Das Internet lebt - allen Skeptikern zum Trotz. Die Online-Umsätze wachsen, längst totgeglaubte Dotcoms schreiben schwarze Zahlen.
Im Jahr 2000 führte Ebay in den USA eine neue Produktkategorie ein. Auf der Homepage des weltgrößten Online-Auktionshauses erschien plötzlich auch eine Kategorie mit Angeboten für Gebrauchtwagen.
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Wieder eine dieser abstrusen Ideen des Internet-Hypes? Wer will schon online einen Gebrauchtwagen ersteigern, den er nie gesehen, nie Probe gefahren hat? Noch dazu von einem anonymen Verkäufer und ohne Rückgaberecht?
Heute ist Ebay mit über 300.000 gelisteten Autos einer der größten Gebrauchtwagenanbieter der Vereinigten Staaten. Die enorme Auswahl auf den Ebay-Seiten macht für viele Käufer die Nachteile der virtuellen Versteigerung mehr als wett. Die Verkäufer wiederum fühlen sich angezogen von den Scharen potenzieller Abnehmer, die sich bei Ebay tummeln.
Dank dieses Netzwerkeffekts erschließt Ebay immer neue Kategorien für den virtuellen Handel. Kein Wunder, dass Ebays Geschäftszahlen von einem anderen Stern zu stammen scheinen. Der Umsatz stieg 2002 um 62 Prozent auf 1,2 Milliarden Dollar, der Gewinn explodierte um 176 Prozent auf 250 Millionen Dollar.
Ebay ragt heraus aus der Masse der Internet-Firmen. Doch das Unternehmen ist nicht das einzige Beispiel für wirtschaftlichen Erfolg im Netz. Es gibt inzwischen jede Menge Profiteure des Internets - große wie kleine; etablierte Konzerne ebenso wie flinke Newcomer. Rund acht Jahre nach seiner ersten kommerziellen Nutzung treibt das Internet die Wirtschaft mit ungezügelter Kraft voran.
Weit unterhalb der kabbeligen Oberfläche mit ihren Dotcom-Wellen und Börsenblasen gleichen die Auswirkungen der Netztechnologie einem mächtigen, gleichmäßigen Strom. Einem Strom, der ganze Branchen umwälzt, der neue Geschäftsmodelle und Firmen nach oben spült und der inzwischen in nahezu jedem Unternehmen die Arbeitsabläufe kräftig durcheinander gestrudelt hat.
Was für eine wechselvolle Geschichte: Zur Jahrtausendwende wurde das Internet von Analysten, Beratern und Journalisten hochstilisiert - es galt als Fundament für die Gründung unzähliger Web-Firmen und für einen beispiellosen Börsenboom.
Dann der Absturz. Ein Großteil der Internet-Buden brach in sich zusammen. Die Börsenwerte schrumpften auf kaum mehr wahrnehmbare Größen. Plötzlich schien das Internet nur noch eine Schimäre zu sein.
Was die Befürworter in Phase eins ebenso übersahen wie die Kritiker in Phase zwei, war die Tatsache, dass das Netz in erster Linie eine exzellente Technologie für den Informationsaustausch ist.
Wie keinem anderen Medium gelingt es dem Internet, Menschen über alle Kontinente miteinander zu verbinden. Die neue Art der Kommunikation hilft den Unternehmen, die Innovationsprozesse zu beschleunigen und die Produktivität zu steigern.
Die Segnungen des Netzes genießen etablierte Konzerne ebenso wie die Überlebenden der Dotcom-Ära: Mehr als 40 Prozent der in den USA notierten Internet-Unternehmen melden inzwischen Gewinne. Auch in Deutschland werden positive Anzeichen sichtbar. Der Hosting-Anbieter United Internet schreibt nach hartem Turnaround schwarze Zahlen, die Telekom-Tochter T-Online und das Portal Web.de freuen sich über erste operative Gewinne.
In den meisten Konzernen ist das Internet längst zum unverzichtbaren Träger der wichtigsten internen und externen Abläufe herangereift: Der günstigste Zulieferer wird in einer Online-Auktion ermittelt, die wertvolle Maschine vom Hersteller über das Netz ferngewartet. In der Entwicklungsabteilung kooperieren virtuelle Projektteams aus den verschiedensten Ländern. Und die Kunden bestellen ihre Ware per Mausklick.
Klingt wie eine Vision aus den Jahren der Internet-Euphorie - und ist heute vielerorts Realität. Beim Telekommunikationskonzern Alcatel gehen über 90 Prozent der Bestellungen von Firmenkunden via Web ein. Im vergangenen Jahr setzten europäische Unternehmen im reinen B-to-B-Geschäft, also dem Online-Handel zwischen Firmen, rund 200 Milliarden Euro um, viermal so viel wie im Boomjahr 2000.
Sicher, so wie die Dotcoms mussten auch die Konzerne reichlich Lehrgeld zahlen. Die meisten großen Unternehmen hatten um die Jahrtausendwende eigene E-Business-Abteilungen gegründet, in denen dynamische Jungkaufleute die Krawatte ablegten und herausgelöst aus der Konzernhierarchie über allerlei Web-Projekten sinnierten. Leider erwiesen sich viele Ideen, die aus diesen Bastelstuben kamen, als allzu weit entfernt von Kundenbedürfnissen und Kerngeschäft.
