Andreas Thomann, Redaktion Bulletin
Amazon und Dell zum Trotz: Auch in der New Economy geben vor allem die grossen Marken aus der alten Welt den Ton an. So befindet sich unter den sechs grössten Internet-Banken der USA kein einziges Institut, das seine Dienste ausschliesslich im Internet anbietet. "Clicks and Bricks" - Internet und Backsteine (sprich Filialen) - lautet das Erfolgsrezept.
06.12.2001
Sogar Bill Gates hatte sich geirrt. Mitten in der Internet-Euphorie heizte er den traditionellen Finanzdienstleistern mächtig ein mit der Prognose, dass an ihre Stelle schon bald Quereinsteiger aus der IT und anderen Branchen treten könnten. Nun, an der Schwelle zum Jahr 2002, ist der grosse Einfall der Newcomer in die Finanzindustrie ausgeblieben. Und auch Bill Gates' Microsoft verkauft nach wie vor Software - und keine Hypotheken.
Online-Broker mit Schlagseite
Doch auch innerhalb der Finanzbranche mussten die Euphoriker inzwischen den nüchternen Rechnern Platz machen. E-Business- Projekte werden heute ungleich kritischer durchleuchtet, bevor die Investitionsgelder fliessen. Am deutlichsten zeigt sich die Ernüchterung im E-Brokerage, wo das ungünstige Börsenumfeld die Umsätze stark einbrechen liess. So wird in Deutschland der Branchenpionier Consors bis Ende Jahr insgesamt 360 Stellen streichen. Doch auch die Hauptkonkurrenten Comdirect und die Direkt Anlage Bank (DAB) schreiben tiefrote Zahlen. In der Schweiz sorgten vor allem die Privatbanken Vontobel und Julius Bär für Aufsehen, als sie ihre bereits weit fortgeschrittenen Projekte im Online-Brokerage stoppten und dabei hohe Verluste in Kauf nahmen. Und im vergangenen April stellte die Credit Suisse ihre europäische Handelsplattform ein, die sie ein halbes Jahr zuvor lanciert hatte.
Investoren pochen auf Rentabilität
Vorbei die Zeiten, als im E-Business die alten betriebswirtschaftlichen Regeln ausgehebelt schienen. «Mittlerweile verlangen Investoren auch von den Unternehmen aus der New Economy, dass sie möglichst rasch in die Gewinnzone kommen», meint Robert Mutschler von Forrester Research. Die Aussichten schätzt der Marktforscher dennoch nicht düster ein: «Viele der neuen Online-Angebote haben sich längst etabliert, und zwar weil sie dem Kunden einen handfesten Mehrwert bieten. Dazu gehört bestimmt auch das E-Banking.»
Wie weiter im E-Business? - so lautet die Frage der Stunde. Im Moment zeichnen sich drei Tendenzen ab:
1. Das E-Business lebt
2. Online-Firmen suchen Verankerung
3. Die Zeit der Experimente ist vorbei
1. Das E-Business lebt
Viele Indikatoren sprechen dafür, dass die Internet-Revolution erst begonnen hat: Nach Schätzungen des Instituts eMarketer gibt es gegenwärtig etwa 307 Millionen Männer und Frauen über 14, die weltweit das Internet aktiv nutzen. Bis ins Jahr 2004 soll sich diese Zahl mehr als verdoppeln.
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Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf den E-Commerce. Allein in den USA, so schätzt eMarketer, kauften Konsumenten im laufenden Jahr für insgesamt 54 Milliarden Dollar Waren im Internet – das sind 16 Milliarden mehr als im letzten Jahr. Das grosse Geschäft erwartet das Forschungsinstitut jedoch im Bereich Business-to-Business (B2B): Bis ins Jahr 2004 sollen Firmen weltweit für 2,8 Billionen Dollar Waren via Internet untereinander handeln.
