Zwei Berichte über das Missmanagement des Telecom-Konzerns WorldCom wurden kürzlich in den USA publiziert. Tun sich bereits bei der Lektüre der erstveröffentlichten Untersuchung, die das Unternehmen selbst bei dem Anwaltsbüro Wilmer, Cutler & Pickering in Auftrag gegeben hatte, Abgründe auf, so wirkt das 236 Seiten starke Dokument des Insolvenzgerichts wie eine Grundsatzkritik an einer außer Kontrolle geratenen Managementkultur. Die am Extremfall WorldCom aufgezeigten Strukturmängel und personellen Schwächen erinnern aber fatal oft an merkwürdige Praktiken in etlichen deutschen Konzerne, was zu denken geben sollte.
Richard Thornburgh, Beauftragter des Konkursgerichts, gibt detailliert Einblick in die Management-Unkultur, die sich über die Jahre bei WorldCom etabliert hatte und schließlich zu einer der größten Pleiten der Wirtschaftsgeschichte Amerikas führte. Der Bericht zeigt, wie das Unternehmen von den späten 90er-Jahren an Bilanzbetrug anwandte, um so rund 11 Milliarden US-Dollar Verluste zu verschleiern. Dabei wird auch die Rolle interner und externer Bilanzprüfer sowie des Aufsichtsrats und Vorstands (Bernie Ebbers und Scott Sullivan) beleuchtet. Thornburgh zusammenfassend:
Alles in allem glaubt der Prüfer, dass (..) die praktisch uneingeschränkte Machtbefugnis von Ebbers und Sullivan, kombiniert mit der passiven Akzeptanz der Geschäfte (Pläne) des Managements durch den Aufsichtsrat sowie einer Kultur, welche die Wichtigkeit interner Prüfungen, vorausschauender Planung und tiefgreifender Debatten oder Analysen herabsetzte, die Grundlage bildeten, welche das Unternehmen in die Insolvenz schlittern ließ.
Hatte Thornburgh sich in einem ein ersten Zwischenbericht primär auf die finanzielle Seite des Bankrotts konzentriert, so spricht er in dem jüngsten Papier dezidiert "Corporate Governance" an, also Fragen der Kompetenzverteilung, Kontrollmechanismen, etc - letztlich einfach Unternehmenskultur. Dies sei in Hinblick auf den Schutz von Shareholdern, Angestellten und Geldgebern wichtig. Thornburgh ist nach eigenen Worten davon überzeugt, "dass einige 'Corporate Governance'-Fehler bei WorldCom auch in vielen anderen börsennotierten Unternehmen präsent sind und aus der WorldCom-Geschichte wichtige Lektionen zu lernen wären."
Kaum verwunderlich also, dass er gleich eingangs grundlegende Management -Pflichten unter Berufung auf diverse andere US-Wirtschaftsprozesse anmahnte. Sorgfaltspflicht, Loyalität und Wahrheitspflicht wären teilweise grob vernachlässigt worden. Wer in dem Bericht ein wenig schmökert, fühlt sich manchmal in vorindustrielle Zeiten zurückversetzt. Hat man es tatsächlich mit einem Konzern zu tun? Vieles liest sich eher wie ein Bericht über einen feudalen Hofstaat - der schlecht geführt wurde.
Da wurden Gelder an "loyale" Mitarbeiter und deren Anverwandte ohne jegliche Kontrolle verschenkt. So stellte Sullivan einmal 10.000-Dollar-Schecks für einige seiner Mitarbeiter aus und als Draufgabe die gleiche Summe auch gleich für deren Ehegesponse. Der persönlichen Bereicherung von Ebbers widmet Thornburgh im übrigen ein eigenes Kapitel. Der frühere CEO, der bekannt dafür war, jedem Angestellten kritisch gegenüber zu stehen, der WorldCom-Aktien verkaufen wollte, nahm selbst nicht nur einmal hohe Summen über Aktienverkäufe ein. So warf Ebbers September 2000 einen dicken Packen WorldCom-Shares auf den Markt und streifte 70 Millionen Dollar ein. Nur wenige Tage später, am 4. Oktober 2000, brach der Kurs rapide ein. Eine Aktie war nur mehr 2,25 Dollar wert. "Anstatt verantwortungsvolle Maßnahmen zu setzen, um WorldCom und deren Shareholder vor Mr. Ebbers' verschlechternden persönlichen Finanzsituation zu bewahren, vergrößerte das 'Compensation Committee' das Problem. indem es ihm noch im selben Monat eine 75 Millionen Garantie und zusätzlich einen 25 Millionen Kredit gewährte. Letztlich erreichten die Darlehen für Mr. Ebbers eine Höhe von über 400 Millionen", hält Thornburgh fest.