In zahlreichen Großbetrieben, wie zum Beispiel bei Metro oder Siemens, sind die abgeschirmten E-Business-Einheiten bereits wieder Geschichte. "Das Internet bildet in den meisten Konzernen längst einen Bestandteil des operativen Geschäfts, es braucht keine beschützende Werkstatt mehr", sagt Thomas Schildhauer, Leiter des Berliner Institute of Electronic Business.
Nicht nur Unternehmen, auch Konsumenten nutzen das Netz verstärkt als alltägliches Transaktionsmedium. Die Hemmschwellen für Online-Einkäufe oder Geldgeschäfte am PC sinken.
Laut einer Studie des Allensbach-Instituts haben im Jahr 2002 rund 15 Millionen Deutsche im Internet eingekauft, 2 Millionen mehr als im Jahr zuvor. Ergibt einen Zuwachs von rund 15 Prozent. Das mögen nicht die exponentiellen Wachstumsraten sein, die uns Auguren um die Jahrtausendwende geweissagt haben. Aber mal ehrlich: Welche Branche wäre in diesen Zeiten nicht heilfroh über 15 Prozent Zuwachs?
Die Nachfrage im Internet wächst. Die Zahl der Anbieter ist deutlich gesunken. "Mit jeder Firma, die sich in den vergangenen Jahren aus dem Markt verabschiedet hat, sind die Chancen der Überlebenden gestiegen", konstatiert Netzexperte Schildhauer. Wer es als Online-Unternehmer bis ins Jahr 2003 geschafft hat, der hat sich durchgebissen im darwinistischen Dotcom-Dschungel.
So schrieb zum Beispiel der kleine deutsche Web-Händler Buch.de trostlose Verluste - bis der Bertelsmann-Ableger BOL im vergangenen Jahr den Betrieb einstellte. Buch.de übernahm den BOL-Kundenstamm und macht jetzt erstmals Gewinne.
Doch Vorsicht! Dass sich viele Dotcoms inzwischen mühsam in die schwarzen Zahlen gerettet haben, liefert keinen Anlass für einen neuen Internet-Hype. Längst nicht hinter jeder einigermaßen profitablen Internet-Firma steckt ein zweites Ebay.
Das wird am Beispiel des US-Versandhauses Amazon deutlich. Amazon-Gründer Jeff Bezos erwirtschaftete jahrelang haarsträubende Verluste, investierte das gesamte Kapital aus dem Börsengang in den Aufbau der Marke Amazon und in eigene Logistikzentren. Ergebnis der überschäumenden Spendierfreude: Bezos häufte zwei Milliarden Dollar Schulden an.
Mittlerweile hat Amazon in einzelnen Quartalen schmale Überschüsse erzielt. Doch bis das Unternehmen sein investiertes Kapital zurückverdient hat, werden Jahrzehnte ins Land ziehen.
Wie also geht es weiter? Dürfen sich die Unternehmen, die den Rausch der frühen Jahre überstanden haben, von nun an auf der Gewinnerstraße wähnen?
Nein. Wer so gut sein will wie Ebay, muss Online-Umsätze in relevanter Größenordnung erzielen, muss Aussicht auf weiteres rasches Wachstum haben und muss vor allem stabile Gewinne vorweisen.
Zudem dürfen wirklich solide Unternehmen auf ihrem Weg in die Gewinnzone nicht derart viel Geld verbrannt haben, dass der Return on Investment in dekadenweite Ferne rückt. Es gibt tatsächlich Firmen, die diesen hehren Anforderungskatalog zumindest annähernd erfüllen.
manager magazin stellt auf den folgenden Seiten sechs von ihnen vor. Darunter befinden sich typische Dotcoms ebenso wie Internet-Ableger etablierter Konzerne und konventionelle Unternehmen, die das Netz geschickt für den Ausbau ihres bestehenden Geschäfts zu nutzen wissen.
Alle sechs Firmen sind im Internet erfolgreich. Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen ihnen? Lassen sich Lehren aus ihrem Erfolg ziehen?
Ja. Keines der Unternehmen ist der übersteigerten Euphorie Ende der 90er Jahre zum Opfer gefallen. Sie haben sich nicht mit immer neuen Produktideen verzettelt, sondern ihr Wachstum im Kerngeschäft gesucht. So können diese Firmen heute in zunehmendem Maß von Skaleneffekten profitieren: Neue Nutzer sorgen bei ihnen für Umsatzwachstum, verursachen aber kaum zusätzliche Kosten.
Die Internationalisierung gingen die erfolgreichen Firmen nicht überstürzt, sondern Schritt für Schritt an. Die meisten von ihnen setzten zudem auf erfahrene Manager aus der Old Economy, die auf Kostenbewusstsein und Branchenexpertise pochen.
Auch Philipp Justus (33), Geschäftsführer von Ebay Deutschland, hat diese Erfolgsfaktoren verinnerlicht. Auf die Frage nach den Gründen des Ebay-Aufstiegs gibt er eine Antwort, die jedem Gebrauchtwagenhändler zur Ehre gereicht: "Wir geben nur aus, was wir einnehmen."
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