Investitionen fliessen ungebremst ins E-Business
Dass auch den Schweizer Unternehmen die Lust auf E-Business nicht komplett vergangen ist, belegt die Studie «Netzreport», die auf einer im letzten Sommer durchgeführten Umfrage bei 3859 Firmen basiert. Insgesamt sechs bis sieben Milliarden Franken hat demnach die Schweizer Wirtschaft im Jahr 2001 im Bereich E-Business investiert. Für das nächste Jahr sei die Tendenz sogar leicht steigend. Eine Blitzumfrage der Handelszeitung bei einigen Schweizer Grossunternehmen, durchgeführt nach den Attacken auf das World Trade Center, kommt auf ein ähnliches Ergebnis. Ausser der Post und den Medienkonzernen planen die Firmen für 2002 ähnlich hohe oder leicht höhere Investitionen in ihre E-Business-Projekte.
2. Online-Firmen suchen Verankerung
Amazon und Dell sind die Paradepferde der Internet-Revolution, denn sie haben sich ohne physische Präsenz einen beachtlichen Marktanteil erkämpft. Doch Amazon und Dell sind die Ausnahme. Fast in sämtlichen Branchen haben sich die etablierten Marken aus der Old Economy an die Spitze emporgearbeitet. Etwa in der Schweizer Online-Medien-Landschaft, wo in der Rangliste der fünf beliebtesten Portale nur altbekannte Namen auftauchen: blick.ch (1), nzz.ch (2), cnn.com (3), tages-anzeiger.ch (4) und 20min.ch (5). Der ausschliesslich im Internet operierende Finanznachrichtendienst Moneycab schaffte es nicht einmal unter die ersten 15.
Multichannel-Banken haben grösseren Zuwachs
Dasselbe Bild in der Finanzbranche: Gemäss dem Marktforscher Jupiter Media Metrix steuerten im vergangenen Juli 13,4 Millionen Surfer (Unique Visitors) die Webseiten von amerikanischen Multichannel-Banken an, Banken also, die auch physische Filialen führen. Ein Jahr zuvor waren es noch 6,4 Millionen User. In der gleichen Zeit fiel der Internet-Zustrom auf reine Online-Banken um 8,1 Prozent auf 1,1 Millionen User. Und unter den sechs grössten Internet-Banken der USA befindet kein einziges Institut, das seine Dienste ausschliesslich im Internet anbietet.
Sogar Charles Schwab eröffnet Filialen
Der Erfolg liegt in der Kombination von Bricks und Clicks – von traditionellen, aus «Backsteinen» (Bricks) bestehenden Vertriebskanälen und internetbasierten Aktivitäten (Clicks). Das hat auch der amerikanische Online-Broker Charles Schwab relativ rasch gemerkt. Gestartet als reines Click-Unternehmen, führt die Firma mittlerweile über vierhundert Geschäftsstellen. Gerade im Banking hatten reine Dotcom- Firmen Mühe, sich das Vertrauen ihrer Kunden zu erwerben. Ohne Vertrauen ist bei Bankkunden aber wenig auszurichten. Kommt hinzu, dass sich der Online-Kanal bisher nur für Standardprodukte bewährt hat. «Bevor der Kunde eine Lebensversicherung abschliesst, will er sich meist noch von einem realen Menschen beraten lassen», so die Erfahrung von Robert Mutschler.
Credit Suisse: Kanäle müssen zusammenrücken
Die Credit Suisse hat von Anfang an auf die Multichannel-Philosophie gesetzt. Allerdings stehen die vielen neuen Portale und Websites heute eher in einem losen Verbund - sowohl untereinander als auch mit den traditionellen Kanälen. «Die intelligente Verknüpfung dieser Kanäle hat bei uns Priorität», meint Silvan Wyss, ab 2002 zuständig für Strategien und Synergien im neu geschaffenen Departement e-Solutions. Eine Schlüsselrolle übernehmen dabei die Kundenberater. «Sie müssen ihren Kunden vermehrt die Möglichkeiten des Internets erklären, sei dies nun eine Fonds-Preisliste, Branchen-Informationen oder ein Dauerauftrag.» Denn anders als die Pioniere der ersten Internetgeneration, die ein neues Angebot im Netz selbst aufstöberten, braucht die kommende Generation einen Anstoss von aussen. Silvan Wyss illustriert es mit einer Zahl: «Heute laufen 90 Prozent der neuen Abschlüsse im Direct Net, unserem Internet Banking, über die Kundenberater.»