Größenwahn und Unterwürfigkeit
Ganz allgemein war die Lohnpolitik bei WorldCom undurchsichtig. Gegenüber Thornburgh gab die Human Ressource-Abteilung an, keine lückenlose Dokumentation über die Praktiken früherer Jahre geben zu können. Unterlagen wurden schlicht nicht aufgehoben, vieles einfach verschlampt.. Bruchstücke konnte Thornburgh dennoch rekonstruieren. So hatten sich in den verschiedenen Abteilungen Dutzende unterschiedliche Kommissionsvereinbarungen für das Verkaufspersonal etabliert, die im Gegensatz zu den anderen Angestellten grundsätzlich nicht jährlich, sondern vierteljährlich ausbezahlt wurden. Die Kriterien der Festlegung der Höhe wirkten auf den Gerichtsprüfer unergründlich. Es scheint zumindest lange Zeit keine objektivierbaren Kriterien gegeben zu haben. "Es wurde ein Umfeld kreiert, in dem das Verkaufspersonal das Kommissionssystem für den persönlichen Vorteil manipulieren konnte und dies auch tat", heißt es in dem Untersuchungsbericht.
Ein weiterer Fehler scheint die exzessive Expansionspolitik des Telko-Konzerns gewesen zu sein. Kriterien der Nachhaltigkeit und vorausschauenden Planung rangierten offensichtlich auf der Werteskala der Führungsetage sehr weit unten. Eher scheint ab und an der Größenwahn ausgebrochen zu sein. So kaufte Ebbers nach einem nur 35-minütigen Telefongespräch den Telekomanbieter Intermedia für 6 Mrd. Dollar ein, obwohl keine Dokumente vorlagen. Der damalige Chefjurist Michael Salsbury (der im übrigen vergangene Woche zurückgetreten ist) stand daneben und es kam ihm kein Wort der Warnung über die Lippe. "Der Ermittler ist beunruhigt, dass keiner der Rechtsbeistände es für seine Verantwortung gehalten hat, den Vorstand auf seine treuhänderischen Pflichten hinzuweisen", schreibt Thornburgh.
Wie die Lemminge standen hochdotierte Manager, Juristen, etc. daneben und sahen dem außer Rand und Band geratenen Treiben der Chefs tatenlos zu. Ohne ihnen jetzt definitiv "illegales Verhalten" unterstellen zu wollen, wäre aber auch die Rolle des Aufsichtsrats zu hinterfragen, der sich oft mit mehr als dürftigen Informationen zufrieden gab, meint Thornburgh. Kritisch durchleuchtet der Gerichtsbeauftragte auch die Rolle von externen Controllern wie Arthur Andersen. Die interne Kontrolle wäre überhaupt auf schwachen Beinen gestanden, sowohl von der strukturellen wie personellen Ausstattung her als auch was die Abhängigkeitsverhältnisse zur Geschäftsführung betraf. Ebenso müsse die Informationspolitik kritisch hinterfragt werden.
Es scheint, dass in dieser feudalen Struktur namens WorldCom das Anheuern eines Hofnarrens vergessen wurde, der wie in früheren Zeiten dem Herrscher den Spiegel vorhielt und somit eine sozial- und psychohygienische Funktion im Machtgefüge einnahm. Für große Systeme notwendige Mechanismen des Machtausgleich fehlten bei WorldCom. Hier schwiegen die führenden Kräfte. Freilich konnte Kritik tatsächlich existentiell gefährlich werden.
