedoch bald "zu einsam".
Jetzt beginnt sie zum Sommersemester an der FH einen Masterstudiengang in Bibliotheks- und Informationswissenschaften. Nach dem Studium will sie in einer Bibliothek arbeiten und macht gerade ein Praktikum bei der Kölner Stadtbibliothek. Doch der Öffentliche Dienst, sagt Cordula Nötzelmann, sei für sie schon "eine schwere Umgewöhnung", vor allem der Umgang mit Zeit.
Aber darüber muss sie jetzt selbst lachen.