3. Die Zeit der Experimente ist vorbei
In der Vergangenheit galt bei E-Business-Projekten vor allem eine Devise: als Erster am Markt sein. Das Innovationsrad drehte sich entsprechend schnell - schnell genug, um mit den Produkten Direct Net (E-Banking), youtrade (Online-Brokerage) und yourhome (Wohneigentums-Portal) jeweils der Konkurrenz eine Nasenlänge voraus zu sein. «Das hohe Tempo», bilanziert Silvan Wyss, «hat sich ausbezahlt.» Sogar im zurzeit stark gebeutelten Online-Brokerage: «Hätten wir youtrade nicht als erste auf den Markt gebracht, besässen wir heute auch nicht den grössten Marktanteil. Ganz abgesehen von den 30 bis 50 Prozent Neukunden, die bei youtrade einen Vertrag abgeschlossen haben.»
Grosse Marktplätze sind out
Der Drang nach immer neueren Angeboten hat sich inzwischen etwas gelegt, die Experimentierlust ist gesunken. Konsolidieren, Koordinieren und Kombinieren der Angebote ist angesagt: «Wir haben heute für den einzelnen Besucher zu viele Informationen und Seiten auf dem Web. Da müssen wir Ordnung schaffen», so Silvan Wyss. «Der Kunde soll auf eine Webseite kommen, wo er rasch findet, was er sucht.» Das Motto «weniger ist mehr» gilt auch im Bereich der Web-Allianzen. Die breit konzipierten Marktplätze wie yourhome, auf denen neben der Credit Suisse auch eine Reihe von Partnern ihre Dienste anbieten – Architekten, Zügelunternehmen, Makler – sind interessante Modelle, welche die Möglichkeiten des Internets geschickt ausnützen. Ob man auch im heutigen Umfeld noch ein solches Projekt lan cieren würde, ist jedoch fraglich. «Der Fokus liegt wieder stärker auf den eigenen Kernkompetenzen», meint Silvan Wyss, was jedoch Allianz-Modelle nicht prinzipiell ausschliesse. «Allianzen sind dort sinnvoll, wo dem Kunden neue, wertschöpfende Angebote offeriert werden.»
Die Revolution kommt auf leisen Sohlen
Von manchen Anpassungen wird der Kunde gar nichts erfahren, etwa im Bereich der Infrastruktur. Silvan Wyss nennt ein Beispiel: «Im Moment läuft ein Projekt, das sämtliche E-Commerce-Angebote auf einer gemeinsamen IT-Plattform zusammenbringt.» Diese «stille Revolution» hat nebst der Credit Suisse auch andere Grossunternehmen erfasst, wie eine Studie der Consulting-Firma Accenture belegt. Internetbasierte Technologien, so die Studie, würden seit einiger Zeit eher unspektakulär in immer mehr Geschäftsabläufe integriert, und zwar sowohl innerhalb der internen Prozesse als auch im B2B. Nach dem Vertrieb und Marketing sind nun die Bereiche Beschaffung, Logistik und Human Resources an der Reihe. «E-Commerce dient in diesem Fall der operationellen Effizienzsteigerung und Kostensenkung.» Die Entwicklung werde noch an Dynamik gewinnen.
Warten auf die nächste Welle
Mögen die spektakulären Start-ups im E-Business vorerst ausbleiben, die nächste Technologie-Welle kommt bestimmt. Die Schlagwörter sind bereits griffbereit, ob Mobile Commerce, Television Commerce oder Silent Commerce - letzteres umschreibt die Kommunikation und den Handel ganz ohne Menschen. Wie immer wird nur ein Bruchteil der Innovationen auch einen Markt finden. «Doch wo sie auf ein reales Bedürfnis treffen, stehen die Chancen gut», sagt Robert Mutschler, der sich schon lange einen Service zum Herunterladen von DVD-Filmen wünscht, «besonders an Sonntagen, wo bei uns in Deutschland die Videotheken geschlossen sind.» Etwas schnellere Datennetze sollten reichen, bis auch dieses Geschäftsmodell einen Geldgeber findet.
