US-RÜSTUNGSINDUSTRIE
Wie Bush die Militär-Falken enttäuschte
Von Carsten Volkery, New York
Nach den Terroranschlägen vom 11. September war ein Gewinner schnell ausgemacht: die Rüstungsindustrie. Doch ein gutes Jahr später stellt sich heraus - der Irak ist nicht die Sowjetunion, und George W. Bush ist nicht Ronald Reagan.
DD(X)-Zerstörer von Northrop Grumman, hier eine Planzeichnung: Ist der Krieg doch kein gutes Geschäft?
New York - In Newport im US-Bundesstaat Virginia steht ein im wahrsten Sinne des Wortes großes Ereignis an. Nach acht Jahren Entwicklung und Bau wird im Mai die "USS Reagan" an die Navy übergeben. Die "Reagan" ist der neunte Flugzeugträger der Nimitzklasse - und wie seine Geschwister ein Gigant von einem Schiff. Die atomgetriebene Insel ist über 300 Meter lang und hat eine Oberfläche von 17 Hektar.
Der Flugzeugträger ist das Symbol amerikanischer Macht - nach dem 11. September mehr denn je. Und die Werft in Newport ist der einzige Ort der Welt, an dem die mobilen Festungen gebaut werden. Seit einem Jahr gehört die Werft zu Northrop Grumman, der zweitgrößten Rüstungsfirma der USA.
AP
Panzerhaubitze Crusader: "Am Tropf der Regierung"
Northrop, sollte man daher meinen, hat eine glänzende Zukunft vor sich. Die Bush-Regierung kämpft gegen die "Achse des Bösen", der erste Krieg ist bereits geführt, der zweite steht vor der Tür. Die militärfreundlichen Republikaner regieren mit absoluter Macht im Weißen Haus und im Kongress. Das Pentagon-Budget wächst rasant, auf 364 Milliarden Dollar im laufenden Haushaltsjahr und voraussichtlich 378 Milliarden Dollar in 2004.
Es überraschte daher kaum jemanden, als die Anleger nach dem 11. September in Erwartung einer Rüstungs-Bonanza die Aktien von Northrop und anderen einschlägigen Konzernen in die Höhe trieben: Northrop stiegen in den folgenden neun Monaten von 82 auf 135 Dollar, Lockheed Martin von 38 auf 71 Dollar und General Dynamics von 75 auf 111 Dollar. Während der Dow Jones abstürzte, herrschte im Rüstungssektor Gründerstimmung. Der Börsengang von Integrated Defense Technologies im März wurde zum Selbstzünder, gleich am ersten Tag explodierte der Kurs um 14 Prozent.
Geringe Margen verschrecken die Anleger
Doch dann, ganz plötzlich, drehte die Stimmung. Seit Juni haben die Rüstungsaktien über 30 Prozent an Wert verloren. Börsenneuling Integrated Defense Technologies beendet das Jahr rund 40 Prozent unter Ausgabekurs - einer der schwächsten Neustarts des Jahres.
General-Dynamics-Plan für das DD21-Schiff: Wunschliste der Militärs abgenickt
Was ist geschehen? Glaubt niemand mehr an den Irak-Krieg? Der Grund ist eher in den Bilanzen der Rüstungsunternehmen zu suchen. Denn die spiegeln keinen Boom wider. Im Gegenteil - Analysten wie Robert Friedman von Standard and Poor's nennen die Zahlenwerke "mittelmäßig". Northrop etwa weist für die ersten neun Monate des Jahres einen Verlust von 160 Millionen Dollar aus. Raytheon steckt mit 423 Millionen Dollar noch tiefer in den roten Zahlen.
Im Sommer folgte daher auf die Euphorie die Ernüchterung. "Die Anleger haben die Pentagon-Ausgaben überschätzt", sagt Steven Cochrane, Volkswirt bei Economy.com. "Manche scheinen mit der Rückkehr der goldenen Reagan-Jahre gerechnet zu haben." Das jedoch wird nicht passieren. Während Reagan in den letzten Jahren des Kalten Krieges massiv aufgerüstet hat, geht es heute vor allem um die Aufstockung des Waffenarsenals nach relativ kleinen Kriegen und die zögerliche Modernisierung des Militärs.
Lockheed Martin-Flugzeug F-22 Raptor: Umstrittene Milliarden-Projekte
Immer noch gibt es genug Beobachter, die an den großen Rüstungsboom glauben. "Forbes" hat Northrop soeben zur "Firma des Jahres" ernannt, das Anlegermagazin "Money" empfiehlt Northrop als eine der sieben besten Aktien für 2003. Beide sehen die Übernahme des Militärelektronik-Spezialisten TRW, die im Dezember genehmigt wurde, als Meilenstein auf Northrops Weg zum Wal-Mart der Rüstungsbranche. Das entstehende Konglomerat wird von Flugzeugträgern über AWACS-Aufklärungssysteme bis hin zu Überwachungssatelliten so ziemlich alles verkaufen, was für den modernen Distanzkrieg nötig ist.
Volle Auftragsbücher bescheren einen Miniboom
Und in einem Punkt haben die Cheerleader Recht: Die Aussichten für die Rüstungsindustrie sind besser als je zuvor seit dem Fall der Berliner Mauer. Irgendwo müssen die zusätzlichen Pentagon-Milliarden schließlich hinfließen: Allein im Haushaltsjahr 2003 steigt das Auftragsvolumen um zehn Prozent. Ein Mini-Boom sei daher zu erwarten, sagt Cochrane. "Der Effekt war bisher noch nicht zu bemerken, weil das Haushaltsjahr erst im Oktober angefangen hat", erklärt der Ökonom.
siehe spiegel-online
Wie Bush die Militär-Falken enttäuschte
Von Carsten Volkery, New York
Nach den Terroranschlägen vom 11. September war ein Gewinner schnell ausgemacht: die Rüstungsindustrie. Doch ein gutes Jahr später stellt sich heraus - der Irak ist nicht die Sowjetunion, und George W. Bush ist nicht Ronald Reagan.