"Show those numbers to the damn auditors and I'll throw you out the f-----g window"
So zitiert der Autor der Online-Kolumne von "Good Morning Silicon Valley" den ehemaligen Chef der Buchführung, als er einem Mitarbeiter einen "freundlichen Rat" erteilte. Auch die Revisionistin Cynthia Cooper, die später vom Times-Magazine zur Frau des Jahres gekürt wurde, nachdem sie seltsame Buchungspraktiken bei WorldCom der Verwaltungsbehörde mitteilte, kann ein Lied davon singen, dass das Unternehmen keinen Wert auf konstruktive Kritik legte - selbst Kollegen nicht, die sie isolierten.
In den USA reagierte man auf die Bilanzskandale von WorldCom und Enron mit dem Sarbanes-Oxley Act, wonach Bilanzen künftig beeidet werden müssen. Thornburgh verwies in dem neuen Bericht zu Recht auf die Corporate Governance, weil gute Unternehmensführung eben nicht nur mit Zahlen zu tun hat, sondern im sich Ergebnis auf lange Sicht auch die interne Kultur widerspiegelt. Corporate Governance wurde im übrigen in Deutschland nach diversen Skandalen der jüngeren Zeit diskutiert - wenngleich oftmals recht umständlich.
Im Prinzip sollte die Frage der Unternehmenskultur nämlich recht einfach zu lösen sein. Man wird über unabhängige Kontrollinstanzen diskutieren müssen und Doppelfunktionen in der Chefetage unterbinden. Neben der Frage nach dem Vermögen, nachhaltig zu handeln und den "social skills" von Managern, ebenso wie der grundsätzlichen Ausrichtung des Personalmanagments, wird es unabdingbar werden, die Ausgestaltung von Managerverträgen selbst zu durchleuchten.
Am Augenfälligsten sind sicher die exorbitanten Gagen, die sich in den letzten Jahren eingebürgert haben. Diese verweisen zum einen auf ein fragwürdiges Menschenbild und sind zum anderen schlicht unlogisch. Erstens weil Manager von ihren Mitarbeitern erwarten, dass sie primär aus "Freude an der Arbeit" im Unternehmen tätig sein sollen, selbst aber nur nach dem Prinzip der Gagenmaximierung bereit sind, Leistung zu bringen. Unlogisch sind überhöhte Bezüge deshalb, weil kein Mensch Einkommen allein erwirtschaften kann. "Was wir produzieren, hat immer den Charakter eines Sozialproduktes. Mitarbeitende, Kollegen, Zulieferer, Kapitalgeber, Kunden - diese alle zusammen erlauben dem einzelnen erst die Erzielung eines Einkommens", schrieb Ulrich Thielemann, Vizedirektor des Instituts für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen in einem Artikel für das Schweizer "Tagblatt". Und er setzte noch treffend nach:
Es dürfte kaum ein Zufall sein, dass die exorbitanten Gehälter vor allem jenen Managern zuflossen, deren Firmen nun in Schwierigkeiten geraten sind.
Auch wenn in Deutschland die Einführung von Obergrenzen für Managergehälter kürzlich abgelehnt wurde, bleibt das Problem bestehen. Golden Handshakes für Manager, die ohnehin schon ordentlich absahnen durften, "Kopfprämien" für abgebaute Mitarbeiter, Boni-Systeme, die überhastetes Outsourcing befördern, Extra-Cash bei Fusionierungen etc. werden sich in den meisten Fällen langfristig nicht günstig auf börsenotierte Unternehmen auswirken und damit auch nicht auf die Gesamtwirtschaft.
Sollten sich Vernunft und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Entscheidungspraxis in der Wirtschaft durchsetzen, so wäre es begrüßenswert. Sollte sich aber bewahrheiten, was kürzlich ein Kolumnist der Financial Times mit abgründigem Humor aufgriff, nämlich, dass in den Unternehmen heute eher Personen gefragt sind, die wenn auch nicht wirklich dumm, so sich zumindest dumm stellen können, dann wird die ökonomische Zukunft wahrscheinlich düster aussehen.
Wer sich über vermeintliche Dumpfbacken ärgert, die das Land oder seine Firma vor die Wand fahren, kann den Leuten ja einfach mal verschwörerisch zuzwinkern. Wahre Klugheit zeigt sich darin, dass man sich blöd stellen kann.