Top Tens
bulletin.credit-suisse.ch/ebusiness/1007680938.html#anker2
Amazon und Dell zum Trotz: Auch in der New Economy geben vor allem die grossen Marken aus der alten Welt den Ton an. So befindet sich unter den sechs grössten Internet-Banken der USA kein einziges Institut, das seine Dienste ausschliesslich im Internet anbietet. "Clicks and Bricks" - Internet und Backsteine (sprich Filialen) - lautet das Erfolgsrezept.
06.12.2001
Sogar Bill Gates hatte sich geirrt. Mitten in der Internet-Euphorie heizte er den traditionellen Finanzdienstleistern mächtig ein mit der Prognose, dass an ihre Stelle schon bald Quereinsteiger aus der IT und anderen Branchen treten könnten. Nun, an der Schwelle zum Jahr 2002, ist der grosse Einfall der Newcomer in die Finanzindustrie ausgeblieben. Und auch Bill Gates' Microsoft verkauft nach wie vor Software - und keine Hypotheken.
Online-Broker mit Schlagseite
Doch auch innerhalb der Finanzbranche mussten die Euphoriker inzwischen den nüchternen Rechnern Platz machen. E-Business- Projekte werden heute ungleich kritischer durchleuchtet, bevor die Investitionsgelder fliessen. Am deutlichsten zeigt sich die Ernüchterung im E-Brokerage, wo das ungünstige Börsenumfeld die Umsätze stark einbrechen liess. So wird in Deutschland der Branchenpionier Consors bis Ende Jahr insgesamt 360 Stellen streichen. Doch auch die Hauptkonkurrenten Comdirect und die Direkt Anlage Bank (DAB) schreiben tiefrote Zahlen. In der Schweiz sorgten vor allem die Privatbanken Vontobel und Julius Bär für Aufsehen, als sie ihre bereits weit fortgeschrittenen Projekte im Online-Brokerage stoppten und dabei hohe Verluste in Kauf nahmen. Und im vergangenen April stellte die Credit Suisse ihre europäische Handelsplattform ein, die sie ein halbes Jahr zuvor lanciert hatte.
Investoren pochen auf Rentabilität
Vorbei die Zeiten, als im E-Business die alten betriebswirtschaftlichen Regeln ausgehebelt schienen. «Mittlerweile verlangen Investoren auch von den Unternehmen aus der New Economy, dass sie möglichst rasch in die Gewinnzone kommen», meint Robert Mutschler von Forrester Research. Die Aussichten schätzt der Marktforscher dennoch nicht düster ein: «Viele der neuen Online-Angebote haben sich längst etabliert, und zwar weil sie dem Kunden einen handfesten Mehrwert bieten. Dazu gehört bestimmt auch das E-Banking.»
Wie weiter im E-Business? - so lautet die Frage der Stunde. Im Moment zeichnen sich drei Tendenzen ab:
1. Das E-Business lebt
2. Online-Firmen suchen Verankerung
3. Die Zeit der Experimente ist vorbei
1. Das E-Business lebt
Viele Indikatoren sprechen dafür, dass die Internet-Revolution erst begonnen hat: Nach Schätzungen des Instituts eMarketer gibt es gegenwärtig etwa 307 Millionen Männer und Frauen über 14, die weltweit das Internet aktiv nutzen. Bis ins Jahr 2004 soll sich diese Zahl mehr als verdoppeln.
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Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf den E-Commerce. Allein in den USA, so schätzt eMarketer, kauften Konsumenten im laufenden Jahr für insgesamt 54 Milliarden Dollar Waren im Internet – das sind 16 Milliarden mehr als im letzten Jahr. Das grosse Geschäft erwartet das Forschungsinstitut jedoch im Bereich Business-to-Business (B2B): Bis ins Jahr 2004 sollen Firmen weltweit für 2,8 Billionen Dollar Waren via Internet untereinander handeln.