DD(X)-Zerstörer von Northrop Grumman, hier eine Planzeichnung: Ist der Krieg doch kein gutes Geschäft?
New York - In Newport im US-Bundesstaat Virginia steht ein im wahrsten Sinne des Wortes großes Ereignis an. Nach acht Jahren Entwicklung und Bau wird im Mai die "USS Reagan" an die Navy übergeben. Die "Reagan" ist der neunte Flugzeugträger der Nimitzklasse - und wie seine Geschwister ein Gigant von einem Schiff. Die atomgetriebene Insel ist über 300 Meter lang und hat eine Oberfläche von 17 Hektar.
Der Flugzeugträger ist das Symbol amerikanischer Macht - nach dem 11. September mehr denn je. Und die Werft in Newport ist der einzige Ort der Welt, an dem die mobilen Festungen gebaut werden. Seit einem Jahr gehört die Werft zu Northrop Grumman, der zweitgrößten Rüstungsfirma der USA.
AP
Panzerhaubitze Crusader: "Am Tropf der Regierung"
Northrop, sollte man daher meinen, hat eine glänzende Zukunft vor sich. Die Bush-Regierung kämpft gegen die "Achse des Bösen", der erste Krieg ist bereits geführt, der zweite steht vor der Tür. Die militärfreundlichen Republikaner regieren mit absoluter Macht im Weißen Haus und im Kongress. Das Pentagon-Budget wächst rasant, auf 364 Milliarden Dollar im laufenden Haushaltsjahr und voraussichtlich 378 Milliarden Dollar in 2004.
Es überraschte daher kaum jemanden, als die Anleger nach dem 11. September in Erwartung einer Rüstungs-Bonanza die Aktien von Northrop und anderen einschlägigen Konzernen in die Höhe trieben: Northrop stiegen in den folgenden neun Monaten von 82 auf 135 Dollar, Lockheed Martin von 38 auf 71 Dollar und General Dynamics von 75 auf 111 Dollar. Während der Dow Jones abstürzte, herrschte im Rüstungssektor Gründerstimmung. Der Börsengang von Integrated Defense Technologies im März wurde zum Selbstzünder, gleich am ersten Tag explodierte der Kurs um 14 Prozent.
Geringe Margen verschrecken die Anleger
Doch dann, ganz plötzlich, drehte die Stimmung. Seit Juni haben die Rüstungsaktien über 30 Prozent an Wert verloren. Börsenneuling Integrated Defense Technologies beendet das Jahr rund 40 Prozent unter Ausgabekurs - einer der schwächsten Neustarts des Jahres.
General-Dynamics-Plan für das DD21-Schiff: Wunschliste der Militärs abgenickt
Was ist geschehen? Glaubt niemand mehr an den Irak-Krieg? Der Grund ist eher in den Bilanzen der Rüstungsunternehmen zu suchen. Denn die spiegeln keinen Boom wider. Im Gegenteil - Analysten wie Robert Friedman von Standard and Poor's nennen die Zahlenwerke "mittelmäßig". Northrop etwa weist für die ersten neun Monate des Jahres einen Verlust von 160 Millionen Dollar aus. Raytheon steckt mit 423 Millionen Dollar noch tiefer in den roten Zahlen.
Im Sommer folgte daher auf die Euphorie die Ernüchterung. "Die Anleger haben die Pentagon-Ausgaben überschätzt", sagt Steven Cochrane, Volkswirt bei Economy.com. "Manche scheinen mit der Rückkehr der goldenen Reagan-Jahre gerechnet zu haben." Das jedoch wird nicht passieren. Während Reagan in den letzten Jahren des Kalten Krieges massiv aufgerüstet hat, geht es heute vor allem um die Aufstockung des Waffenarsenals nach relativ kleinen Kriegen und die zögerliche Modernisierung des Militärs.
Lockheed Martin-Flugzeug F-22 Raptor: Umstrittene Milliarden-Projekte
Immer noch gibt es genug Beobachter, die an den großen Rüstungsboom glauben. "Forbes" hat Northrop soeben zur "Firma des Jahres" ernannt, das Anlegermagazin "Money" empfiehlt Northrop als eine der sieben besten Aktien für 2003. Beide sehen die Übernahme des Militärelektronik-Spezialisten TRW, die im Dezember genehmigt wurde, als Meilenstein auf Northrops Weg zum Wal-Mart der Rüstungsbranche. Das entstehende Konglomerat wird von Flugzeugträgern über AWACS-Aufklärungssysteme bis hin zu Überwachungssatelliten so ziemlich alles verkaufen, was für den modernen Distanzkrieg nötig ist.
Volle Auftragsbücher bescheren einen Miniboom
Und in einem Punkt haben die Cheerleader Recht: Die Aussichten für die Rüstungsindustrie sind besser als je zuvor seit dem Fall der Berliner Mauer. Irgendwo müssen die zusätzlichen Pentagon-Milliarden schließlich hinfließen: Allein im Haushaltsjahr 2003 steigt das Auftragsvolumen um zehn Prozent. Ein Mini-Boom sei daher zu erwarten, sagt Cochrane. "Der Effekt war bisher noch nicht zu bemerken, weil das Haushaltsjahr erst im Oktober angefangen hat", erklärt der Ökonom.
siehe spiegel-online