Im Falle von WorldCom haben sich auf der Führungsetage so gut wie alle Leute skrupelloser Weise blöd gestellt oder es wurden überhaupt nur mehr die Doofen in höhere Hierarchien vorgelassen. Was daraus wurde, konnte man sehen. Kein simpler Crash. Betrug an den Aktionären, Mitarbeitern und letztlich enormer volkswirtschaftlicher Schaden.
Richard Thornburgh, Beauftragter des Konkursgerichts, gibt detailliert Einblick in die Management-Unkultur, die sich über die Jahre bei WorldCom etabliert hatte und schließlich zu einer der größten Pleiten der Wirtschaftsgeschichte Amerikas führte. Der Bericht zeigt, wie das Unternehmen von den späten 90er-Jahren an Bilanzbetrug anwandte, um so rund 11 Milliarden US-Dollar Verluste zu verschleiern. Dabei wird auch die Rolle interner und externer Bilanzprüfer sowie des Aufsichtsrats und Vorstands (Bernie Ebbers und Scott Sullivan) beleuchtet. Thornburgh zusammenfassend:
Alles in allem glaubt der Prüfer, dass (..) die praktisch uneingeschränkte Machtbefugnis von Ebbers und Sullivan, kombiniert mit der passiven Akzeptanz der Geschäfte (Pläne) des Managements durch den Aufsichtsrat sowie einer Kultur, welche die Wichtigkeit interner Prüfungen, vorausschauender Planung und tiefgreifender Debatten oder Analysen herabsetzte, die Grundlage bildeten, welche das Unternehmen in die Insolvenz schlittern ließ.
Hatte Thornburgh sich in einem ein ersten Zwischenbericht primär auf die finanzielle Seite des Bankrotts konzentriert, so spricht er in dem jüngsten Papier dezidiert "Corporate Governance" an, also Fragen der Kompetenzverteilung, Kontrollmechanismen, etc - letztlich einfach Unternehmenskultur. Dies sei in Hinblick auf den Schutz von Shareholdern, Angestellten und Geldgebern wichtig. Thornburgh ist nach eigenen Worten davon überzeugt, "dass einige 'Corporate Governance'-Fehler bei WorldCom auch in vielen anderen börsennotierten Unternehmen präsent sind und aus der WorldCom-Geschichte wichtige Lektionen zu lernen wären."
Kaum verwunderlich also, dass er gleich eingangs grundlegende Management -Pflichten unter Berufung auf diverse andere US-Wirtschaftsprozesse anmahnte. Sorgfaltspflicht, Loyalität und Wahrheitspflicht wären teilweise grob vernachlässigt worden. Wer in dem Bericht ein wenig schmökert, fühlt sich manchmal in vorindustrielle Zeiten zurückversetzt. Hat man es tatsächlich mit einem Konzern zu tun? Vieles liest sich eher wie ein Bericht über einen feudalen Hofstaat - der schlecht geführt wurde.
Da wurden Gelder an "loyale" Mitarbeiter und deren Anverwandte ohne jegliche Kontrolle verschenkt. So stellte Sullivan einmal 10.000-Dollar-Schecks für einige seiner Mitarbeiter aus und als Draufgabe die gleiche Summe auch gleich für deren Ehegesponse. Der persönlichen Bereicherung von Ebbers widmet Thornburgh im übrigen ein eigenes Kapitel. Der frühere CEO, der bekannt dafür war, jedem Angestellten kritisch gegenüber zu stehen, der WorldCom-Aktien verkaufen wollte, nahm selbst nicht nur einmal hohe Summen über Aktienverkäufe ein. So warf Ebbers September 2000 einen dicken Packen WorldCom-Shares auf den Markt und streifte 70 Millionen Dollar ein. Nur wenige Tage später, am 4. Oktober 2000, brach der Kurs rapide ein. Eine Aktie war nur mehr 2,25 Dollar wert. "Anstatt verantwortungsvolle Maßnahmen zu setzen, um WorldCom und deren Shareholder vor Mr. Ebbers' verschlechternden persönlichen Finanzsituation zu bewahren, vergrößerte das 'Compensation Committee' das Problem. indem es ihm noch im selben Monat eine 75 Millionen Garantie und zusätzlich einen 25 Millionen Kredit gewährte. Letztlich erreichten die Darlehen für Mr. Ebbers eine Höhe von über 400 Millionen", hält Thornburgh fest.