Investitionen fliessen ungebremst ins E-Business
Dass auch den Schweizer Unternehmen die Lust auf E-Business nicht komplett vergangen ist, belegt die Studie «Netzreport», die auf einer im letzten Sommer durchgeführten Umfrage bei 3859 Firmen basiert. Insgesamt sechs bis sieben Milliarden Franken hat demnach die Schweizer Wirtschaft im Jahr 2001 im Bereich E-Business investiert. Für das nächste Jahr sei die Tendenz sogar leicht steigend. Eine Blitzumfrage der Handelszeitung bei einigen Schweizer Grossunternehmen, durchgeführt nach den Attacken auf das World Trade Center, kommt auf ein ähnliches Ergebnis. Ausser der Post und den Medienkonzernen planen die Firmen für 2002 ähnlich hohe oder leicht höhere Investitionen in ihre E-Business-Projekte.
2. Online-Firmen suchen Verankerung
Amazon und Dell sind die Paradepferde der Internet-Revolution, denn sie haben sich ohne physische Präsenz einen beachtlichen Marktanteil erkämpft. Doch Amazon und Dell sind die Ausnahme. Fast in sämtlichen Branchen haben sich die etablierten Marken aus der Old Economy an die Spitze emporgearbeitet. Etwa in der Schweizer Online-Medien-Landschaft, wo in der Rangliste der fünf beliebtesten Portale nur altbekannte Namen auftauchen: blick.ch (1), nzz.ch (2), cnn.com (3), tages-anzeiger.ch (4) und 20min.ch (5). Der ausschliesslich im Internet operierende Finanznachrichtendienst Moneycab schaffte es nicht einmal unter die ersten 15.
Multichannel-Banken haben grösseren Zuwachs
Dasselbe Bild in der Finanzbranche: Gemäss dem Marktforscher Jupiter Media Metrix steuerten im vergangenen Juli 13,4 Millionen Surfer (Unique Visitors) die Webseiten von amerikanischen Multichannel-Banken an, Banken also, die auch physische Filialen führen. Ein Jahr zuvor waren es noch 6,4 Millionen User. In der gleichen Zeit fiel der Internet-Zustrom auf reine Online-Banken um 8,1 Prozent auf 1,1 Millionen User. Und unter den sechs grössten Internet-Banken der USA befindet kein einziges Institut, das seine Dienste ausschliesslich im Internet anbietet.
Sogar Charles Schwab eröffnet Filialen
Der Erfolg liegt in der Kombination von Bricks und Clicks – von traditionellen, aus «Backsteinen» (Bricks) bestehenden Vertriebskanälen und internetbasierten Aktivitäten (Clicks). Das hat auch der amerikanische Online-Broker Charles Schwab relativ rasch gemerkt. Gestartet als reines Click-Unternehmen, führt die Firma mittlerweile über vierhundert Geschäftsstellen. Gerade im Banking hatten reine Dotcom- Firmen Mühe, sich das Vertrauen ihrer Kunden zu erwerben. Ohne Vertrauen ist bei Bankkunden aber wenig auszurichten. Kommt hinzu, dass sich der Online-Kanal bisher nur für Standardprodukte bewährt hat. «Bevor der Kunde eine Lebensversicherung abschliesst, will er sich meist noch von einem realen Menschen beraten lassen», so die Erfahrung von Robert Mutschler.
Credit Suisse: Kanäle müssen zusammenrücken
Die Credit Suisse hat von Anfang an auf die Multichannel-Philosophie gesetzt. Allerdings stehen die vielen neuen Portale und Websites heute eher in einem losen Verbund - sowohl untereinander als auch mit den traditionellen Kanälen. «Die intelligente Verknüpfung dieser Kanäle hat bei uns Priorität», meint Silvan Wyss, ab 2002 zuständig für Strategien und Synergien im neu geschaffenen Departement e-Solutions. Eine Schlüsselrolle übernehmen dabei die Kundenberater. «Sie müssen ihren Kunden vermehrt die Möglichkeiten des Internets erklären, sei dies nun eine Fonds-Preisliste, Branchen-Informationen oder ein Dauerauftrag.» Denn anders als die Pioniere der ersten Internetgeneration, die ein neues Angebot im Netz selbst aufstöberten, braucht die kommende Generation einen Anstoss von aussen. Silvan Wyss illustriert es mit einer Zahl: «Heute laufen 90 Prozent der neuen Abschlüsse im Direct Net, unserem Internet Banking, über die Kundenberater.»
