Echt arme Schweine

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Echt arme Schweine

 
19.12.02 23:33
Wall Street leidet: Keine Diamanten von Harry mehr

Wall Street fürchtet sinkende Boni / Rückgang um bis zu 70 Prozent erwartet / Von Norbert Kuls


NEW YORK, 19. Dezember. Vor drei Jahren machte an der Wall Street der Begriff von den Bonus-Babies die Runde: Das waren junge Investmentbanker, die Multimillionäre werden wollten, bevor sie 30 wurden. Analysten und Fondsmanager mit zweistelligen Millionengehältern gehörten dazu - eine Art Hohepriester der Börse, die bekannt waren wie Rockstars. Der Aktienhandel boomte, und Investmentbanken machten Rekordgewinne mit der Beratung bei Milliardenfusionen und den Börsengängen von Internetunternehmen. Am Ende des Jahres machten die Boni für die Banker oft ein Vielfaches der Grundgehälter aus.

Für die Bonus-Babies begannen sich Ende des Jahres 1999 sogar hochexklusive Einzelhändler wie der Juwelier Harry Winston Inc. zu interessieren. Winston, der indische Maharadschas und Hollywoodstars zu seinen Kunden zählt, mietete damals drei Tage lang einen Privatclub im Süden Manhattans und führte einer handverlesenen Klientel seine Kollektion vor. Alles nur, damit die vielbeschäftigten Investmentbanker nicht in die Fifth Avenue kommen mußten, um sich Manschettenknöpfe im Design "Bulle und Bär" für 3000 Dollar zu kaufen - damals das billigste Produkt bei Winston.

Geschätzte 13 Milliarden Dollar wurden damals als Boni an der Wall Street verteilt, und im Jahr 2000 wurde dies mit der Rekordsumme von 14,3 Milliarden Dollar sogar noch übertroffen. Danach war die Party an der Wall Street allerdings vorbei. Die Terroranschläge im September 2001 schockten die Branche, und Harry Winston gab seine Marketinganstrengungen an der Wall Street wieder auf.

Im vergangenen Jahr waren die Bonuszahlungen um 30 Prozent auf geschätzte 10 Milliarden Dollar gefallen, und auch in diesem Jahr wird sich dieser Trend fortsetzen. Der Kämmerer des Bundesstaats New York wird in Kürze die Schätzungen für 2002 bekanntgeben. Aber die ersten Hinweise lassen vermuten, daß es für Harry Winston in diesem Jahr wieder keinen Grund geben wird, an der Wall Street zu werben. Die Wall Street stellt sich auf einen Rückgang der Bonuszahlungen um 20 bis 70 Prozent ein, heißt es.

Die Investmentbanken sind in diesem Jahr von Rekordgewinnen weit entfernt: Die Börse wird voraussichtlich das dritte Jahr in Folge mit Kursverlusten schließen. Um dem Abwärtstrend entgegenzuwirken, haben die Banken in den vergangenen zwei Jahren rund 70000 Mitarbeiter entlassen. Aber nicht alle Geschäfte liefen im vergangenen Jahr schlecht, weswegen die Boni wohl je nach Sparte unterschiedlich ausfallen werden. Während Rentenhändler gute Geschäfte machten, rechnen Investmentbanker mit einem Rückgang ihrer Boni um 30 bis 50 Prozent. Dennoch hoffen manche der von den Entlassungen verschont gebliebenen Mitarbeiter auf einen relativ stabilen Bonus, weil sich der Überschuß auf weniger Köpfe verteilt. "Jeder, der übriggeblieben ist, gilt als ziemlich unentbehrlich, und deswegen dürften wir angesichts des Jahres, das hinter uns liegt, noch relativ gut abschneiden", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen hochrangigen Investmentbanker.

Die Entwicklung beim Wertpapierhaus Bear Stearns unterstreicht die unterschiedlichen Trends in den verschiedenen Sparten. Bear Stearns konnte den Rückgang des Aktienmarktes etwas besser wegstecken als manche Konkurrenten, weil das Haus traditionell im Geschäft mit festverzinslichen Wertpapieren stark ist. So lief besonders das Geschäft mit den als Wertpapiere verbrieften Hypotheken im vergangenen Jahr gut, weil viele Hausbesitzer angesichts der niedrigen Zinsen ihre Hypotheken refinanzierten. Insgesamt stieg der Gewinn von Bear Stearns im vierten Quartal um 23 Prozent auf 190,5 Millionen Dollar, bei leicht rückläufigem Umsatz. Der Umsatz im Investmentbanking ging allerdings um 60 Prozent zurück.

Neben den Investmentbankern dürften die Bonuskürzungen auch Analysten betreffen, die in diesem Jahr wegen Interessenkonflikten und geschönter Bewertungen in die Kritik geraten waren. An der Wall Street wird bei manchen Firmen mit einen Rückgang der Boni für Analysten um 25 Prozent gerechnet.

Die nun weniger üppig entlohnten Bonus-Babies des Jahres 2002 dürften das aber verschmerzen, auch wenn sie sich dieses Jahr wohl keine Diamanten von Harry Winston leisten werden. Denn die meisten werden froh sein, überhaupt noch einen Job zu haben.
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