Größenwahn und Unterwürfigkeit
Ganz allgemein war die Lohnpolitik bei WorldCom undurchsichtig. Gegenüber Thornburgh gab die Human Ressource-Abteilung an, keine lückenlose Dokumentation über die Praktiken früherer Jahre geben zu können. Unterlagen wurden schlicht nicht aufgehoben, vieles einfach verschlampt.. Bruchstücke konnte Thornburgh dennoch rekonstruieren. So hatten sich in den verschiedenen Abteilungen Dutzende unterschiedliche Kommissionsvereinbarungen für das Verkaufspersonal etabliert, die im Gegensatz zu den anderen Angestellten grundsätzlich nicht jährlich, sondern vierteljährlich ausbezahlt wurden. Die Kriterien der Festlegung der Höhe wirkten auf den Gerichtsprüfer unergründlich. Es scheint zumindest lange Zeit keine objektivierbaren Kriterien gegeben zu haben. "Es wurde ein Umfeld kreiert, in dem das Verkaufspersonal das Kommissionssystem für den persönlichen Vorteil manipulieren konnte und dies auch tat", heißt es in dem Untersuchungsbericht.
Ein weiterer Fehler scheint die exzessive Expansionspolitik des Telko-Konzerns gewesen zu sein. Kriterien der Nachhaltigkeit und vorausschauenden Planung rangierten offensichtlich auf der Werteskala der Führungsetage sehr weit unten. Eher scheint ab und an der Größenwahn ausgebrochen zu sein. So kaufte Ebbers nach einem nur 35-minütigen Telefongespräch den Telekomanbieter Intermedia für 6 Mrd. Dollar ein, obwohl keine Dokumente vorlagen. Der damalige Chefjurist Michael Salsbury (der im übrigen vergangene Woche zurückgetreten ist) stand daneben und es kam ihm kein Wort der Warnung über die Lippe. "Der Ermittler ist beunruhigt, dass keiner der Rechtsbeistände es für seine Verantwortung gehalten hat, den Vorstand auf seine treuhänderischen Pflichten hinzuweisen", schreibt Thornburgh.
Wie die Lemminge standen hochdotierte Manager, Juristen, etc. daneben und sahen dem außer Rand und Band geratenen Treiben der Chefs tatenlos zu. Ohne ihnen jetzt definitiv "illegales Verhalten" unterstellen zu wollen, wäre aber auch die Rolle des Aufsichtsrats zu hinterfragen, der sich oft mit mehr als dürftigen Informationen zufrieden gab, meint Thornburgh. Kritisch durchleuchtet der Gerichtsbeauftragte auch die Rolle von externen Controllern wie Arthur Andersen. Die interne Kontrolle wäre überhaupt auf schwachen Beinen gestanden, sowohl von der strukturellen wie personellen Ausstattung her als auch was die Abhängigkeitsverhältnisse zur Geschäftsführung betraf. Ebenso müsse die Informationspolitik kritisch hinterfragt werden.
Es scheint, dass in dieser feudalen Struktur namens WorldCom das Anheuern eines Hofnarrens vergessen wurde, der wie in früheren Zeiten dem Herrscher den Spiegel vorhielt und somit eine sozial- und psychohygienische Funktion im Machtgefüge einnahm. Für große Systeme notwendige Mechanismen des Machtausgleich fehlten bei WorldCom. Hier schwiegen die führenden Kräfte. Freilich konnte Kritik tatsächlich existentiell gefährlich werden.
"Show those numbers to the damn auditors and I'll throw you out the f-----g window"
So zitiert der Autor der Online-Kolumne von "Good Morning Silicon Valley" den ehemaligen Chef der Buchführung, als er einem Mitarbeiter einen "freundlichen Rat" erteilte. Auch die Revisionistin Cynthia Cooper, die später vom Times-Magazine zur Frau des Jahres gekürt wurde, nachdem sie seltsame Buchungspraktiken bei WorldCom der Verwaltungsbehörde mitteilte, kann ein Lied davon singen, dass das Unternehmen keinen Wert auf konstruktive Kritik legte - selbst Kollegen nicht, die sie isolierten.