3. Die Zeit der Experimente ist vorbei
In der Vergangenheit galt bei E-Business-Projekten vor allem eine Devise: als Erster am Markt sein. Das Innovationsrad drehte sich entsprechend schnell - schnell genug, um mit den Produkten Direct Net (E-Banking), youtrade (Online-Brokerage) und yourhome (Wohneigentums-Portal) jeweils der Konkurrenz eine Nasenlänge voraus zu sein. «Das hohe Tempo», bilanziert Silvan Wyss, «hat sich ausbezahlt.» Sogar im zurzeit stark gebeutelten Online-Brokerage: «Hätten wir youtrade nicht als erste auf den Markt gebracht, besässen wir heute auch nicht den grössten Marktanteil. Ganz abgesehen von den 30 bis 50 Prozent Neukunden, die bei youtrade einen Vertrag abgeschlossen haben.»
Grosse Marktplätze sind out
Der Drang nach immer neueren Angeboten hat sich inzwischen etwas gelegt, die Experimentierlust ist gesunken. Konsolidieren, Koordinieren und Kombinieren der Angebote ist angesagt: «Wir haben heute für den einzelnen Besucher zu viele Informationen und Seiten auf dem Web. Da müssen wir Ordnung schaffen», so Silvan Wyss. «Der Kunde soll auf eine Webseite kommen, wo er rasch findet, was er sucht.» Das Motto «weniger ist mehr» gilt auch im Bereich der Web-Allianzen. Die breit konzipierten Marktplätze wie yourhome, auf denen neben der Credit Suisse auch eine Reihe von Partnern ihre Dienste anbieten – Architekten, Zügelunternehmen, Makler – sind interessante Modelle, welche die Möglichkeiten des Internets geschickt ausnützen. Ob man auch im heutigen Umfeld noch ein solches Projekt lan cieren würde, ist jedoch fraglich. «Der Fokus liegt wieder stärker auf den eigenen Kernkompetenzen», meint Silvan Wyss, was jedoch Allianz-Modelle nicht prinzipiell ausschliesse. «Allianzen sind dort sinnvoll, wo dem Kunden neue, wertschöpfende Angebote offeriert werden.»
Die Revolution kommt auf leisen Sohlen
Von manchen Anpassungen wird der Kunde gar nichts erfahren, etwa im Bereich der Infrastruktur. Silvan Wyss nennt ein Beispiel: «Im Moment läuft ein Projekt, das sämtliche E-Commerce-Angebote auf einer gemeinsamen IT-Plattform zusammenbringt.» Diese «stille Revolution» hat nebst der Credit Suisse auch andere Grossunternehmen erfasst, wie eine Studie der Consulting-Firma Accenture belegt. Internetbasierte Technologien, so die Studie, würden seit einiger Zeit eher unspektakulär in immer mehr Geschäftsabläufe integriert, und zwar sowohl innerhalb der internen Prozesse als auch im B2B. Nach dem Vertrieb und Marketing sind nun die Bereiche Beschaffung, Logistik und Human Resources an der Reihe. «E-Commerce dient in diesem Fall der operationellen Effizienzsteigerung und Kostensenkung.» Die Entwicklung werde noch an Dynamik gewinnen.
Warten auf die nächste Welle
Mögen die spektakulären Start-ups im E-Business vorerst ausbleiben, die nächste Technologie-Welle kommt bestimmt. Die Schlagwörter sind bereits griffbereit, ob Mobile Commerce, Television Commerce oder Silent Commerce - letzteres umschreibt die Kommunikation und den Handel ganz ohne Menschen. Wie immer wird nur ein Bruchteil der Innovationen auch einen Markt finden. «Doch wo sie auf ein reales Bedürfnis treffen, stehen die Chancen gut», sagt Robert Mutschler, der sich schon lange einen Service zum Herunterladen von DVD-Filmen wünscht, «besonders an Sonntagen, wo bei uns in Deutschland die Videotheken geschlossen sind.» Etwas schnellere Datennetze sollten reichen, bis auch dieses Geschäftsmodell einen Geldgeber findet.
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