In den USA reagierte man auf die Bilanzskandale von WorldCom und Enron mit dem Sarbanes-Oxley Act, wonach Bilanzen künftig beeidet werden müssen. Thornburgh verwies in dem neuen Bericht zu Recht auf die Corporate Governance, weil gute Unternehmensführung eben nicht nur mit Zahlen zu tun hat, sondern im sich Ergebnis auf lange Sicht auch die interne Kultur widerspiegelt. Corporate Governance wurde im übrigen in Deutschland nach diversen Skandalen der jüngeren Zeit diskutiert - wenngleich oftmals recht umständlich.
Im Prinzip sollte die Frage der Unternehmenskultur nämlich recht einfach zu lösen sein. Man wird über unabhängige Kontrollinstanzen diskutieren müssen und Doppelfunktionen in der Chefetage unterbinden. Neben der Frage nach dem Vermögen, nachhaltig zu handeln und den "social skills" von Managern, ebenso wie der grundsätzlichen Ausrichtung des Personalmanagments, wird es unabdingbar werden, die Ausgestaltung von Managerverträgen selbst zu durchleuchten.
Am Augenfälligsten sind sicher die exorbitanten Gagen, die sich in den letzten Jahren eingebürgert haben. Diese verweisen zum einen auf ein fragwürdiges Menschenbild und sind zum anderen schlicht unlogisch. Erstens weil Manager von ihren Mitarbeitern erwarten, dass sie primär aus "Freude an der Arbeit" im Unternehmen tätig sein sollen, selbst aber nur nach dem Prinzip der Gagenmaximierung bereit sind, Leistung zu bringen. Unlogisch sind überhöhte Bezüge deshalb, weil kein Mensch Einkommen allein erwirtschaften kann. "Was wir produzieren, hat immer den Charakter eines Sozialproduktes. Mitarbeitende, Kollegen, Zulieferer, Kapitalgeber, Kunden - diese alle zusammen erlauben dem einzelnen erst die Erzielung eines Einkommens", schrieb Ulrich Thielemann, Vizedirektor des Instituts für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen in einem Artikel für das Schweizer "Tagblatt". Und er setzte noch treffend nach:
Es dürfte kaum ein Zufall sein, dass die exorbitanten Gehälter vor allem jenen Managern zuflossen, deren Firmen nun in Schwierigkeiten geraten sind.
Auch wenn in Deutschland die Einführung von Obergrenzen für Managergehälter kürzlich abgelehnt wurde, bleibt das Problem bestehen. Golden Handshakes für Manager, die ohnehin schon ordentlich absahnen durften, "Kopfprämien" für abgebaute Mitarbeiter, Boni-Systeme, die überhastetes Outsourcing befördern, Extra-Cash bei Fusionierungen etc. werden sich in den meisten Fällen langfristig nicht günstig auf börsenotierte Unternehmen auswirken und damit auch nicht auf die Gesamtwirtschaft.
Sollten sich Vernunft und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Entscheidungspraxis in der Wirtschaft durchsetzen, so wäre es begrüßenswert. Sollte sich aber bewahrheiten, was kürzlich ein Kolumnist der Financial Times mit abgründigem Humor aufgriff, nämlich, dass in den Unternehmen heute eher Personen gefragt sind, die wenn auch nicht wirklich dumm, so sich zumindest dumm stellen können, dann wird die ökonomische Zukunft wahrscheinlich düster aussehen.
Wer sich über vermeintliche Dumpfbacken ärgert, die das Land oder seine Firma vor die Wand fahren, kann den Leuten ja einfach mal verschwörerisch zuzwinkern. Wahre Klugheit zeigt sich darin, dass man sich blöd stellen kann.
Im Falle von WorldCom haben sich auf der Führungsetage so gut wie alle Leute skrupelloser Weise blöd gestellt oder es wurden überhaupt nur mehr die Doofen in höhere Hierarchien vorgelassen. Was daraus wurde, konnte man sehen. Kein simpler Crash. Betrug an den Aktionären, Mitarbeitern und letztlich enormer volkswirtschaftlicher Schaden.